noch mehr inne, wenn die Stelle leer ist, die sie einnahm. Luther lebte nicht mehr.
Als er beschäftigt war eine ähnliche Streitigkeit zwi- schen den Grafen Mansfeld zu schlichten, dort in Eisleben, wo er geboren worden, hatte seine Stunde ihm geschlagen.
In seinen letzten Jahren war Luther für seine Ruhe- beinahe zu viel mit kleinen Händeln geplagt, in Universität und Land, seiner Gemeine und seinem Haus, mit alle den verschiedenen Ständen und Classen, -- er glaubte wohl ein- mal, vom Schreibtisch ans Fenster tretend, gegenüber den Satan zu erblicken, der mit leichtfertigen Gebehrden seiner unnützen Geschäftigkeit spotte, -- denn bei weitem nicht wie er wünschte, griff das verkündete Evangelium durch, die Welt blieb doch immer, wie er sagt, die Welt; aber wir möchten dieser Thätigkeit nicht entbehren: Luthers Briefwech- sel zeigt, mit welcher Energie und Gewalt er die Prinzipien, die er gewonnen und erkämpft, in jedem kleinen Verhältniß durchführte und geltend machte.
Auch in den großen Angelegenheiten erhob er noch zu- weilen seine Stimme. Er sah wohl, welchen Gang sie nah- men; sehr gut faßt er alle wesentlichen Elemente der künf- tigen Gefahr auf: immer in dem Lichte des großen uranfäng- lichen Kampfes zwischen Wahrheit und Lüge, Gott und Sa- tan, in dem er lebt und webt. Milder war er nicht gewor- den; von seinen Schriften gegen den Papst ist die letzte nicht allein die bitterste, mit Schmähworten am meisten an- gefüllte, sondern auch in sich selber heftigste, feindseligste; man möchte sagen, wenn so verschiedenartige Dinge sich ver- gleichen lassen, sie athme den Geist der alten Comödie, wo die
Achtes Buch. Erſtes Capitel.
noch mehr inne, wenn die Stelle leer iſt, die ſie einnahm. Luther lebte nicht mehr.
Als er beſchäftigt war eine ähnliche Streitigkeit zwi- ſchen den Grafen Mansfeld zu ſchlichten, dort in Eisleben, wo er geboren worden, hatte ſeine Stunde ihm geſchlagen.
In ſeinen letzten Jahren war Luther für ſeine Ruhe- beinahe zu viel mit kleinen Händeln geplagt, in Univerſität und Land, ſeiner Gemeine und ſeinem Haus, mit alle den verſchiedenen Ständen und Claſſen, — er glaubte wohl ein- mal, vom Schreibtiſch ans Fenſter tretend, gegenüber den Satan zu erblicken, der mit leichtfertigen Gebehrden ſeiner unnützen Geſchäftigkeit ſpotte, — denn bei weitem nicht wie er wünſchte, griff das verkündete Evangelium durch, die Welt blieb doch immer, wie er ſagt, die Welt; aber wir möchten dieſer Thätigkeit nicht entbehren: Luthers Briefwech- ſel zeigt, mit welcher Energie und Gewalt er die Prinzipien, die er gewonnen und erkämpft, in jedem kleinen Verhältniß durchführte und geltend machte.
Auch in den großen Angelegenheiten erhob er noch zu- weilen ſeine Stimme. Er ſah wohl, welchen Gang ſie nah- men; ſehr gut faßt er alle weſentlichen Elemente der künf- tigen Gefahr auf: immer in dem Lichte des großen uranfäng- lichen Kampfes zwiſchen Wahrheit und Lüge, Gott und Sa- tan, in dem er lebt und webt. Milder war er nicht gewor- den; von ſeinen Schriften gegen den Papſt iſt die letzte nicht allein die bitterſte, mit Schmähworten am meiſten an- gefüllte, ſondern auch in ſich ſelber heftigſte, feindſeligſte; man möchte ſagen, wenn ſo verſchiedenartige Dinge ſich ver- gleichen laſſen, ſie athme den Geiſt der alten Comödie, wo die
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Achtes Buch. Erſtes Capitel.
noch mehr inne, wenn die Stelle leer iſt, die ſie einnahm.
Luther lebte nicht mehr.
Als er beſchäftigt war eine ähnliche Streitigkeit zwi-
ſchen den Grafen Mansfeld zu ſchlichten, dort in Eisleben,
wo er geboren worden, hatte ſeine Stunde ihm geſchlagen.
In ſeinen letzten Jahren war Luther für ſeine Ruhe-
beinahe zu viel mit kleinen Händeln geplagt, in Univerſität
und Land, ſeiner Gemeine und ſeinem Haus, mit alle den
verſchiedenen Ständen und Claſſen, — er glaubte wohl ein-
mal, vom Schreibtiſch ans Fenſter tretend, gegenüber den
Satan zu erblicken, der mit leichtfertigen Gebehrden ſeiner
unnützen Geſchäftigkeit ſpotte, — denn bei weitem nicht wie
er wünſchte, griff das verkündete Evangelium durch, die
Welt blieb doch immer, wie er ſagt, die Welt; aber wir
möchten dieſer Thätigkeit nicht entbehren: Luthers Briefwech-
ſel zeigt, mit welcher Energie und Gewalt er die Prinzipien,
die er gewonnen und erkämpft, in jedem kleinen Verhältniß
durchführte und geltend machte.
Auch in den großen Angelegenheiten erhob er noch zu-
weilen ſeine Stimme. Er ſah wohl, welchen Gang ſie nah-
men; ſehr gut faßt er alle weſentlichen Elemente der künf-
tigen Gefahr auf: immer in dem Lichte des großen uranfäng-
lichen Kampfes zwiſchen Wahrheit und Lüge, Gott und Sa-
tan, in dem er lebt und webt. Milder war er nicht gewor-
den; von ſeinen Schriften gegen den Papſt iſt die letzte
nicht allein die bitterſte, mit Schmähworten am meiſten an-
gefüllte, ſondern auch in ſich ſelber heftigſte, feindſeligſte;
man möchte ſagen, wenn ſo verſchiedenartige Dinge ſich ver-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/410>, abgerufen am 22.11.2024.
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