Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.Tod Martin Luthers. Abweichung von der Regel als das Wesen des Gegentheilsbetrachtet, in ihrer inneren Falschheit ergriffen und in den Koth getreten wird. Für ihr freilich war die Zeit nicht da, der er- gangenen Entwickelung nachzuforschen, historische Gerechtigkeit auszuüben: die Gewalt die er bekämpfte, entfaltete eben alle ihre Macht, um die Lehre zu vertilgen, die er an das Licht gebracht. Bei alle seiner Heftigkeit aber, im Angesicht der wachsenden Ge- fahr sieht er doch dem Gange der Dinge ruhig entgegen: denn "wir sitzen", sagt er, "unter dem Schatten des göttlichen Wortes und spotten ihrer." "Betet," ruft er aus, "betet ohne Aufhören." Er glaubt an die Kraft des Gebetes, besonders in der Gemeine, wo denn alle Persönlichkeiten und Namen schwinden, nur noch die Christen da sind, und Christus selbst unter ihnen, in seiner Gemeinschaft mit dem Weltenlenker, mit dem sieghaften Gott. Sehr merkwürdig in dieser Combination der Dinge sind die Predigten die er in Eisleben hielt. Gleich die erste handelt von dem Glauben, der im Paradies seinen Ur- sprung genommen, von Enoch und Noah, allen heiligen Pro- pheten fortgepflanzt endlich von Christus und den Aposteln gepredigt worden; dagegen aber habe sich bald von Anfang der böse Geist, der da in der Luft herrscht, mit seinen Win- den und Wellen erhoben, durch mächtige Reiche und Throne, die Jahrtausende daher: er habe sich jetzt aufs neue in sei- nem letzten Grimm und Zorn mit alle seinen Stürmen auf- gemacht; aber der Mann der in dem Schiffe schlafe, werde zu seiner Zeit durch das Gebet der Gläubigen aufwachen, den Meeren und den Winden gebieten: der rechte und älteste Glaube werde auch der letzte seyn bis ans Ende der Welt. Er starb indem er seine Freunde ermahnte, für Gott Tod Martin Luthers. Abweichung von der Regel als das Weſen des Gegentheilsbetrachtet, in ihrer inneren Falſchheit ergriffen und in den Koth getreten wird. Für ihr freilich war die Zeit nicht da, der er- gangenen Entwickelung nachzuforſchen, hiſtoriſche Gerechtigkeit auszuüben: die Gewalt die er bekämpfte, entfaltete eben alle ihre Macht, um die Lehre zu vertilgen, die er an das Licht gebracht. Bei alle ſeiner Heftigkeit aber, im Angeſicht der wachſenden Ge- fahr ſieht er doch dem Gange der Dinge ruhig entgegen: denn „wir ſitzen“, ſagt er, „unter dem Schatten des göttlichen Wortes und ſpotten ihrer.“ „Betet,“ ruft er aus, „betet ohne Aufhören.“ Er glaubt an die Kraft des Gebetes, beſonders in der Gemeine, wo denn alle Perſönlichkeiten und Namen ſchwinden, nur noch die Chriſten da ſind, und Chriſtus ſelbſt unter ihnen, in ſeiner Gemeinſchaft mit dem Weltenlenker, mit dem ſieghaften Gott. Sehr merkwürdig in dieſer Combination der Dinge ſind die Predigten die er in Eisleben hielt. Gleich die erſte handelt von dem Glauben, der im Paradies ſeinen Ur- ſprung genommen, von Enoch und Noah, allen heiligen Pro- pheten fortgepflanzt endlich von Chriſtus und den Apoſteln gepredigt worden; dagegen aber habe ſich bald von Anfang der böſe Geiſt, der da in der Luft herrſcht, mit ſeinen Win- den und Wellen erhoben, durch mächtige Reiche und Throne, die Jahrtauſende daher: er habe ſich jetzt aufs neue in ſei- nem letzten Grimm und Zorn mit alle ſeinen Stürmen auf- gemacht; aber der Mann der in dem Schiffe ſchlafe, werde zu ſeiner Zeit durch das Gebet der Gläubigen aufwachen, den Meeren und den Winden gebieten: der rechte und älteſte Glaube werde auch der letzte ſeyn bis ans Ende der Welt. 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Tod Martin Luthers.
Abweichung von der Regel als das Weſen des Gegentheils
betrachtet, in ihrer inneren Falſchheit ergriffen und in den Koth
getreten wird. Für ihr freilich war die Zeit nicht da, der er-
gangenen Entwickelung nachzuforſchen, hiſtoriſche Gerechtigkeit
auszuüben: die Gewalt die er bekämpfte, entfaltete eben alle ihre
Macht, um die Lehre zu vertilgen, die er an das Licht gebracht.
Bei alle ſeiner Heftigkeit aber, im Angeſicht der wachſenden Ge-
fahr ſieht er doch dem Gange der Dinge ruhig entgegen: denn
„wir ſitzen“, ſagt er, „unter dem Schatten des göttlichen
Wortes und ſpotten ihrer.“ „Betet,“ ruft er aus, „betet ohne
Aufhören.“ Er glaubt an die Kraft des Gebetes, beſonders
in der Gemeine, wo denn alle Perſönlichkeiten und Namen
ſchwinden, nur noch die Chriſten da ſind, und Chriſtus ſelbſt
unter ihnen, in ſeiner Gemeinſchaft mit dem Weltenlenker, mit
dem ſieghaften Gott. Sehr merkwürdig in dieſer Combination
der Dinge ſind die Predigten die er in Eisleben hielt. Gleich
die erſte handelt von dem Glauben, der im Paradies ſeinen Ur-
ſprung genommen, von Enoch und Noah, allen heiligen Pro-
pheten fortgepflanzt endlich von Chriſtus und den Apoſteln
gepredigt worden; dagegen aber habe ſich bald von Anfang
der böſe Geiſt, der da in der Luft herrſcht, mit ſeinen Win-
den und Wellen erhoben, durch mächtige Reiche und Throne,
die Jahrtauſende daher: er habe ſich jetzt aufs neue in ſei-
nem letzten Grimm und Zorn mit alle ſeinen Stürmen auf-
gemacht; aber der Mann der in dem Schiffe ſchlafe, werde
zu ſeiner Zeit durch das Gebet der Gläubigen aufwachen,
den Meeren und den Winden gebieten: der rechte und älteſte
Glaube werde auch der letzte ſeyn bis ans Ende der Welt.
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