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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Zweites Capitel.
dinand an den böhmischen Grenzen Truppen zusammenzog,
fragte Elisabeth von Rochlitz bei Moritz an, ob er nicht das
Land des Churfürsten beschützen werde. Auf die Erklärung
des Herzogs, daß er von der Gemahlin und den Kindern
seines Vetters darum ersucht zu werden erwarte, versäumten
diese nicht ihm kund zu thun, daß der Churfürst sie angewie-
sen habe, sich in jeder Gefahr des Landes an ihn zu wen-
den: sie ersuchten ihn, dieß Vertrauen zu rechtfertigen und
die Grenzen der sächsischen Lande dem Churfürsten zum Be-
sten zu besetzen. Elisabeth scheint sogar eine Zeitlang die
Hofnung gehegt zu haben Moritz noch ganz auf die Seite
des Bundes zu ziehen. Sie meinte, wenn man den Kaiser
in Rücken falle, so werde ihm wohl der Ernst vergehn, und
er werde begreifen daß die deutschen Fürsten "keine west-
phälischen Bauern" seyen. Sie gab dem Herzog zu ver-
stehn, er selber würde den Böhmen wohl ein eben so an-
nehmlicher König seyn wie Ferdinand. 1

Und gewiß, hätte sich Herzog Moritz zu seinen Bluts-
freunden und Glaubensverwandten gehalten, hätte er etwa
wirklich einen Angriff auf Böhmen gewagt, dessen Erfolg
bei der Stimmung der Utraquisten im Lande nicht zweifel-
haft war, so würde der Krieg noch jetzt zu Gunsten der
Protestanten entschieden worden seyn.

Aber wir wissen, welch eine ganz andre Richtung, eben
am meisten wider seinen Stammesvetter, sein Ehrgeiz ge-
nommen, welche Verabredungen er mit dem Kaiser getrof-
fen hatte. Wenn er noch zögerte sie auszuführen, so lag
das nur an einigen Schwierigkeiten, auf die er noch stieß.


1 Aus den Briefen Elisabeths: bei Langenn p. 269.

Achtes Buch. Zweites Capitel.
dinand an den böhmiſchen Grenzen Truppen zuſammenzog,
fragte Eliſabeth von Rochlitz bei Moritz an, ob er nicht das
Land des Churfürſten beſchützen werde. Auf die Erklärung
des Herzogs, daß er von der Gemahlin und den Kindern
ſeines Vetters darum erſucht zu werden erwarte, verſäumten
dieſe nicht ihm kund zu thun, daß der Churfürſt ſie angewie-
ſen habe, ſich in jeder Gefahr des Landes an ihn zu wen-
den: ſie erſuchten ihn, dieß Vertrauen zu rechtfertigen und
die Grenzen der ſächſiſchen Lande dem Churfürſten zum Be-
ſten zu beſetzen. Eliſabeth ſcheint ſogar eine Zeitlang die
Hofnung gehegt zu haben Moritz noch ganz auf die Seite
des Bundes zu ziehen. Sie meinte, wenn man den Kaiſer
in Rücken falle, ſo werde ihm wohl der Ernſt vergehn, und
er werde begreifen daß die deutſchen Fürſten „keine weſt-
phäliſchen Bauern“ ſeyen. Sie gab dem Herzog zu ver-
ſtehn, er ſelber würde den Böhmen wohl ein eben ſo an-
nehmlicher König ſeyn wie Ferdinand. 1

Und gewiß, hätte ſich Herzog Moritz zu ſeinen Bluts-
freunden und Glaubensverwandten gehalten, hätte er etwa
wirklich einen Angriff auf Böhmen gewagt, deſſen Erfolg
bei der Stimmung der Utraquiſten im Lande nicht zweifel-
haft war, ſo würde der Krieg noch jetzt zu Gunſten der
Proteſtanten entſchieden worden ſeyn.

Aber wir wiſſen, welch eine ganz andre Richtung, eben
am meiſten wider ſeinen Stammesvetter, ſein Ehrgeiz ge-
nommen, welche Verabredungen er mit dem Kaiſer getrof-
fen hatte. Wenn er noch zögerte ſie auszuführen, ſo lag
das nur an einigen Schwierigkeiten, auf die er noch ſtieß.


1 Aus den Briefen Eliſabeths: bei Langenn p. 269.
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[440/0452] Achtes Buch. Zweites Capitel. dinand an den böhmiſchen Grenzen Truppen zuſammenzog, fragte Eliſabeth von Rochlitz bei Moritz an, ob er nicht das Land des Churfürſten beſchützen werde. Auf die Erklärung des Herzogs, daß er von der Gemahlin und den Kindern ſeines Vetters darum erſucht zu werden erwarte, verſäumten dieſe nicht ihm kund zu thun, daß der Churfürſt ſie angewie- ſen habe, ſich in jeder Gefahr des Landes an ihn zu wen- den: ſie erſuchten ihn, dieß Vertrauen zu rechtfertigen und die Grenzen der ſächſiſchen Lande dem Churfürſten zum Be- ſten zu beſetzen. Eliſabeth ſcheint ſogar eine Zeitlang die Hofnung gehegt zu haben Moritz noch ganz auf die Seite des Bundes zu ziehen. Sie meinte, wenn man den Kaiſer in Rücken falle, ſo werde ihm wohl der Ernſt vergehn, und er werde begreifen daß die deutſchen Fürſten „keine weſt- phäliſchen Bauern“ ſeyen. Sie gab dem Herzog zu ver- ſtehn, er ſelber würde den Böhmen wohl ein eben ſo an- nehmlicher König ſeyn wie Ferdinand. 1 Und gewiß, hätte ſich Herzog Moritz zu ſeinen Bluts- freunden und Glaubensverwandten gehalten, hätte er etwa wirklich einen Angriff auf Böhmen gewagt, deſſen Erfolg bei der Stimmung der Utraquiſten im Lande nicht zweifel- haft war, ſo würde der Krieg noch jetzt zu Gunſten der Proteſtanten entſchieden worden ſeyn. Aber wir wiſſen, welch eine ganz andre Richtung, eben am meiſten wider ſeinen Stammesvetter, ſein Ehrgeiz ge- nommen, welche Verabredungen er mit dem Kaiſer getrof- fen hatte. Wenn er noch zögerte ſie auszuführen, ſo lag das nur an einigen Schwierigkeiten, auf die er noch ſtieß. 1 Aus den Briefen Eliſabeths: bei Langenn p. 269.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/452>, abgerufen am 22.11.2024.