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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Achtes Buch. Viertes Capitel.
handlungen, Disputationen, Predigten nur die Vulgata zu
Grund gelegt werden solle.

Indessen war man auch schon zur Erledigung der Frage
über die Tradition geschritten.

Bei der Stimmung welche die erwähnten Beschlüsse
verrathen, konnte es keine Wirkung machen, wenn ein ein-
zelner Prälat, wie der Bischof von Chiozza, behauptete, daß
in den Evangelien alles enthalten sey, wessen man zum Heil
bedürfe; die Legaten antworteten wohl, das seyen Einwürfe
die einem in Wittenberg Ehre machen könnten. Als eine
andre Stimme die Frage überhaupt fallen zu lassen rieth,
weil darüber noch kein Streit obwalte, so antwortete man,
wenn sie noch keinen Streitpunct bilde, so müsse man einen
daraus machen, die Welt müsse nach allen Seiten hin erfah-
ren, daß man mit den Gegnern nicht übereinstimmen könne.
Und in Wahrheit, Melanchthon hatte sich schon längst gewun-
dert, daß man auf diesen Punct bisher so wenig gedrungen.
Das Concilium setzte fest, daß es eine Tradition gebe, die sich
vom Munde Christi und der Apostel bis zum heutigen Tage
fortgepflanzt, die man mit eben so viel Ehrfurcht zu betrach-
ten habe wie das geschriebene Wort selbst. Auseinander-
zusetzen, welches diese Überlieferungen seyen, welches ihre
Kennzeichen, hielt es jedoch nicht für nöthig. Alles lag viel-
mehr daran, daß das Prinzip ganz im Allgemeinen anerkannt
wurde. Cardinal Cervino bemerkte mit Wohlgefallen, daß
dadurch auch die Concilien bestätigt würden. 1


nos non habuerunt, quomodo bona dogmata et bonas cerimonias
habere possunt?
1 Quello che ha suggerito lo spirito sto nella chiesa mas-
simamente mediante i concili. (Lra del Cl Cervino 7 Febr.)

Achtes Buch. Viertes Capitel.
handlungen, Disputationen, Predigten nur die Vulgata zu
Grund gelegt werden ſolle.

Indeſſen war man auch ſchon zur Erledigung der Frage
über die Tradition geſchritten.

Bei der Stimmung welche die erwähnten Beſchlüſſe
verrathen, konnte es keine Wirkung machen, wenn ein ein-
zelner Prälat, wie der Biſchof von Chiozza, behauptete, daß
in den Evangelien alles enthalten ſey, weſſen man zum Heil
bedürfe; die Legaten antworteten wohl, das ſeyen Einwürfe
die einem in Wittenberg Ehre machen könnten. Als eine
andre Stimme die Frage überhaupt fallen zu laſſen rieth,
weil darüber noch kein Streit obwalte, ſo antwortete man,
wenn ſie noch keinen Streitpunct bilde, ſo müſſe man einen
daraus machen, die Welt müſſe nach allen Seiten hin erfah-
ren, daß man mit den Gegnern nicht übereinſtimmen könne.
Und in Wahrheit, Melanchthon hatte ſich ſchon längſt gewun-
dert, daß man auf dieſen Punct bisher ſo wenig gedrungen.
Das Concilium ſetzte feſt, daß es eine Tradition gebe, die ſich
vom Munde Chriſti und der Apoſtel bis zum heutigen Tage
fortgepflanzt, die man mit eben ſo viel Ehrfurcht zu betrach-
ten habe wie das geſchriebene Wort ſelbſt. Auseinander-
zuſetzen, welches dieſe Überlieferungen ſeyen, welches ihre
Kennzeichen, hielt es jedoch nicht für nöthig. Alles lag viel-
mehr daran, daß das Prinzip ganz im Allgemeinen anerkannt
wurde. Cardinal Cervino bemerkte mit Wohlgefallen, daß
dadurch auch die Concilien beſtätigt würden. 1


nos non habuerunt, quomodo bona dogmata et bonas cerimonias
habere possunt?
1 Quello che ha suggerito lo spirito sto nella chiesa mas-
simamente mediante i concili. (Lra del Cl Cervino 7 Febr.)
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[480/0492] Achtes Buch. Viertes Capitel. handlungen, Disputationen, Predigten nur die Vulgata zu Grund gelegt werden ſolle. Indeſſen war man auch ſchon zur Erledigung der Frage über die Tradition geſchritten. Bei der Stimmung welche die erwähnten Beſchlüſſe verrathen, konnte es keine Wirkung machen, wenn ein ein- zelner Prälat, wie der Biſchof von Chiozza, behauptete, daß in den Evangelien alles enthalten ſey, weſſen man zum Heil bedürfe; die Legaten antworteten wohl, das ſeyen Einwürfe die einem in Wittenberg Ehre machen könnten. Als eine andre Stimme die Frage überhaupt fallen zu laſſen rieth, weil darüber noch kein Streit obwalte, ſo antwortete man, wenn ſie noch keinen Streitpunct bilde, ſo müſſe man einen daraus machen, die Welt müſſe nach allen Seiten hin erfah- ren, daß man mit den Gegnern nicht übereinſtimmen könne. Und in Wahrheit, Melanchthon hatte ſich ſchon längſt gewun- dert, daß man auf dieſen Punct bisher ſo wenig gedrungen. Das Concilium ſetzte feſt, daß es eine Tradition gebe, die ſich vom Munde Chriſti und der Apoſtel bis zum heutigen Tage fortgepflanzt, die man mit eben ſo viel Ehrfurcht zu betrach- ten habe wie das geſchriebene Wort ſelbſt. Auseinander- zuſetzen, welches dieſe Überlieferungen ſeyen, welches ihre Kennzeichen, hielt es jedoch nicht für nöthig. Alles lag viel- mehr daran, daß das Prinzip ganz im Allgemeinen anerkannt wurde. Cardinal Cervino bemerkte mit Wohlgefallen, daß dadurch auch die Concilien beſtätigt würden. 1 2 1 Quello che ha suggerito lo spirito sto nella chiesa mas- simamente mediante i concili. (Lra del Cl Cervino 7 Febr.) 2 nos non habuerunt, quomodo bona dogmata et bonas cerimonias habere possunt?

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/492>, abgerufen am 22.11.2024.