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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Das tridentinische Concilium.

Es würde ein Widerspruch seyn, wenn man von dieser
Versammlung freie Untersuchungen erwarten wollte. Was
allen Festsetzungen zu Grunde liegt, ist der Begriff von der
Unfehlbarkeit der römischen Kirche wie sie nun einmal ge-
worden. Das Concilium spricht nur aus was zur Behaup-
tung dieses Begriffes nothwendig ist. Die Protestanten hat-
ten für nöthig gehalten, zu den ältesten, ächtesten Quellen
religiöser Belehrung aufzusteigen; die im Laufe der Jahrhun-
derte unter dem Vorgeben fortdauernder Inspiration einge-
tretenen Festsetzungen an der Wahrheit des Evangeliums zu
prüfen; nur das damit Übereinstimmende zu behalten, alles
andre zu entfernen: nach der Meinung des Conciliums lag
aber eben hierin ihr Abfall. Es gieng davon aus, daß der
Kirche allein das Recht beiwohne, die Schrift zu erklären. Ein
älterer Concilienschluß reichte ihm hin, jeden Zweifel zu heben.

Dergestalt war zuvörderst die Methode der Protestan-
ten vollkommen beseitigt, und man konnte nun ohne Furcht
auf die Lehrstücke übergehn, die in der letzten Zeit streitig
geworden.

Der Kaiser hätte lieber gesehen, daß das noch unter-
blieben wäre: Granvella drückte sich sogar spöttisch über die
kleine Anzahl wälscher Bischöfe aus, denen man unmöglich
die wichtigsten Entscheidungen überlassen dürfe: 1 aber sie
konnten es nicht verhindern.

Auch in Trient wurden nun die Artikel vorgenommen,
welche bisher die Religionsgespräche beschäftigt. Es versteht
sich, daß das in dem nemlichen Sinne geschah, welcher dort
zuletzt auf der altgläubigen Seite den Platz behauptet. Längst

1 Protocoll der Unterhandlung mit Sachsen. (Dr. A.)
Ranke D. Gesch. IV. 31
Das tridentiniſche Concilium.

Es würde ein Widerſpruch ſeyn, wenn man von dieſer
Verſammlung freie Unterſuchungen erwarten wollte. Was
allen Feſtſetzungen zu Grunde liegt, iſt der Begriff von der
Unfehlbarkeit der römiſchen Kirche wie ſie nun einmal ge-
worden. Das Concilium ſpricht nur aus was zur Behaup-
tung dieſes Begriffes nothwendig iſt. Die Proteſtanten hat-
ten für nöthig gehalten, zu den älteſten, ächteſten Quellen
religiöſer Belehrung aufzuſteigen; die im Laufe der Jahrhun-
derte unter dem Vorgeben fortdauernder Inſpiration einge-
tretenen Feſtſetzungen an der Wahrheit des Evangeliums zu
prüfen; nur das damit Übereinſtimmende zu behalten, alles
andre zu entfernen: nach der Meinung des Conciliums lag
aber eben hierin ihr Abfall. Es gieng davon aus, daß der
Kirche allein das Recht beiwohne, die Schrift zu erklären. Ein
älterer Concilienſchluß reichte ihm hin, jeden Zweifel zu heben.

Dergeſtalt war zuvörderſt die Methode der Proteſtan-
ten vollkommen beſeitigt, und man konnte nun ohne Furcht
auf die Lehrſtücke übergehn, die in der letzten Zeit ſtreitig
geworden.

Der Kaiſer hätte lieber geſehen, daß das noch unter-
blieben wäre: Granvella drückte ſich ſogar ſpöttiſch über die
kleine Anzahl wälſcher Biſchöfe aus, denen man unmöglich
die wichtigſten Entſcheidungen überlaſſen dürfe: 1 aber ſie
konnten es nicht verhindern.

Auch in Trient wurden nun die Artikel vorgenommen,
welche bisher die Religionsgeſpräche beſchäftigt. Es verſteht
ſich, daß das in dem nemlichen Sinne geſchah, welcher dort
zuletzt auf der altgläubigen Seite den Platz behauptet. Längſt

1 Protocoll der Unterhandlung mit Sachſen. (Dr. A.)
Ranke D. Geſch. IV. 31
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[481/0493] Das tridentiniſche Concilium. Es würde ein Widerſpruch ſeyn, wenn man von dieſer Verſammlung freie Unterſuchungen erwarten wollte. Was allen Feſtſetzungen zu Grunde liegt, iſt der Begriff von der Unfehlbarkeit der römiſchen Kirche wie ſie nun einmal ge- worden. Das Concilium ſpricht nur aus was zur Behaup- tung dieſes Begriffes nothwendig iſt. Die Proteſtanten hat- ten für nöthig gehalten, zu den älteſten, ächteſten Quellen religiöſer Belehrung aufzuſteigen; die im Laufe der Jahrhun- derte unter dem Vorgeben fortdauernder Inſpiration einge- tretenen Feſtſetzungen an der Wahrheit des Evangeliums zu prüfen; nur das damit Übereinſtimmende zu behalten, alles andre zu entfernen: nach der Meinung des Conciliums lag aber eben hierin ihr Abfall. Es gieng davon aus, daß der Kirche allein das Recht beiwohne, die Schrift zu erklären. Ein älterer Concilienſchluß reichte ihm hin, jeden Zweifel zu heben. Dergeſtalt war zuvörderſt die Methode der Proteſtan- ten vollkommen beſeitigt, und man konnte nun ohne Furcht auf die Lehrſtücke übergehn, die in der letzten Zeit ſtreitig geworden. Der Kaiſer hätte lieber geſehen, daß das noch unter- blieben wäre: Granvella drückte ſich ſogar ſpöttiſch über die kleine Anzahl wälſcher Biſchöfe aus, denen man unmöglich die wichtigſten Entſcheidungen überlaſſen dürfe: 1 aber ſie konnten es nicht verhindern. Auch in Trient wurden nun die Artikel vorgenommen, welche bisher die Religionsgeſpräche beſchäftigt. Es verſteht ſich, daß das in dem nemlichen Sinne geſchah, welcher dort zuletzt auf der altgläubigen Seite den Platz behauptet. Längſt 1 Protocoll der Unterhandlung mit Sachſen. (Dr. A.) Ranke D. Geſch. IV. 31

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/493>, abgerufen am 22.11.2024.