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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Das tridentinische Concilium.
als eine fremde Gewalt zu bezeichnen: die Anhänger von
Rom behandelten ihn dafür beinah als Ketzer. Aber auch
die Spanier wollten die Eingriffe des Papstthums in die bi-
schöfliche Gewalt beschränkt wissen: sie wurden nicht müde,
über die schlechte Verfassung der Curie zu schelten, und die
Anordnungen zu tadeln, welche das letzte Lateranconcilium
"mehr zur Entstellung als zur Herstellung der Kirche" ge-
macht habe. Sie gaben zu verstehn, daß ein Concilium grö-
ßere Freiheit haben müsse, daß es rechtlich über dem Papst
sey. Unter dem Titel Censuren stellten sie einige Forderungen
auf, welche sämmtlich Beschränkungen der päpstlichen Macht
in sich schlossen. Um nicht Widerspruch hervorzurufen, hiel-
ten die Legaten für gut, sich über die Autorität des römi-
schen Stuhles nur behutsam auszudrücken; allein das zeigt
am besten welche Besorgnisse sie hegten. 1 Man wußte aus
Erfahrung, ein Spanier thue keinen Schritt ohne hundert fol-
gende im Voraus berechnet zu haben.

In diesem Augenblick war der Kaiser in Oberdeutsch-
land
Herr geworden: alle Städte unterwarfen sich.

Bei den Capitulationen die er mit ihnen abschloß, zog
er den päpstlichen Nuntius nicht zu Rathe. Er machte aufs
neue religiöse Concessionen: zwar nur mündlich und insge-
heim, aber allein auf seine eigne Hand; es ist gar nicht zu
denken, da darüber so viel hin und her geschrieben ward,
daß sie dem Nuntius nicht bekannt geworden seyen. Sie
bezogen sich zuletzt alle auf die Absicht des Kaisers, dem Con-
cilium noch einmal eine andre Richtung zu geben.


1 Schreiben der Legaten am 6ten October: ci sono de' pre-
lati che vorrebbero abbassare la sede apostolica
(Mendham 92).
Am 23sten Nov. gestehn sie, daß sie die Majorität nur durch die
Italiener festhalten.

Das tridentiniſche Concilium.
als eine fremde Gewalt zu bezeichnen: die Anhänger von
Rom behandelten ihn dafür beinah als Ketzer. Aber auch
die Spanier wollten die Eingriffe des Papſtthums in die bi-
ſchöfliche Gewalt beſchränkt wiſſen: ſie wurden nicht müde,
über die ſchlechte Verfaſſung der Curie zu ſchelten, und die
Anordnungen zu tadeln, welche das letzte Lateranconcilium
„mehr zur Entſtellung als zur Herſtellung der Kirche“ ge-
macht habe. Sie gaben zu verſtehn, daß ein Concilium grö-
ßere Freiheit haben müſſe, daß es rechtlich über dem Papſt
ſey. Unter dem Titel Cenſuren ſtellten ſie einige Forderungen
auf, welche ſämmtlich Beſchränkungen der päpſtlichen Macht
in ſich ſchloſſen. Um nicht Widerſpruch hervorzurufen, hiel-
ten die Legaten für gut, ſich über die Autorität des römi-
ſchen Stuhles nur behutſam auszudrücken; allein das zeigt
am beſten welche Beſorgniſſe ſie hegten. 1 Man wußte aus
Erfahrung, ein Spanier thue keinen Schritt ohne hundert fol-
gende im Voraus berechnet zu haben.

In dieſem Augenblick war der Kaiſer in Oberdeutſch-
land
Herr geworden: alle Städte unterwarfen ſich.

Bei den Capitulationen die er mit ihnen abſchloß, zog
er den päpſtlichen Nuntius nicht zu Rathe. Er machte aufs
neue religiöſe Conceſſionen: zwar nur mündlich und insge-
heim, aber allein auf ſeine eigne Hand; es iſt gar nicht zu
denken, da darüber ſo viel hin und her geſchrieben ward,
daß ſie dem Nuntius nicht bekannt geworden ſeyen. Sie
bezogen ſich zuletzt alle auf die Abſicht des Kaiſers, dem Con-
cilium noch einmal eine andre Richtung zu geben.


1 Schreiben der Legaten am 6ten October: ci sono de’ pre-
lati che vorrebbero abbassare la sede apostolica
(Mendham 92).
Am 23ſten Nov. geſtehn ſie, daß ſie die Majoritaͤt nur durch die
Italiener feſthalten.
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[489/0501] Das tridentiniſche Concilium. als eine fremde Gewalt zu bezeichnen: die Anhänger von Rom behandelten ihn dafür beinah als Ketzer. Aber auch die Spanier wollten die Eingriffe des Papſtthums in die bi- ſchöfliche Gewalt beſchränkt wiſſen: ſie wurden nicht müde, über die ſchlechte Verfaſſung der Curie zu ſchelten, und die Anordnungen zu tadeln, welche das letzte Lateranconcilium „mehr zur Entſtellung als zur Herſtellung der Kirche“ ge- macht habe. Sie gaben zu verſtehn, daß ein Concilium grö- ßere Freiheit haben müſſe, daß es rechtlich über dem Papſt ſey. Unter dem Titel Cenſuren ſtellten ſie einige Forderungen auf, welche ſämmtlich Beſchränkungen der päpſtlichen Macht in ſich ſchloſſen. Um nicht Widerſpruch hervorzurufen, hiel- ten die Legaten für gut, ſich über die Autorität des römi- ſchen Stuhles nur behutſam auszudrücken; allein das zeigt am beſten welche Beſorgniſſe ſie hegten. 1 Man wußte aus Erfahrung, ein Spanier thue keinen Schritt ohne hundert fol- gende im Voraus berechnet zu haben. In dieſem Augenblick war der Kaiſer in Oberdeutſch- land Herr geworden: alle Städte unterwarfen ſich. Bei den Capitulationen die er mit ihnen abſchloß, zog er den päpſtlichen Nuntius nicht zu Rathe. Er machte aufs neue religiöſe Conceſſionen: zwar nur mündlich und insge- heim, aber allein auf ſeine eigne Hand; es iſt gar nicht zu denken, da darüber ſo viel hin und her geſchrieben ward, daß ſie dem Nuntius nicht bekannt geworden ſeyen. Sie bezogen ſich zuletzt alle auf die Abſicht des Kaiſers, dem Con- cilium noch einmal eine andre Richtung zu geben. 1 Schreiben der Legaten am 6ten October: ci sono de’ pre- lati che vorrebbero abbassare la sede apostolica (Mendham 92). Am 23ſten Nov. geſtehn ſie, daß ſie die Majoritaͤt nur durch die Italiener feſthalten.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/501>, abgerufen am 22.11.2024.