des Papstthums abgeschafft. Die Stadt Magdeburg setzte sich nunmehr auch in den Besitz des Domes und ließ da- selbst den evangelischen Gottesdienst beginnen.
Und nun wandte sich der Churfürst gegen die osterlän- dischen und meißnischen Gebiete seines Vetters.
Leipzig zu erobern gelang ihm nicht. Moritz hatte die Vertheidigung einem tapfern Hauptmann, des Namens Wall- witz, anvertraut, dem es Ernst damit war. Dagegen würde es, wenn es wahr ist was man damals allgemein behaup- tete, den churfürstlichen Anführern eher leid gewesen seyn, Leipzig mit Gewalt nehmen und dabei einer Plünderung aus- setzen zu müssen, nicht aus Menschlichkeit, sondern weil sie ihr Geld dort untergebracht hatten. Sonderbar, wenn hier wie im Oberland sich das Geldinteresse den protestantischen Waffen so nachtheilig erwiesen hätte.
Denn daran kann kein Zweifel seyn, daß die Masse der Bevölkerung auf Seiten Johann Friedrichs war. Mo- ritz selber klagt, seine Unterthanen seyen alle Anhänger sei- nes Feindes, in welchem sie den Vertheidiger des Evange- liums erblicken. Er würde es nicht wagen, das Landvolk unter die Waffen zu rufen, er müßte fürchten, seine eignen Feinde zu versammeln. Einer seiner Amtleute meldet ihm, er wisse nicht zwanzig Menschen denen zu trauen sey. Moritz besorgt beinahe aus seinem Lande verjagt zu werden, und niemals dahin zurückkehren zu dürfen. 1
Die Gesinnung war es, was dem Churfürsten Johann Friedrich überhaupt noch einmal eine Stellung machte.
Es scheint als sey auch von den niederdeutschen Städ-
1 Schreiben von Moritz Colditz 7 Jan., Berl. Arch. Vergl. Anhang.
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
des Papſtthums abgeſchafft. Die Stadt Magdeburg ſetzte ſich nunmehr auch in den Beſitz des Domes und ließ da- ſelbſt den evangeliſchen Gottesdienſt beginnen.
Und nun wandte ſich der Churfürſt gegen die oſterlän- diſchen und meißniſchen Gebiete ſeines Vetters.
Leipzig zu erobern gelang ihm nicht. Moritz hatte die Vertheidigung einem tapfern Hauptmann, des Namens Wall- witz, anvertraut, dem es Ernſt damit war. Dagegen würde es, wenn es wahr iſt was man damals allgemein behaup- tete, den churfürſtlichen Anführern eher leid geweſen ſeyn, Leipzig mit Gewalt nehmen und dabei einer Plünderung aus- ſetzen zu müſſen, nicht aus Menſchlichkeit, ſondern weil ſie ihr Geld dort untergebracht hatten. Sonderbar, wenn hier wie im Oberland ſich das Geldintereſſe den proteſtantiſchen Waffen ſo nachtheilig erwieſen hätte.
Denn daran kann kein Zweifel ſeyn, daß die Maſſe der Bevölkerung auf Seiten Johann Friedrichs war. Mo- ritz ſelber klagt, ſeine Unterthanen ſeyen alle Anhänger ſei- nes Feindes, in welchem ſie den Vertheidiger des Evange- liums erblicken. Er würde es nicht wagen, das Landvolk unter die Waffen zu rufen, er müßte fürchten, ſeine eignen Feinde zu verſammeln. Einer ſeiner Amtleute meldet ihm, er wiſſe nicht zwanzig Menſchen denen zu trauen ſey. Moritz beſorgt beinahe aus ſeinem Lande verjagt zu werden, und niemals dahin zurückkehren zu dürfen. 1
Die Geſinnung war es, was dem Churfürſten Johann Friedrich überhaupt noch einmal eine Stellung machte.
Es ſcheint als ſey auch von den niederdeutſchen Städ-
1 Schreiben von Moritz Colditz 7 Jan., Berl. Arch. Vergl. Anhang.
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Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
des Papſtthums abgeſchafft. Die Stadt Magdeburg ſetzte
ſich nunmehr auch in den Beſitz des Domes und ließ da-
ſelbſt den evangeliſchen Gottesdienſt beginnen.
Und nun wandte ſich der Churfürſt gegen die oſterlän-
diſchen und meißniſchen Gebiete ſeines Vetters.
Leipzig zu erobern gelang ihm nicht. Moritz hatte die
Vertheidigung einem tapfern Hauptmann, des Namens Wall-
witz, anvertraut, dem es Ernſt damit war. Dagegen würde
es, wenn es wahr iſt was man damals allgemein behaup-
tete, den churfürſtlichen Anführern eher leid geweſen ſeyn,
Leipzig mit Gewalt nehmen und dabei einer Plünderung aus-
ſetzen zu müſſen, nicht aus Menſchlichkeit, ſondern weil ſie
ihr Geld dort untergebracht hatten. Sonderbar, wenn hier
wie im Oberland ſich das Geldintereſſe den proteſtantiſchen
Waffen ſo nachtheilig erwieſen hätte.
Denn daran kann kein Zweifel ſeyn, daß die Maſſe
der Bevölkerung auf Seiten Johann Friedrichs war. Mo-
ritz ſelber klagt, ſeine Unterthanen ſeyen alle Anhänger ſei-
nes Feindes, in welchem ſie den Vertheidiger des Evange-
liums erblicken. Er würde es nicht wagen, das Landvolk
unter die Waffen zu rufen, er müßte fürchten, ſeine eignen
Feinde zu verſammeln. Einer ſeiner Amtleute meldet ihm,
er wiſſe nicht zwanzig Menſchen denen zu trauen ſey. Moritz
beſorgt beinahe aus ſeinem Lande verjagt zu werden, und
niemals dahin zurückkehren zu dürfen. 1
Die Geſinnung war es, was dem Churfürſten Johann
Friedrich überhaupt noch einmal eine Stellung machte.
Es ſcheint als ſey auch von den niederdeutſchen Städ-
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/510>, abgerufen am 24.11.2024.
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