Der Kaiser betrat die sächsische Grenze ungefähr eben da, wo vor dem Jahre die Böhmen und Husaren eingedrun- gen waren, am 13ten April. Sein erstes Nachtlager nahm er zu Adorf, das zweite zu Plauen; aus dem Voigtlande rückte er nach dem Osterland vor, nach Altenburg, Colditz: 1 nirgends fand er Widerstand; 15 sächsische Fähnlein wur- den unterwegs aufgehoben; "wo der Kaiser hin zieht," schreibt Ulrich Zasius aus seinem Lager, "giebt sich alles: nie hat man ein solches Vorrücken gesehen." Durch die Linie die er beschrieb schnitt er den Gegner zugleich von dessen thüringi- schen Hauptlande ab, und gieng ihm selber zu Leibe.
Denn noch immer wartete Johann Friedrich in der Ge- gend von Meißen der böhmischen Hülfe, die man ihn hof- fen lassen.
Welch eine andre Heeresmacht die jetzt von den böh- mischen Grenzen her gegen ihn vordrang!
Endlich mußte er erkennen, daß ihm nun doch nichts übrig bleibe, als sich nach seiner Festung Wittenberg zu- rückzuziehen.
Aber schon war er in dem Nachtheil, daß, indem er an dem rechten Ufer der Elbe hinabzog, die Feinde in den- selben Gegenden an dem linken erschienen und nur haupt- sächlich durch den Fluß von ihm getrennt waren.
Am 23sten April gönnte sich der Kaiser, nachdem er 10 Tag unausgesetzt fortgezogen, einen Rasttag, zwischen Oschatz und Lommatzsch, auf einem Schleinitzischen Gut, ge- nannt zum Hof, an der Jahna, in einer Gegend die schon
1 Tagebuch des Mameranus erläutert in der Sammlung ver- mischter Nachrichten zur sächs. Geschichte III, 103 f.
Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Der Kaiſer betrat die ſächſiſche Grenze ungefähr eben da, wo vor dem Jahre die Böhmen und Huſaren eingedrun- gen waren, am 13ten April. Sein erſtes Nachtlager nahm er zu Adorf, das zweite zu Plauen; aus dem Voigtlande rückte er nach dem Oſterland vor, nach Altenburg, Colditz: 1 nirgends fand er Widerſtand; 15 ſächſiſche Fähnlein wur- den unterwegs aufgehoben; „wo der Kaiſer hin zieht,“ ſchreibt Ulrich Zaſius aus ſeinem Lager, „giebt ſich alles: nie hat man ein ſolches Vorrücken geſehen.“ Durch die Linie die er beſchrieb ſchnitt er den Gegner zugleich von deſſen thüringi- ſchen Hauptlande ab, und gieng ihm ſelber zu Leibe.
Denn noch immer wartete Johann Friedrich in der Ge- gend von Meißen der böhmiſchen Hülfe, die man ihn hof- fen laſſen.
Welch eine andre Heeresmacht die jetzt von den böh- miſchen Grenzen her gegen ihn vordrang!
Endlich mußte er erkennen, daß ihm nun doch nichts übrig bleibe, als ſich nach ſeiner Feſtung Wittenberg zu- rückzuziehen.
Aber ſchon war er in dem Nachtheil, daß, indem er an dem rechten Ufer der Elbe hinabzog, die Feinde in den- ſelben Gegenden an dem linken erſchienen und nur haupt- ſächlich durch den Fluß von ihm getrennt waren.
Am 23ſten April gönnte ſich der Kaiſer, nachdem er 10 Tag unausgeſetzt fortgezogen, einen Raſttag, zwiſchen Oſchatz und Lommatzſch, auf einem Schleinitziſchen Gut, ge- nannt zum Hof, an der Jahna, in einer Gegend die ſchon
1 Tagebuch des Mameranus erlaͤutert in der Sammlung ver- miſchter Nachrichten zur ſaͤchſ. Geſchichte III, 103 f.
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Achtes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Der Kaiſer betrat die ſächſiſche Grenze ungefähr eben
da, wo vor dem Jahre die Böhmen und Huſaren eingedrun-
gen waren, am 13ten April. Sein erſtes Nachtlager nahm
er zu Adorf, das zweite zu Plauen; aus dem Voigtlande
rückte er nach dem Oſterland vor, nach Altenburg, Colditz: 1
nirgends fand er Widerſtand; 15 ſächſiſche Fähnlein wur-
den unterwegs aufgehoben; „wo der Kaiſer hin zieht,“ ſchreibt
Ulrich Zaſius aus ſeinem Lager, „giebt ſich alles: nie hat
man ein ſolches Vorrücken geſehen.“ Durch die Linie die er
beſchrieb ſchnitt er den Gegner zugleich von deſſen thüringi-
ſchen Hauptlande ab, und gieng ihm ſelber zu Leibe.
Denn noch immer wartete Johann Friedrich in der Ge-
gend von Meißen der böhmiſchen Hülfe, die man ihn hof-
fen laſſen.
Welch eine andre Heeresmacht die jetzt von den böh-
miſchen Grenzen her gegen ihn vordrang!
Endlich mußte er erkennen, daß ihm nun doch nichts
übrig bleibe, als ſich nach ſeiner Feſtung Wittenberg zu-
rückzuziehen.
Aber ſchon war er in dem Nachtheil, daß, indem er
an dem rechten Ufer der Elbe hinabzog, die Feinde in den-
ſelben Gegenden an dem linken erſchienen und nur haupt-
ſächlich durch den Fluß von ihm getrennt waren.
Am 23ſten April gönnte ſich der Kaiſer, nachdem er
10 Tag unausgeſetzt fortgezogen, einen Raſttag, zwiſchen
Oſchatz und Lommatzſch, auf einem Schleinitziſchen Gut, ge-
nannt zum Hof, an der Jahna, in einer Gegend die ſchon
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/522>, abgerufen am 24.11.2024.
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