beide als Märtyrer der großen Idee des Mittelalters von der Einheit der Kirche, deren Bekenntniß hier bereits als ein Verbrechen betrachtet wurde. 1
Hiemit war das Schisma eigentlich vollkommen voll- zogen. Die Frage erhob sich, ob es, wie der König wohl ursprünglich beabsichtigte, dabei sein Verbleiben haben würde.
Da man bei den Streitigkeiten zwischen der königlichen und der päpstlichen Gewalt auf die Entscheidung der Schrift zurückgegangen war und dieselbe günstig gefunden hatte, so folgte von selbst, daß man sich zu weiterem Studium der heiligen Bücher und zu ihrer Verbreitung unter das Volk aufgefordert fühlte. Schon im Dezember 1534 bat der Cle- rus von Canterbury den König, einige redliche Männer mit der Übersetzung der Bibel zu beauftragen. Der arme Tyn- dall, der zuerst unter unaufhörlicher Lebensgefahr Hand an dieß Werk gelegt, war endlich doch zu Antwerpen, wo er sich aufhielt, der niederländischen Regierung verrathen, fest- genommen, und auf dem Schloß Vilvorden hingerichtet wor- den, so überzeugt der kaiserliche Procurator sich auch zeigte, daß der Angeklagte ein frommer und gelehrter Mann sey. Sein letztes Wort bestand in dem Gebet, daß Gott die Au- gen des Königs von England eröffnen möge. Es schien
1 Nach Herbert Fisher 21 Juni; Moore 7 Juli 1535. In der vaticanischen Bibliothek MS nr. 3922 findet sich eine Schrift un- ter dem Titel B. Thomae Mori Angli martyrium. Darin wird nun besonders Rede und Antwort die Moore vor Gericht gegeben, ausge- führt. In seiner letzten Antwort merke ich folgende Stelle an. La chi[ - 1 Zeichen fehlt]xia tra gli Christiani e una sola, integra et indivisa, ne voi soli havete autorita senza il consentimento de tutti gli altri Chri- stiani di far nove leggi e statuti.
beide als Märtyrer der großen Idee des Mittelalters von der Einheit der Kirche, deren Bekenntniß hier bereits als ein Verbrechen betrachtet wurde. 1
Hiemit war das Schisma eigentlich vollkommen voll- zogen. Die Frage erhob ſich, ob es, wie der König wohl urſprünglich beabſichtigte, dabei ſein Verbleiben haben würde.
Da man bei den Streitigkeiten zwiſchen der königlichen und der päpſtlichen Gewalt auf die Entſcheidung der Schrift zurückgegangen war und dieſelbe günſtig gefunden hatte, ſo folgte von ſelbſt, daß man ſich zu weiterem Studium der heiligen Bücher und zu ihrer Verbreitung unter das Volk aufgefordert fühlte. Schon im Dezember 1534 bat der Cle- rus von Canterbury den König, einige redliche Männer mit der Überſetzung der Bibel zu beauftragen. Der arme Tyn- dall, der zuerſt unter unaufhörlicher Lebensgefahr Hand an dieß Werk gelegt, war endlich doch zu Antwerpen, wo er ſich aufhielt, der niederländiſchen Regierung verrathen, feſt- genommen, und auf dem Schloß Vilvorden hingerichtet wor- den, ſo überzeugt der kaiſerliche Procurator ſich auch zeigte, daß der Angeklagte ein frommer und gelehrter Mann ſey. Sein letztes Wort beſtand in dem Gebet, daß Gott die Au- gen des Königs von England eröffnen möge. Es ſchien
1 Nach Herbert Fiſher 21 Juni; Moore 7 Juli 1535. In der vaticaniſchen Bibliothek MS nr. 3922 findet ſich eine Schrift un- ter dem Titel B. Thomae Mori Angli martyrium. Darin wird nun beſonders Rede und Antwort die Moore vor Gericht gegeben, ausge- fuͤhrt. In ſeiner letzten Antwort merke ich folgende Stelle an. La chi[ – 1 Zeichen fehlt]xia tra gli Christiani è una sola, integra et indivisa, nè voi soli havete autorità senza il consentimento de tutti gli altri Chri- stiani di far nove leggi e statuti.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0067"n="55"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Neuerungen <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118548204">Heinrichs <hirendition="#aq">VIII.</hi></persName></hi></fw><lb/>
beide als Märtyrer der großen Idee des Mittelalters von<lb/>
der Einheit der Kirche, deren Bekenntniß hier bereits als ein<lb/>
Verbrechen betrachtet wurde. <noteplace="foot"n="1">Nach <persNameref="nognd">Herbert Fiſher</persName> 21 Juni; <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118641158">Moore</persName> 7 Juli 1535. In<lb/>
der vaticaniſchen Bibliothek <hirendition="#aq">MS nr.</hi> 3922 findet ſich eine Schrift un-<lb/>
ter dem Titel <hirendition="#aq">B. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118641158">Thomae Mori Angli</persName> martyrium.</hi> Darin wird nun<lb/>
beſonders Rede und Antwort die <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118641158">Moore</persName> vor Gericht gegeben, ausge-<lb/>
fuͤhrt. In ſeiner letzten Antwort merke ich folgende Stelle an. <hirendition="#aq">La<lb/>
chi<gapunit="chars"quantity="1"/>xia tra gli Christiani è una sola, integra et indivisa, nè voi<lb/>
soli havete autorità senza il consentimento de tutti gli altri Chri-<lb/>
stiani di far nove leggi e statuti.</hi></note></p><lb/><p>Hiemit war das Schisma eigentlich vollkommen voll-<lb/>
zogen. Die Frage erhob ſich, ob es, wie der König wohl<lb/>
urſprünglich beabſichtigte, dabei ſein Verbleiben haben würde.</p><lb/><p>Da man bei den Streitigkeiten zwiſchen der königlichen<lb/>
und der päpſtlichen Gewalt auf die Entſcheidung der Schrift<lb/>
zurückgegangen war und dieſelbe günſtig gefunden hatte, ſo<lb/>
folgte von ſelbſt, daß man ſich zu weiterem Studium der<lb/>
heiligen Bücher und zu ihrer Verbreitung unter das Volk<lb/>
aufgefordert fühlte. Schon im Dezember 1534 bat der Cle-<lb/>
rus von <placeName>Canterbury</placeName> den König, einige redliche Männer mit<lb/>
der Überſetzung der Bibel zu beauftragen. Der arme <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118624881">Tyn-<lb/>
dall</persName>, der zuerſt unter unaufhörlicher Lebensgefahr Hand an<lb/>
dieß Werk gelegt, war endlich doch zu <placeName>Antwerpen</placeName>, wo er<lb/>ſich aufhielt, der niederländiſchen Regierung verrathen, feſt-<lb/>
genommen, und auf dem Schloß Vilvorden hingerichtet wor-<lb/>
den, ſo überzeugt der kaiſerliche Procurator ſich auch zeigte,<lb/>
daß der Angeklagte ein frommer und gelehrter Mann ſey.<lb/>
Sein letztes Wort beſtand in dem Gebet, daß Gott die Au-<lb/>
gen des Königs von <placeName>England</placeName> eröffnen möge. Es ſchien<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[55/0067]
Neuerungen Heinrichs VIII.
beide als Märtyrer der großen Idee des Mittelalters von
der Einheit der Kirche, deren Bekenntniß hier bereits als ein
Verbrechen betrachtet wurde. 1
Hiemit war das Schisma eigentlich vollkommen voll-
zogen. Die Frage erhob ſich, ob es, wie der König wohl
urſprünglich beabſichtigte, dabei ſein Verbleiben haben würde.
Da man bei den Streitigkeiten zwiſchen der königlichen
und der päpſtlichen Gewalt auf die Entſcheidung der Schrift
zurückgegangen war und dieſelbe günſtig gefunden hatte, ſo
folgte von ſelbſt, daß man ſich zu weiterem Studium der
heiligen Bücher und zu ihrer Verbreitung unter das Volk
aufgefordert fühlte. Schon im Dezember 1534 bat der Cle-
rus von Canterbury den König, einige redliche Männer mit
der Überſetzung der Bibel zu beauftragen. Der arme Tyn-
dall, der zuerſt unter unaufhörlicher Lebensgefahr Hand an
dieß Werk gelegt, war endlich doch zu Antwerpen, wo er
ſich aufhielt, der niederländiſchen Regierung verrathen, feſt-
genommen, und auf dem Schloß Vilvorden hingerichtet wor-
den, ſo überzeugt der kaiſerliche Procurator ſich auch zeigte,
daß der Angeklagte ein frommer und gelehrter Mann ſey.
Sein letztes Wort beſtand in dem Gebet, daß Gott die Au-
gen des Königs von England eröffnen möge. Es ſchien
1 Nach Herbert Fiſher 21 Juni; Moore 7 Juli 1535. In
der vaticaniſchen Bibliothek MS nr. 3922 findet ſich eine Schrift un-
ter dem Titel B. Thomae Mori Angli martyrium. Darin wird nun
beſonders Rede und Antwort die Moore vor Gericht gegeben, ausge-
fuͤhrt. In ſeiner letzten Antwort merke ich folgende Stelle an. La
chi_xia tra gli Christiani è una sola, integra et indivisa, nè voi
soli havete autorità senza il consentimento de tutti gli altri Chri-
stiani di far nove leggi e statuti.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/67>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.