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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843.

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Siebentes Buch. Erstes Capitel.
von der höhern Autorität des Königs herrühre. Die Politiker
fügten hinzu, daß das Reich einen einziger Körper ausmache,
dessen Glieder die einzelnen Bürger, dessen Haupt Niemand als
der König sey. Mit allem was vorangegangen, schloß es sehr
wohl zusammen, daß das Parlament im November 1534 dem
König nochmals und ohne Bedingung den Titel eines ober-
sten Hauptes in der englischen Kirche votirte. Nicht allein
wurden ihm die Annaten und ersten Früchte zugesprochen,
sondern selbst die Befugniß, Mißbräuche und Ketzereien auszu-
tilgen. So mächtig erhob sich die weltliche Gewalt über die
geistliche. Gardiner rechtfertigte dieß Verfahren in einer eige-
nen Schrift, in der er auseinandersetzte, daß zunächst die fal-
sche Meinung von der Gewalt des Papstes, die jedermann
blende, aus den Gemüthern der Leute entfernt werden müsse.

Und wehe dem der zu widerstreben wagte! Mit allen
Waffen der Gesetze ausgerüstet, kannte der König kein Er-
barmen, selbst nicht gegen die ausgezeichnetsten Männer.

Moore mußte sterben, weil er an der Überzeugung fest-
hielt, daß die christliche Kirche eine einzige sey, daß man sich
von ihr nicht trennen dürfe. Bischof Fisher ward des Hoch-
verraths angeklagt, weil er dabei blieb, man dürfe die Schrift
nicht anders auslegen als wie die Kirche gebiete, und dem-
zufolge den Primat des Papstes nicht fallen ließ, den Kö-
nig nicht als das Haupt der englischen Kirche anerkennen
wollte. Der päpstliche Hof ernannte Fisher zum Cardinal,
in der Hofnung, ihn vermöge der besondern Unverletzlich-
keit, die sonst an diese Würde geknüpft war, zu retten; eben
dieß war für den König ein Grund mehr, ihn nicht zu scho-
nen. Konnte der Gegensatz stärker hervortreten? Sie starben

Siebentes Buch. Erſtes Capitel.
von der höhern Autorität des Königs herrühre. Die Politiker
fügten hinzu, daß das Reich einen einziger Körper ausmache,
deſſen Glieder die einzelnen Bürger, deſſen Haupt Niemand als
der König ſey. Mit allem was vorangegangen, ſchloß es ſehr
wohl zuſammen, daß das Parlament im November 1534 dem
König nochmals und ohne Bedingung den Titel eines ober-
ſten Hauptes in der engliſchen Kirche votirte. Nicht allein
wurden ihm die Annaten und erſten Früchte zugeſprochen,
ſondern ſelbſt die Befugniß, Mißbräuche und Ketzereien auszu-
tilgen. So mächtig erhob ſich die weltliche Gewalt über die
geiſtliche. Gardiner rechtfertigte dieß Verfahren in einer eige-
nen Schrift, in der er auseinanderſetzte, daß zunächſt die fal-
ſche Meinung von der Gewalt des Papſtes, die jedermann
blende, aus den Gemüthern der Leute entfernt werden müſſe.

Und wehe dem der zu widerſtreben wagte! Mit allen
Waffen der Geſetze ausgerüſtet, kannte der König kein Er-
barmen, ſelbſt nicht gegen die ausgezeichnetſten Männer.

Moore mußte ſterben, weil er an der Überzeugung feſt-
hielt, daß die chriſtliche Kirche eine einzige ſey, daß man ſich
von ihr nicht trennen dürfe. Biſchof Fiſher ward des Hoch-
verraths angeklagt, weil er dabei blieb, man dürfe die Schrift
nicht anders auslegen als wie die Kirche gebiete, und dem-
zufolge den Primat des Papſtes nicht fallen ließ, den Kö-
nig nicht als das Haupt der engliſchen Kirche anerkennen
wollte. Der päpſtliche Hof ernannte Fiſher zum Cardinal,
in der Hofnung, ihn vermöge der beſondern Unverletzlich-
keit, die ſonſt an dieſe Würde geknüpft war, zu retten; eben
dieß war für den König ein Grund mehr, ihn nicht zu ſcho-
nen. Konnte der Gegenſatz ſtärker hervortreten? Sie ſtarben

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[54/0066] Siebentes Buch. Erſtes Capitel. von der höhern Autorität des Königs herrühre. Die Politiker fügten hinzu, daß das Reich einen einziger Körper ausmache, deſſen Glieder die einzelnen Bürger, deſſen Haupt Niemand als der König ſey. Mit allem was vorangegangen, ſchloß es ſehr wohl zuſammen, daß das Parlament im November 1534 dem König nochmals und ohne Bedingung den Titel eines ober- ſten Hauptes in der engliſchen Kirche votirte. Nicht allein wurden ihm die Annaten und erſten Früchte zugeſprochen, ſondern ſelbſt die Befugniß, Mißbräuche und Ketzereien auszu- tilgen. So mächtig erhob ſich die weltliche Gewalt über die geiſtliche. Gardiner rechtfertigte dieß Verfahren in einer eige- nen Schrift, in der er auseinanderſetzte, daß zunächſt die fal- ſche Meinung von der Gewalt des Papſtes, die jedermann blende, aus den Gemüthern der Leute entfernt werden müſſe. Und wehe dem der zu widerſtreben wagte! Mit allen Waffen der Geſetze ausgerüſtet, kannte der König kein Er- barmen, ſelbſt nicht gegen die ausgezeichnetſten Männer. Moore mußte ſterben, weil er an der Überzeugung feſt- hielt, daß die chriſtliche Kirche eine einzige ſey, daß man ſich von ihr nicht trennen dürfe. Biſchof Fiſher ward des Hoch- verraths angeklagt, weil er dabei blieb, man dürfe die Schrift nicht anders auslegen als wie die Kirche gebiete, und dem- zufolge den Primat des Papſtes nicht fallen ließ, den Kö- nig nicht als das Haupt der engliſchen Kirche anerkennen wollte. Der päpſtliche Hof ernannte Fiſher zum Cardinal, in der Hofnung, ihn vermöge der beſondern Unverletzlich- keit, die ſonſt an dieſe Würde geknüpft war, zu retten; eben dieß war für den König ein Grund mehr, ihn nicht zu ſcho- nen. Konnte der Gegenſatz ſtärker hervortreten? Sie ſtarben

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/66>, abgerufen am 24.11.2024.