Am Himmelfahrtstage 1536 predigte Luther über den Text: Gehet hin in alle Welt und verkündiget das Evan- gelium allen Heiden. Myconius sagt: er habe ihn oft pre- digen hören: damals aber sey ihm vorgekommen als spreche er vom Himmel her in Christi Namen.
Und gewiß gab diese theologische Versöhnung, zusam- mentreffend mit der Erweiterung des Bundes, den Prote- stanten neue Aussichten auf festes Bestehen und allgemeine Welteinwirkung.
Sie wußten nicht anders, als daß die engere politische Vereinigung zu der sie geschritten, von dem Reichsoberhaupte gebilligt werde, daß ihr Daseyn und ihre Bewegung auf ge- setzlichem Boden beruhe. Mit dem Kaiser und dem König glaubten sie in dem besten Verständniß zu stehen. Auf eine Anfrage wegen der Wiener Abrede antwortete König Fer- dinand: was er einmal versprochen, das suche er auch zu vollstrecken: den rechtlichen Stillstand habe er der letzten Abrede gemäß dem Kammergericht aufs neue geboten. 1 Da- gegen zögerte auch Johann Friedrich nicht, eine wahrschein- lich damals in Wien gethane Zusage zu erfüllen, und einige Fähnlein zu dem Heere das sich in den Niederlanden ver- sammelte, stoßen zu lassen. Seiner Sache sicher gab er den- selben einen Feldprediger mit, um mitten im kaiserlichen La- ger das reine Gotteswort zu verkündigen. 2 Kein Wunder
1Insbruck 8 Aug. "Was sich Kön. Mt einmal in Handlung einläßt, das ist J. Mt zu vollstrecken gnädiglich geneigt, wie denn J. Mt auf die jungst Wienisch bescheen Handlung den Stillstand bei dem kaiserl. Kammergericht erneuert und verschaffen hat."
2 So heißt es ausdrücklich in der angeführten Beschreibung dieses Feldzugs von der Hand des Feldpredigers Veit Weidener.
Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Am Himmelfahrtstage 1536 predigte Luther über den Text: Gehet hin in alle Welt und verkündiget das Evan- gelium allen Heiden. Myconius ſagt: er habe ihn oft pre- digen hören: damals aber ſey ihm vorgekommen als ſpreche er vom Himmel her in Chriſti Namen.
Und gewiß gab dieſe theologiſche Verſöhnung, zuſam- mentreffend mit der Erweiterung des Bundes, den Prote- ſtanten neue Ausſichten auf feſtes Beſtehen und allgemeine Welteinwirkung.
Sie wußten nicht anders, als daß die engere politiſche Vereinigung zu der ſie geſchritten, von dem Reichsoberhaupte gebilligt werde, daß ihr Daſeyn und ihre Bewegung auf ge- ſetzlichem Boden beruhe. Mit dem Kaiſer und dem König glaubten ſie in dem beſten Verſtändniß zu ſtehen. Auf eine Anfrage wegen der Wiener Abrede antwortete König Fer- dinand: was er einmal verſprochen, das ſuche er auch zu vollſtrecken: den rechtlichen Stillſtand habe er der letzten Abrede gemäß dem Kammergericht aufs neue geboten. 1 Da- gegen zögerte auch Johann Friedrich nicht, eine wahrſchein- lich damals in Wien gethane Zuſage zu erfüllen, und einige Fähnlein zu dem Heere das ſich in den Niederlanden ver- ſammelte, ſtoßen zu laſſen. Seiner Sache ſicher gab er den- ſelben einen Feldprediger mit, um mitten im kaiſerlichen La- ger das reine Gotteswort zu verkündigen. 2 Kein Wunder
1Insbruck 8 Aug. „Was ſich Koͤn. Mt einmal in Handlung einlaͤßt, das iſt J. Mt zu vollſtrecken gnaͤdiglich geneigt, wie denn J. Mt auf die jungſt Wieniſch beſcheen Handlung den Stillſtand bei dem kaiſerl. Kammergericht erneuert und verſchaffen hat.“
2 So heißt es ausdruͤcklich in der angefuͤhrten Beſchreibung dieſes Feldzugs von der Hand des Feldpredigers Veit Weidener.
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Siebentes Buch. Zweites Capitel.
Am Himmelfahrtstage 1536 predigte Luther über den
Text: Gehet hin in alle Welt und verkündiget das Evan-
gelium allen Heiden. Myconius ſagt: er habe ihn oft pre-
digen hören: damals aber ſey ihm vorgekommen als ſpreche
er vom Himmel her in Chriſti Namen.
Und gewiß gab dieſe theologiſche Verſöhnung, zuſam-
mentreffend mit der Erweiterung des Bundes, den Prote-
ſtanten neue Ausſichten auf feſtes Beſtehen und allgemeine
Welteinwirkung.
Sie wußten nicht anders, als daß die engere politiſche
Vereinigung zu der ſie geſchritten, von dem Reichsoberhaupte
gebilligt werde, daß ihr Daſeyn und ihre Bewegung auf ge-
ſetzlichem Boden beruhe. Mit dem Kaiſer und dem König
glaubten ſie in dem beſten Verſtändniß zu ſtehen. Auf eine
Anfrage wegen der Wiener Abrede antwortete König Fer-
dinand: was er einmal verſprochen, das ſuche er auch zu
vollſtrecken: den rechtlichen Stillſtand habe er der letzten
Abrede gemäß dem Kammergericht aufs neue geboten. 1 Da-
gegen zögerte auch Johann Friedrich nicht, eine wahrſchein-
lich damals in Wien gethane Zuſage zu erfüllen, und einige
Fähnlein zu dem Heere das ſich in den Niederlanden ver-
ſammelte, ſtoßen zu laſſen. Seiner Sache ſicher gab er den-
ſelben einen Feldprediger mit, um mitten im kaiſerlichen La-
ger das reine Gotteswort zu verkündigen. 2 Kein Wunder
1 Insbruck 8 Aug. „Was ſich Koͤn. Mt einmal in Handlung
einlaͤßt, das iſt J. Mt zu vollſtrecken gnaͤdiglich geneigt, wie denn
J. Mt auf die jungſt Wieniſch beſcheen Handlung den Stillſtand bei
dem kaiſerl. Kammergericht erneuert und verſchaffen hat.“
2 So heißt es ausdruͤcklich in der angefuͤhrten Beſchreibung
dieſes Feldzugs von der Hand des Feldpredigers Veit Weidener.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 4. Berlin, 1843, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation04_1843/98>, abgerufen am 16.02.2025.
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