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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Drittes Capitel.
er halte für so gewiß wie das Evangelium, daß sein guter
Bruder, welcher ihm immer ein Vater gewesen, nicht an
eine Sache denke die ihm so wenig zum Vortheil und zur
Ehre gereiche.

Darüber nun wie er das Vorhaben auffaßte, konnte die
Königin ihn beruhigen. Obwohl sie sich für nicht hinreichend
unterrichtet erklärte, ließ sie doch so viel erkennen, daß nur
von einer Versicherung des Reiches nach dem Tode beider
Majestäten die Rede sey. Bald aber trat sie einen Schritt
näher und gab deutlichere Auskunft.

Nach ihrer Auffassung gieng der Gedanke des Kaisers
nur dahin, das Verhältniß das zwischen den Vätern bestand,
auch auf die Söhne zu vererben. Ferdinands Sohn Ma-
ximilian sollte dereinst wie Ferdinand römischer König, Phi-
lipp wie sein Vater Carl römischer Kaiser werden. Bisher
war wohl nichts verabredet, aber man hatte in der Vor-
aussetzung gelebt, daß nicht allein nach dem Abgange Carls
sein Bruder ihm in dem Kaiserthum nachfolgen, sondern daß
der Anspruch auf diese ohnehin keineswegs erbliche Würde
den Söhnen desselben, der in Deutschland angesiedelten Li-
nie, nicht einem in Spanien erzogenen Prinzen, zufallen sollte.
Auch der ermäßigte Plan war doch der ferdinandeischen Fa-
milie unerwartet und in hohem Grade widerwärtig.

Maria stellte dem römischen König vor, Philipp werde
nur selten im Reiche erscheinen können; für ihn werde aus
jener Würde nur die Pflicht hervorgehn, dasselbe zu unter-
stützen; aller Vortheil davon werde doch dem Hause Fer-
dinands zufallen, zumal da sich Philipp in diesem Fall mit
einer seiner Töchter zu vermählen bereit sey. Sie erinnerte
ihn an das Verdienst, das sich der ältere Bruder um ihn

Neuntes Buch. Drittes Capitel.
er halte für ſo gewiß wie das Evangelium, daß ſein guter
Bruder, welcher ihm immer ein Vater geweſen, nicht an
eine Sache denke die ihm ſo wenig zum Vortheil und zur
Ehre gereiche.

Darüber nun wie er das Vorhaben auffaßte, konnte die
Königin ihn beruhigen. Obwohl ſie ſich für nicht hinreichend
unterrichtet erklärte, ließ ſie doch ſo viel erkennen, daß nur
von einer Verſicherung des Reiches nach dem Tode beider
Majeſtäten die Rede ſey. Bald aber trat ſie einen Schritt
näher und gab deutlichere Auskunft.

Nach ihrer Auffaſſung gieng der Gedanke des Kaiſers
nur dahin, das Verhältniß das zwiſchen den Vätern beſtand,
auch auf die Söhne zu vererben. Ferdinands Sohn Ma-
ximilian ſollte dereinſt wie Ferdinand römiſcher König, Phi-
lipp wie ſein Vater Carl römiſcher Kaiſer werden. Bisher
war wohl nichts verabredet, aber man hatte in der Vor-
ausſetzung gelebt, daß nicht allein nach dem Abgange Carls
ſein Bruder ihm in dem Kaiſerthum nachfolgen, ſondern daß
der Anſpruch auf dieſe ohnehin keineswegs erbliche Würde
den Söhnen deſſelben, der in Deutſchland angeſiedelten Li-
nie, nicht einem in Spanien erzogenen Prinzen, zufallen ſollte.
Auch der ermäßigte Plan war doch der ferdinandeiſchen Fa-
milie unerwartet und in hohem Grade widerwärtig.

Maria ſtellte dem römiſchen König vor, Philipp werde
nur ſelten im Reiche erſcheinen können; für ihn werde aus
jener Würde nur die Pflicht hervorgehn, daſſelbe zu unter-
ſtützen; aller Vortheil davon werde doch dem Hauſe Fer-
dinands zufallen, zumal da ſich Philipp in dieſem Fall mit
einer ſeiner Töchter zu vermählen bereit ſey. Sie erinnerte
ihn an das Verdienſt, das ſich der ältere Bruder um ihn

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[122/0134] Neuntes Buch. Drittes Capitel. er halte für ſo gewiß wie das Evangelium, daß ſein guter Bruder, welcher ihm immer ein Vater geweſen, nicht an eine Sache denke die ihm ſo wenig zum Vortheil und zur Ehre gereiche. Darüber nun wie er das Vorhaben auffaßte, konnte die Königin ihn beruhigen. Obwohl ſie ſich für nicht hinreichend unterrichtet erklärte, ließ ſie doch ſo viel erkennen, daß nur von einer Verſicherung des Reiches nach dem Tode beider Majeſtäten die Rede ſey. Bald aber trat ſie einen Schritt näher und gab deutlichere Auskunft. Nach ihrer Auffaſſung gieng der Gedanke des Kaiſers nur dahin, das Verhältniß das zwiſchen den Vätern beſtand, auch auf die Söhne zu vererben. Ferdinands Sohn Ma- ximilian ſollte dereinſt wie Ferdinand römiſcher König, Phi- lipp wie ſein Vater Carl römiſcher Kaiſer werden. Bisher war wohl nichts verabredet, aber man hatte in der Vor- ausſetzung gelebt, daß nicht allein nach dem Abgange Carls ſein Bruder ihm in dem Kaiſerthum nachfolgen, ſondern daß der Anſpruch auf dieſe ohnehin keineswegs erbliche Würde den Söhnen deſſelben, der in Deutſchland angeſiedelten Li- nie, nicht einem in Spanien erzogenen Prinzen, zufallen ſollte. Auch der ermäßigte Plan war doch der ferdinandeiſchen Fa- milie unerwartet und in hohem Grade widerwärtig. Maria ſtellte dem römiſchen König vor, Philipp werde nur ſelten im Reiche erſcheinen können; für ihn werde aus jener Würde nur die Pflicht hervorgehn, daſſelbe zu unter- ſtützen; aller Vortheil davon werde doch dem Hauſe Fer- dinands zufallen, zumal da ſich Philipp in dieſem Fall mit einer ſeiner Töchter zu vermählen bereit ſey. Sie erinnerte ihn an das Verdienſt, das ſich der ältere Bruder um ihn

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/134>, abgerufen am 24.11.2024.