Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Seekrieg im Mittelmeer.
einen Religion vor der andern, des katholischen Christen-
thums oder des Islam, durch einen Kampf von Zwölf ge-
gen Zwölf entscheiden zu lassen: ein sonderbares Gegenstück
zu den Religionsgesprächen in Deutschland. Die Ritter be-
hielten fürs Erste auch hier in den Waffen die Oberhand.
Es gelang ihnen, einzelne Eingeborne, Scheiche großer Dör-
fer zwischen Tripoli und Tanjura für sich zu gewinnen, An-
hänger Morats dagegen, die in ihre Gewalt fielen, zu dem
Schwur auf den Koran zu nöthigen, daß sie in Zukunft die
Waffen nicht gegen den Orden tragen wollen. Allmählig
gefielen sie sich in dem reichen und anmuthigen Lande. Im
J. 1548 hat das Generalcapitel des Ordens den Beschluß
gefaßt, seinen Hauptsitz in Zukunft in Tripoli aufzuschlagen,
nur mit der Bestimmung, daß dieß nach und nach, die er-
sten Jahre versuchsweise geschehen solle. 1

Unter den Corsaren jener Zeit war nun kein Andrer so
geschwind, glücklich und furchtbar, wie Thorgud Thorgudscha-
beg, den die Abendländer Dragut nennen, der wahre Nach-
folger Chaireddins, der einst wie dieser an eine genuesische
Galeere geschmiedet gewesen, aber durch ein Geschenk, zur
rechten Zeit der alten Fürstin Doria dargebracht, wieder frei
geworden war, und seitdem alle die berufensten Seeräuber,
Gasi Mustafa, Uludsch, Karakaso und Andere als ihr natürli-
ches Oberhaupt um sich versammelt hatte. Wir erinnern uns,
wie sich Carl V nach jenem seinem tunisischen Unternehmen

1 che per quel primo anno si mandassero in Tripoli oltre
l'ordinario presidio 50 cavalieri, e che cosi d'anno in anno con-
seguentemente s'andasse crescendo fin tanto che la religione tutta
in quel loco trasportata si trovasse.
Bei Bosio I, 256.
10*

Seekrieg im Mittelmeer.
einen Religion vor der andern, des katholiſchen Chriſten-
thums oder des Islam, durch einen Kampf von Zwölf ge-
gen Zwölf entſcheiden zu laſſen: ein ſonderbares Gegenſtück
zu den Religionsgeſprächen in Deutſchland. Die Ritter be-
hielten fürs Erſte auch hier in den Waffen die Oberhand.
Es gelang ihnen, einzelne Eingeborne, Scheiche großer Dör-
fer zwiſchen Tripoli und Tanjura für ſich zu gewinnen, An-
hänger Morats dagegen, die in ihre Gewalt fielen, zu dem
Schwur auf den Koran zu nöthigen, daß ſie in Zukunft die
Waffen nicht gegen den Orden tragen wollen. Allmählig
gefielen ſie ſich in dem reichen und anmuthigen Lande. Im
J. 1548 hat das Generalcapitel des Ordens den Beſchluß
gefaßt, ſeinen Hauptſitz in Zukunft in Tripoli aufzuſchlagen,
nur mit der Beſtimmung, daß dieß nach und nach, die er-
ſten Jahre verſuchsweiſe geſchehen ſolle. 1

Unter den Corſaren jener Zeit war nun kein Andrer ſo
geſchwind, glücklich und furchtbar, wie Thorgud Thorgudſcha-
beg, den die Abendländer Dragut nennen, der wahre Nach-
folger Chaireddins, der einſt wie dieſer an eine genueſiſche
Galeere geſchmiedet geweſen, aber durch ein Geſchenk, zur
rechten Zeit der alten Fürſtin Doria dargebracht, wieder frei
geworden war, und ſeitdem alle die berufenſten Seeräuber,
Gaſi Muſtafa, Uludſch, Karakaſo und Andere als ihr natürli-
ches Oberhaupt um ſich verſammelt hatte. Wir erinnern uns,
wie ſich Carl V nach jenem ſeinem tuniſiſchen Unternehmen

1 che per quel primo anno si mandassero in Tripoli oltre
l’ordinario presidio 50 cavalieri, e che cosi d’anno in anno con-
seguentemente s’andasse crescendo fin tanto che la religione tutta
in quel loco trasportata si trovasse.
Bei Boſio I, 256.
10*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0159" n="147"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Seekrieg im Mittelmeer</hi>.</fw><lb/>
einen Religion vor der andern, des katholi&#x017F;chen Chri&#x017F;ten-<lb/>
thums oder des Islam, durch einen Kampf von Zwölf ge-<lb/>
gen Zwölf ent&#x017F;cheiden zu la&#x017F;&#x017F;en: ein &#x017F;onderbares Gegen&#x017F;tück<lb/>
zu den Religionsge&#x017F;prächen in Deut&#x017F;chland. Die Ritter be-<lb/>
hielten fürs Er&#x017F;te auch hier in den Waffen die Oberhand.<lb/>
Es gelang ihnen, einzelne Eingeborne, Scheiche großer Dör-<lb/>
fer zwi&#x017F;chen Tripoli und Tanjura für &#x017F;ich zu gewinnen, An-<lb/>
hänger Morats dagegen, die in ihre Gewalt fielen, zu dem<lb/>
Schwur auf den Koran zu nöthigen, daß &#x017F;ie in Zukunft die<lb/>
Waffen nicht gegen den Orden tragen wollen. Allmählig<lb/>
gefielen &#x017F;ie &#x017F;ich in dem reichen und anmuthigen Lande. Im<lb/>
J. 1548 hat das Generalcapitel des Ordens den Be&#x017F;chluß<lb/>
gefaßt, &#x017F;einen Haupt&#x017F;itz in Zukunft in Tripoli aufzu&#x017F;chlagen,<lb/>
nur mit der Be&#x017F;timmung, daß dieß nach und nach, die er-<lb/>
&#x017F;ten Jahre ver&#x017F;uchswei&#x017F;e ge&#x017F;chehen &#x017F;olle. <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">che per quel primo anno si mandassero in Tripoli oltre<lb/>
l&#x2019;ordinario presidio 50 cavalieri, e che cosi d&#x2019;anno in anno con-<lb/>
seguentemente s&#x2019;andasse crescendo fin tanto che la religione tutta<lb/>
in quel loco trasportata si trovasse.</hi> Bei Bo&#x017F;io <hi rendition="#aq">I,</hi> 256.</note></p><lb/>
            <p>Unter den Cor&#x017F;aren jener Zeit war nun kein Andrer &#x017F;o<lb/>
ge&#x017F;chwind, glücklich und furchtbar, wie Thorgud Thorgud&#x017F;cha-<lb/>
beg, den die Abendländer Dragut nennen, der wahre Nach-<lb/>
folger Chaireddins, der ein&#x017F;t wie die&#x017F;er an eine genue&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Galeere ge&#x017F;chmiedet gewe&#x017F;en, aber durch ein Ge&#x017F;chenk, zur<lb/>
rechten Zeit der alten Für&#x017F;tin Doria dargebracht, wieder frei<lb/>
geworden war, und &#x017F;eitdem alle die berufen&#x017F;ten Seeräuber,<lb/>
Ga&#x017F;i Mu&#x017F;tafa, Ulud&#x017F;ch, Karaka&#x017F;o und Andere als ihr natürli-<lb/>
ches Oberhaupt um &#x017F;ich ver&#x017F;ammelt hatte. Wir erinnern uns,<lb/>
wie &#x017F;ich Carl <hi rendition="#aq">V</hi> nach jenem &#x017F;einem tuni&#x017F;i&#x017F;chen Unternehmen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">10*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[147/0159] Seekrieg im Mittelmeer. einen Religion vor der andern, des katholiſchen Chriſten- thums oder des Islam, durch einen Kampf von Zwölf ge- gen Zwölf entſcheiden zu laſſen: ein ſonderbares Gegenſtück zu den Religionsgeſprächen in Deutſchland. Die Ritter be- hielten fürs Erſte auch hier in den Waffen die Oberhand. Es gelang ihnen, einzelne Eingeborne, Scheiche großer Dör- fer zwiſchen Tripoli und Tanjura für ſich zu gewinnen, An- hänger Morats dagegen, die in ihre Gewalt fielen, zu dem Schwur auf den Koran zu nöthigen, daß ſie in Zukunft die Waffen nicht gegen den Orden tragen wollen. Allmählig gefielen ſie ſich in dem reichen und anmuthigen Lande. Im J. 1548 hat das Generalcapitel des Ordens den Beſchluß gefaßt, ſeinen Hauptſitz in Zukunft in Tripoli aufzuſchlagen, nur mit der Beſtimmung, daß dieß nach und nach, die er- ſten Jahre verſuchsweiſe geſchehen ſolle. 1 Unter den Corſaren jener Zeit war nun kein Andrer ſo geſchwind, glücklich und furchtbar, wie Thorgud Thorgudſcha- beg, den die Abendländer Dragut nennen, der wahre Nach- folger Chaireddins, der einſt wie dieſer an eine genueſiſche Galeere geſchmiedet geweſen, aber durch ein Geſchenk, zur rechten Zeit der alten Fürſtin Doria dargebracht, wieder frei geworden war, und ſeitdem alle die berufenſten Seeräuber, Gaſi Muſtafa, Uludſch, Karakaſo und Andere als ihr natürli- ches Oberhaupt um ſich verſammelt hatte. Wir erinnern uns, wie ſich Carl V nach jenem ſeinem tuniſiſchen Unternehmen 1 che per quel primo anno si mandassero in Tripoli oltre l’ordinario presidio 50 cavalieri, e che cosi d’anno in anno con- seguentemente s’andasse crescendo fin tanto che la religione tutta in quel loco trasportata si trovasse. Bei Boſio I, 256. 10*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/159
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/159>, abgerufen am 21.11.2024.