Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Viertes Capitel.
Sohn des Kaisers aus Italien nach Spanien und den Nef-
fen desselben aus Spanien nach Italien zu führen, was für
jene Successionsentwürfe nöthig schien. Unter diesen Um-
ständen entschlossen sich die Ritter -- und es bedurfte dazu
wohl nicht erst, wie man argwöhnte, einer von dem fran-
zösischen Gesandten Aramont angesponnenen Verrätherei 1 --
zur Überlieferung dieses Platzes an Sinan, welche am 14ten
August 1551 erfolgte. So rasch giengen die Hofnungen
welche der Orden an diesen Ort geknüpft, in Rauch auf; der
alte Feind desselben, Morat Aga, erschien als Sandschakbey
in Tripoli, wo sich nun das Seeräuberhandwerk wie in Algier
unüberwindlich organisirte. Für den Orden war das Un-
glück vielleicht nicht so groß: er konnte nun seine ganze
Macht auf einen einzigen Punct concentriren, wie er auch
gethan hat; dem Kaiser aber war der Verlust des trefflichen
Platzes, den er nicht einmal erobert, sondern ererbt, höchst
empfindlich: das maritime Übergewicht des mächtigen Fein-
des, den er als den allgemeinen betrachtete, stellte sich alle
Tag entschiedener heraus.

Erneuerung des Kriegs in Ungarn.

Ähnlich war der Gang der Dinge in Ungarn. Aus
einem Unternehmen das eine große Erwerbung verhieß, ent-

1 Nur möchte ich ihn nicht mit Flassan aus dem Zeugniß des
Großmeisters Omedes rechtfertigen, das freilich in der Übersetzung, wo
es heißt: nous attestons que les bruits repandus sont sans fon-
dement,
sehr positiv lautet, aber nicht im Original, bei Ribier II,
303: quelli che hanno sparso quello rumore, non ci pare, l'ab-
biano fatto con ragione.
Man hegte in Malta allerdings einigen
Verdacht; eine Erwägung der einzelnen Ereignisse aber, wie sie Bosio
sehr ausführlich und glaubwürdig mittheilt, läßt ihn nicht aufkommen.

Neuntes Buch. Viertes Capitel.
Sohn des Kaiſers aus Italien nach Spanien und den Nef-
fen deſſelben aus Spanien nach Italien zu führen, was für
jene Succeſſionsentwürfe nöthig ſchien. Unter dieſen Um-
ſtänden entſchloſſen ſich die Ritter — und es bedurfte dazu
wohl nicht erſt, wie man argwöhnte, einer von dem fran-
zöſiſchen Geſandten Aramont angeſponnenen Verrätherei 1
zur Überlieferung dieſes Platzes an Sinan, welche am 14ten
Auguſt 1551 erfolgte. So raſch giengen die Hofnungen
welche der Orden an dieſen Ort geknüpft, in Rauch auf; der
alte Feind deſſelben, Morat Aga, erſchien als Sandſchakbey
in Tripoli, wo ſich nun das Seeräuberhandwerk wie in Algier
unüberwindlich organiſirte. Für den Orden war das Un-
glück vielleicht nicht ſo groß: er konnte nun ſeine ganze
Macht auf einen einzigen Punct concentriren, wie er auch
gethan hat; dem Kaiſer aber war der Verluſt des trefflichen
Platzes, den er nicht einmal erobert, ſondern ererbt, höchſt
empfindlich: das maritime Übergewicht des mächtigen Fein-
des, den er als den allgemeinen betrachtete, ſtellte ſich alle
Tag entſchiedener heraus.

Erneuerung des Kriegs in Ungarn.

Ähnlich war der Gang der Dinge in Ungarn. Aus
einem Unternehmen das eine große Erwerbung verhieß, ent-

1 Nur moͤchte ich ihn nicht mit Flaſſan aus dem Zeugniß des
Großmeiſters Omedes rechtfertigen, das freilich in der Uͤberſetzung, wo
es heißt: nous attestons que les bruits repandus sont sans fon-
dement,
ſehr poſitiv lautet, aber nicht im Original, bei Ribier II,
303: quelli che hanno sparso quello rumore, non ci pare, l’ab-
biano fatto con ragione.
Man hegte in Malta allerdings einigen
Verdacht; eine Erwaͤgung der einzelnen Ereigniſſe aber, wie ſie Boſio
ſehr ausfuͤhrlich und glaubwuͤrdig mittheilt, laͤßt ihn nicht aufkommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0164" n="152"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Viertes Capitel</hi>.</fw><lb/>
Sohn des Kai&#x017F;ers aus Italien nach Spanien und den Nef-<lb/>
fen de&#x017F;&#x017F;elben aus Spanien nach Italien zu führen, was für<lb/>
jene Succe&#x017F;&#x017F;ionsentwürfe nöthig &#x017F;chien. Unter die&#x017F;en Um-<lb/>
&#x017F;tänden ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die Ritter &#x2014; und es bedurfte dazu<lb/>
wohl nicht er&#x017F;t, wie man argwöhnte, einer von dem fran-<lb/>&#x017F;i&#x017F;chen Ge&#x017F;andten Aramont ange&#x017F;ponnenen Verrätherei <note place="foot" n="1">Nur mo&#x0364;chte ich ihn nicht mit Fla&#x017F;&#x017F;an aus dem Zeugniß des<lb/>
Großmei&#x017F;ters Omedes rechtfertigen, das freilich in der U&#x0364;ber&#x017F;etzung, wo<lb/>
es heißt: <hi rendition="#aq">nous attestons que les bruits repandus sont sans fon-<lb/>
dement,</hi> &#x017F;ehr po&#x017F;itiv lautet, aber nicht im Original, bei Ribier <hi rendition="#aq">II,<lb/>
303: quelli che hanno sparso quello rumore, <hi rendition="#g">non ci pare</hi>, l&#x2019;ab-<lb/>
biano fatto con ragione.</hi> Man hegte in Malta allerdings einigen<lb/>
Verdacht; eine Erwa&#x0364;gung der einzelnen Ereigni&#x017F;&#x017F;e aber, wie &#x017F;ie Bo&#x017F;io<lb/>
&#x017F;ehr ausfu&#x0364;hrlich und glaubwu&#x0364;rdig mittheilt, la&#x0364;ßt ihn nicht aufkommen.</note> &#x2014;<lb/>
zur Überlieferung die&#x017F;es Platzes an Sinan, welche am 14ten<lb/>
Augu&#x017F;t 1551 erfolgte. So ra&#x017F;ch giengen die Hofnungen<lb/>
welche der Orden an die&#x017F;en Ort geknüpft, in Rauch auf; der<lb/>
alte Feind de&#x017F;&#x017F;elben, Morat Aga, er&#x017F;chien als Sand&#x017F;chakbey<lb/>
in Tripoli, wo &#x017F;ich nun das Seeräuberhandwerk wie in Algier<lb/>
unüberwindlich organi&#x017F;irte. Für den Orden war das Un-<lb/>
glück vielleicht nicht &#x017F;o groß: er konnte nun &#x017F;eine ganze<lb/>
Macht auf einen einzigen Punct concentriren, wie er auch<lb/>
gethan hat; dem Kai&#x017F;er aber war der Verlu&#x017F;t des trefflichen<lb/>
Platzes, den er nicht einmal erobert, &#x017F;ondern ererbt, höch&#x017F;t<lb/>
empfindlich: das maritime Übergewicht des mächtigen Fein-<lb/>
des, den er als den allgemeinen betrachtete, &#x017F;tellte &#x017F;ich alle<lb/>
Tag ent&#x017F;chiedener heraus.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Erneuerung des Kriegs in Ungarn.</head><lb/>
            <p>Ähnlich war der Gang der Dinge in Ungarn. Aus<lb/>
einem Unternehmen das eine große Erwerbung verhieß, ent-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0164] Neuntes Buch. Viertes Capitel. Sohn des Kaiſers aus Italien nach Spanien und den Nef- fen deſſelben aus Spanien nach Italien zu führen, was für jene Succeſſionsentwürfe nöthig ſchien. Unter dieſen Um- ſtänden entſchloſſen ſich die Ritter — und es bedurfte dazu wohl nicht erſt, wie man argwöhnte, einer von dem fran- zöſiſchen Geſandten Aramont angeſponnenen Verrätherei 1 — zur Überlieferung dieſes Platzes an Sinan, welche am 14ten Auguſt 1551 erfolgte. So raſch giengen die Hofnungen welche der Orden an dieſen Ort geknüpft, in Rauch auf; der alte Feind deſſelben, Morat Aga, erſchien als Sandſchakbey in Tripoli, wo ſich nun das Seeräuberhandwerk wie in Algier unüberwindlich organiſirte. Für den Orden war das Un- glück vielleicht nicht ſo groß: er konnte nun ſeine ganze Macht auf einen einzigen Punct concentriren, wie er auch gethan hat; dem Kaiſer aber war der Verluſt des trefflichen Platzes, den er nicht einmal erobert, ſondern ererbt, höchſt empfindlich: das maritime Übergewicht des mächtigen Fein- des, den er als den allgemeinen betrachtete, ſtellte ſich alle Tag entſchiedener heraus. Erneuerung des Kriegs in Ungarn. Ähnlich war der Gang der Dinge in Ungarn. Aus einem Unternehmen das eine große Erwerbung verhieß, ent- 1 Nur moͤchte ich ihn nicht mit Flaſſan aus dem Zeugniß des Großmeiſters Omedes rechtfertigen, das freilich in der Uͤberſetzung, wo es heißt: nous attestons que les bruits repandus sont sans fon- dement, ſehr poſitiv lautet, aber nicht im Original, bei Ribier II, 303: quelli che hanno sparso quello rumore, non ci pare, l’ab- biano fatto con ragione. Man hegte in Malta allerdings einigen Verdacht; eine Erwaͤgung der einzelnen Ereigniſſe aber, wie ſie Boſio ſehr ausfuͤhrlich und glaubwuͤrdig mittheilt, laͤßt ihn nicht aufkommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/164
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/164>, abgerufen am 21.11.2024.