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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Viertes Capitel.

Nun konnte es ihm aber bei der Eigenmächtigkeit die-
ser Stellung nicht an Gegnern fehlen. Einen gefährlichen
Nebenbuhler hatte er in seinem Mitvormund Petrovich, der
bei Hofe und im Lande größeres moralisches Zutrauen ge-
noß. Zuweilen regte sich wohl der Gedanke, den Mönch
wenigstens durch ein aus der Mitte der mächtigen Landherrn
zu besetzendes Rathscollegium zu beschränken. 1 Besonders
fühlte sich die Königin Isabella darüber unglücklich, daß sie
so gar nichts vermöge, sich so ganz in der Gewalt eines
Menschen befinde, den seine Geburt zu dem niedrigen Dienste,
aber zu keiner Herrschaft bestimmt habe; mehr als einmal
wollte sie das Land verlassen: endlich entschloß sie sich ihren
Schutzherrn, den Sultan, anzurufen, dessen Majestät in dem
Kinde, welchem er Siebenbürgen überlassen, verletzt werde. 2
Ohnehin war Suleiman kein Freund dieses Mannes, an
welchen doch die Selbständigkeit des Landes sich knüpfte.
Der Pascha von Ofen machte einen Versuch, mit bewaffne-
ter Macht in Siebenbürgen einzudringen, ward aber von
Martinuzzi zurückgewiesen; einige andre Einwirkungen der
Türken ließen dem Mönch keinen Zweifel übrig, daß in Con-
stantinopel sein Untergang beschlossen sey. 3

Dadurch ward aber auch er seinerseits bewogen, sich
an den andern Nachbar, König Ferdinand, zu wenden, und

1 Das versichert wenigstens Verantius beabsichtigt zu haben:
ut quilibet optimatum dignitate et officio aliquo insigniretur, ex
eisque conflaretur consilium quo interregnum moderaretur.
Bei
Katona XXI, 1071.
2 Bei Katona XXI, 793.
3 So versichert Ferdinand in einer amtlichen Denkschrift an
den Papst bei Bucholtz IX, p. 590. Man sieht daraus, daß die ersten
Eröffnungen im Jahr 1549 gemacht seyn müssen.
Neuntes Buch. Viertes Capitel.

Nun konnte es ihm aber bei der Eigenmächtigkeit die-
ſer Stellung nicht an Gegnern fehlen. Einen gefährlichen
Nebenbuhler hatte er in ſeinem Mitvormund Petrovich, der
bei Hofe und im Lande größeres moraliſches Zutrauen ge-
noß. Zuweilen regte ſich wohl der Gedanke, den Mönch
wenigſtens durch ein aus der Mitte der mächtigen Landherrn
zu beſetzendes Rathscollegium zu beſchränken. 1 Beſonders
fühlte ſich die Königin Iſabella darüber unglücklich, daß ſie
ſo gar nichts vermöge, ſich ſo ganz in der Gewalt eines
Menſchen befinde, den ſeine Geburt zu dem niedrigen Dienſte,
aber zu keiner Herrſchaft beſtimmt habe; mehr als einmal
wollte ſie das Land verlaſſen: endlich entſchloß ſie ſich ihren
Schutzherrn, den Sultan, anzurufen, deſſen Majeſtät in dem
Kinde, welchem er Siebenbürgen überlaſſen, verletzt werde. 2
Ohnehin war Suleiman kein Freund dieſes Mannes, an
welchen doch die Selbſtändigkeit des Landes ſich knüpfte.
Der Paſcha von Ofen machte einen Verſuch, mit bewaffne-
ter Macht in Siebenbürgen einzudringen, ward aber von
Martinuzzi zurückgewieſen; einige andre Einwirkungen der
Türken ließen dem Mönch keinen Zweifel übrig, daß in Con-
ſtantinopel ſein Untergang beſchloſſen ſey. 3

Dadurch ward aber auch er ſeinerſeits bewogen, ſich
an den andern Nachbar, König Ferdinand, zu wenden, und

1 Das verſichert wenigſtens Verantius beabſichtigt zu haben:
ut quilibet optimatum dignitate et officio aliquo insigniretur, ex
eisque conflaretur consilium quo interregnum moderaretur.
Bei
Katona XXI, 1071.
2 Bei Katona XXI, 793.
3 So verſichert Ferdinand in einer amtlichen Denkſchrift an
den Papſt bei Bucholtz IX, p. 590. Man ſieht daraus, daß die erſten
Eroͤffnungen im Jahr 1549 gemacht ſeyn muͤſſen.
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[154/0166] Neuntes Buch. Viertes Capitel. Nun konnte es ihm aber bei der Eigenmächtigkeit die- ſer Stellung nicht an Gegnern fehlen. Einen gefährlichen Nebenbuhler hatte er in ſeinem Mitvormund Petrovich, der bei Hofe und im Lande größeres moraliſches Zutrauen ge- noß. Zuweilen regte ſich wohl der Gedanke, den Mönch wenigſtens durch ein aus der Mitte der mächtigen Landherrn zu beſetzendes Rathscollegium zu beſchränken. 1 Beſonders fühlte ſich die Königin Iſabella darüber unglücklich, daß ſie ſo gar nichts vermöge, ſich ſo ganz in der Gewalt eines Menſchen befinde, den ſeine Geburt zu dem niedrigen Dienſte, aber zu keiner Herrſchaft beſtimmt habe; mehr als einmal wollte ſie das Land verlaſſen: endlich entſchloß ſie ſich ihren Schutzherrn, den Sultan, anzurufen, deſſen Majeſtät in dem Kinde, welchem er Siebenbürgen überlaſſen, verletzt werde. 2 Ohnehin war Suleiman kein Freund dieſes Mannes, an welchen doch die Selbſtändigkeit des Landes ſich knüpfte. Der Paſcha von Ofen machte einen Verſuch, mit bewaffne- ter Macht in Siebenbürgen einzudringen, ward aber von Martinuzzi zurückgewieſen; einige andre Einwirkungen der Türken ließen dem Mönch keinen Zweifel übrig, daß in Con- ſtantinopel ſein Untergang beſchloſſen ſey. 3 Dadurch ward aber auch er ſeinerſeits bewogen, ſich an den andern Nachbar, König Ferdinand, zu wenden, und 1 Das verſichert wenigſtens Verantius beabſichtigt zu haben: ut quilibet optimatum dignitate et officio aliquo insigniretur, ex eisque conflaretur consilium quo interregnum moderaretur. Bei Katona XXI, 1071. 2 Bei Katona XXI, 793. 3 So verſichert Ferdinand in einer amtlichen Denkſchrift an den Papſt bei Bucholtz IX, p. 590. Man ſieht daraus, daß die erſten Eroͤffnungen im Jahr 1549 gemacht ſeyn muͤſſen.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/166>, abgerufen am 24.11.2024.