Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Fünftes Capitel.
die Prädicanten zusammengefordert, um denselben Verpflich-
tungen unterworfen zu werden, die in Augsburg auferlegt
worden. Da die regensburgischen nicht erschienen, ließ der
Kaiser die Rathsherrn von Regensburg vor sich bescheiden
und eidlich verpflichten, niemals einen Prädicanten anzuneh-
men, der nicht zuvor bei Gott und den Heiligen gelobe sich
der alten Religion und dem Interim gemäß zu halten.

In weiten und weitern Kreisen zeigten sich verwandte
Bestrebungen. Der Erzbischof von Mainz lud wohl die hes-
sischen Prediger auf seine Provinzialsynode. Was die Mag-
deburger fürchteten geschah wirklich anderwärts. Die hohe
Geistlichkeit machte in den Städten den Versuch, den nie-
dern Clerus wieder einzusetzen und überhaupt die alten Ver-
hältnisse zurückzuführen.

Auch in den Reichsgeschäften hielt der Kaiser ein Ver-
fahren ein, das allem Herkommen widersprach und das
Selbstgefühl der Fürsten aufregte.

In einem Gutachten über die Ersetzung des Vorrathes
hatten die Stände einige ihrer Beschwerden doch etwas deut-
licher als am vorigen Reichstag, aber noch immer sehr be-
scheiden zur Sprache gebracht, z. B. die Anwesenheit spani-
scher Truppen im Reiche, das bewaffnete Geleit mit wel-
chem der Kaiser am Reichstag erschienen war, die mancher-
lei Hülfsleistungen die sie in den letzten Jahren geleistet.
Der Kaiser nahm dieß nicht wenig übel: schon den Stän-
den im Allgemeinen gab er zu erkennen, daß er ihren Auf-
satz unbillig finde und sich darüber etwas bewegt fühle;
hauptsächlich aber wandte er sich an die Churfürsten. Die
beiden persönlich anwesenden, Mainz und Cölln, und von

Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
die Prädicanten zuſammengefordert, um denſelben Verpflich-
tungen unterworfen zu werden, die in Augsburg auferlegt
worden. Da die regensburgiſchen nicht erſchienen, ließ der
Kaiſer die Rathsherrn von Regensburg vor ſich beſcheiden
und eidlich verpflichten, niemals einen Prädicanten anzuneh-
men, der nicht zuvor bei Gott und den Heiligen gelobe ſich
der alten Religion und dem Interim gemäß zu halten.

In weiten und weitern Kreiſen zeigten ſich verwandte
Beſtrebungen. Der Erzbiſchof von Mainz lud wohl die heſ-
ſiſchen Prediger auf ſeine Provinzialſynode. Was die Mag-
deburger fürchteten geſchah wirklich anderwärts. Die hohe
Geiſtlichkeit machte in den Städten den Verſuch, den nie-
dern Clerus wieder einzuſetzen und überhaupt die alten Ver-
hältniſſe zurückzuführen.

Auch in den Reichsgeſchäften hielt der Kaiſer ein Ver-
fahren ein, das allem Herkommen widerſprach und das
Selbſtgefühl der Fürſten aufregte.

In einem Gutachten über die Erſetzung des Vorrathes
hatten die Stände einige ihrer Beſchwerden doch etwas deut-
licher als am vorigen Reichstag, aber noch immer ſehr be-
ſcheiden zur Sprache gebracht, z. B. die Anweſenheit ſpani-
ſcher Truppen im Reiche, das bewaffnete Geleit mit wel-
chem der Kaiſer am Reichstag erſchienen war, die mancher-
lei Hülfsleiſtungen die ſie in den letzten Jahren geleiſtet.
Der Kaiſer nahm dieß nicht wenig übel: ſchon den Stän-
den im Allgemeinen gab er zu erkennen, daß er ihren Auf-
ſatz unbillig finde und ſich darüber etwas bewegt fühle;
hauptſächlich aber wandte er ſich an die Churfürſten. Die
beiden perſönlich anweſenden, Mainz und Cölln, und von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Fu&#x0364;nftes Capitel</hi>.</fw><lb/>
die Prädicanten zu&#x017F;ammengefordert, um den&#x017F;elben Verpflich-<lb/>
tungen unterworfen zu werden, die in Augsburg auferlegt<lb/>
worden. Da die regensburgi&#x017F;chen nicht er&#x017F;chienen, ließ der<lb/>
Kai&#x017F;er die Rathsherrn von Regensburg vor &#x017F;ich be&#x017F;cheiden<lb/>
und eidlich verpflichten, niemals einen Prädicanten anzuneh-<lb/>
men, der nicht zuvor bei Gott und den Heiligen gelobe &#x017F;ich<lb/>
der alten Religion und dem Interim gemäß zu halten.</p><lb/>
          <p>In weiten und weitern Krei&#x017F;en zeigten &#x017F;ich verwandte<lb/>
Be&#x017F;trebungen. Der Erzbi&#x017F;chof von Mainz lud wohl die he&#x017F;-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;chen Prediger auf &#x017F;eine Provinzial&#x017F;ynode. Was die Mag-<lb/>
deburger fürchteten ge&#x017F;chah wirklich anderwärts. Die hohe<lb/>
Gei&#x017F;tlichkeit machte in den Städten den Ver&#x017F;uch, den nie-<lb/>
dern Clerus wieder einzu&#x017F;etzen und überhaupt die alten Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e zurückzuführen.</p><lb/>
          <p>Auch in den Reichsge&#x017F;chäften hielt der Kai&#x017F;er ein Ver-<lb/>
fahren ein, das allem Herkommen wider&#x017F;prach und das<lb/>
Selb&#x017F;tgefühl der Für&#x017F;ten aufregte.</p><lb/>
          <p>In einem Gutachten über die Er&#x017F;etzung des Vorrathes<lb/>
hatten die Stände einige ihrer Be&#x017F;chwerden doch etwas deut-<lb/>
licher als am vorigen Reichstag, aber noch immer &#x017F;ehr be-<lb/>
&#x017F;cheiden zur Sprache gebracht, z. B. die Anwe&#x017F;enheit &#x017F;pani-<lb/>
&#x017F;cher Truppen im Reiche, das bewaffnete Geleit mit wel-<lb/>
chem der Kai&#x017F;er am Reichstag er&#x017F;chienen war, die mancher-<lb/>
lei Hülfslei&#x017F;tungen die &#x017F;ie in den letzten Jahren gelei&#x017F;tet.<lb/>
Der Kai&#x017F;er nahm dieß nicht wenig übel: &#x017F;chon den Stän-<lb/>
den im Allgemeinen gab er zu erkennen, daß er ihren Auf-<lb/>
&#x017F;atz unbillig finde und &#x017F;ich darüber etwas bewegt fühle;<lb/>
haupt&#x017F;ächlich aber wandte er &#x017F;ich an die Churfür&#x017F;ten. Die<lb/>
beiden per&#x017F;önlich anwe&#x017F;enden, Mainz und Cölln, und von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0202] Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel. die Prädicanten zuſammengefordert, um denſelben Verpflich- tungen unterworfen zu werden, die in Augsburg auferlegt worden. Da die regensburgiſchen nicht erſchienen, ließ der Kaiſer die Rathsherrn von Regensburg vor ſich beſcheiden und eidlich verpflichten, niemals einen Prädicanten anzuneh- men, der nicht zuvor bei Gott und den Heiligen gelobe ſich der alten Religion und dem Interim gemäß zu halten. In weiten und weitern Kreiſen zeigten ſich verwandte Beſtrebungen. Der Erzbiſchof von Mainz lud wohl die heſ- ſiſchen Prediger auf ſeine Provinzialſynode. Was die Mag- deburger fürchteten geſchah wirklich anderwärts. Die hohe Geiſtlichkeit machte in den Städten den Verſuch, den nie- dern Clerus wieder einzuſetzen und überhaupt die alten Ver- hältniſſe zurückzuführen. Auch in den Reichsgeſchäften hielt der Kaiſer ein Ver- fahren ein, das allem Herkommen widerſprach und das Selbſtgefühl der Fürſten aufregte. In einem Gutachten über die Erſetzung des Vorrathes hatten die Stände einige ihrer Beſchwerden doch etwas deut- licher als am vorigen Reichstag, aber noch immer ſehr be- ſcheiden zur Sprache gebracht, z. B. die Anweſenheit ſpani- ſcher Truppen im Reiche, das bewaffnete Geleit mit wel- chem der Kaiſer am Reichstag erſchienen war, die mancher- lei Hülfsleiſtungen die ſie in den letzten Jahren geleiſtet. Der Kaiſer nahm dieß nicht wenig übel: ſchon den Stän- den im Allgemeinen gab er zu erkennen, daß er ihren Auf- ſatz unbillig finde und ſich darüber etwas bewegt fühle; hauptſächlich aber wandte er ſich an die Churfürſten. Die beiden perſönlich anweſenden, Mainz und Cölln, und von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/202
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/202>, abgerufen am 21.11.2024.