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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Fünftes Capitel.
selben in Anregung. Er vergißt des Thieres nicht das ihn in
glücklichern Tagen getragen hat, das er jetzt bis zum Tode
zu füttern befiehlt, noch des treuen Hundes, den er seinem
Sohne, denn er könne ihm wohl noch eine Ente fangen,
zuschickt: "laß aber wohl aufsehen," sagt er, "daß ihn die
großen nicht todt beißen, laß ihn in deiner Kammer schla-
fen." Seine Seele lebt in der Heimath; sie nährt sich in
diesen Erinnerungen und Sorgsamkeiten geringfügiger Art;
nach so viel stürmischer Thatkraft im Glück entwickelt sie
Milde und Treue im Unglück. Von dorther entsprach man
ihm mit gleichem Verlangen. Alles was wir von seiner Ge-
mahlin hören, zeigt eine grundehrliche, durch nichts erschütterte
Hingebung. Aber weder die Erfüllung der Capitulation, noch
jene religiösen Annäherungen, noch die Anwesenheit des
Prinzen von Spanien, der doch seine Verwendung verspro-
chen hatte, vermochten seine Fesseln zu lösen. Man hat dem
Kaiser angeboten, das Land fürs Erste zu theilen, so daß
Philipp, im Besitz nur der einen Hälfte, während die andre
an seinen Sohn fallen möge, gewiß unschädlich seyn werde;
er selbst fügte hinzu, er wolle dem Kaiser ein Jahr lang im
Felde dienen und sich niemals wieder von ihm sondern: --
Alles vergeblich. Vielmehr verlautete wohl, der Kaiser werde
der hallischen Capitulation nachgekommen seyn, wenn er
den Gefangenen auch erst in seiner letzten Stunde freigebe.
Auf eine neue Verwendung der Churfürsten am Reichstage
von 1550 erfolgte abermals eine abschlägliche Antwort. Ver-
zweifelnd, jemals losgelassen zu werden, faßte der Landgraf
den Gedanken, zu entfliehen. Es gelang wirklich durch einen
jungen in Antwerpen stehenden Kaufdiener aus Hessen, auf

Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
ſelben in Anregung. Er vergißt des Thieres nicht das ihn in
glücklichern Tagen getragen hat, das er jetzt bis zum Tode
zu füttern befiehlt, noch des treuen Hundes, den er ſeinem
Sohne, denn er könne ihm wohl noch eine Ente fangen,
zuſchickt: „laß aber wohl aufſehen,“ ſagt er, „daß ihn die
großen nicht todt beißen, laß ihn in deiner Kammer ſchla-
fen.“ Seine Seele lebt in der Heimath; ſie nährt ſich in
dieſen Erinnerungen und Sorgſamkeiten geringfügiger Art;
nach ſo viel ſtürmiſcher Thatkraft im Glück entwickelt ſie
Milde und Treue im Unglück. Von dorther entſprach man
ihm mit gleichem Verlangen. Alles was wir von ſeiner Ge-
mahlin hören, zeigt eine grundehrliche, durch nichts erſchütterte
Hingebung. Aber weder die Erfüllung der Capitulation, noch
jene religiöſen Annäherungen, noch die Anweſenheit des
Prinzen von Spanien, der doch ſeine Verwendung verſpro-
chen hatte, vermochten ſeine Feſſeln zu löſen. Man hat dem
Kaiſer angeboten, das Land fürs Erſte zu theilen, ſo daß
Philipp, im Beſitz nur der einen Hälfte, während die andre
an ſeinen Sohn fallen möge, gewiß unſchädlich ſeyn werde;
er ſelbſt fügte hinzu, er wolle dem Kaiſer ein Jahr lang im
Felde dienen und ſich niemals wieder von ihm ſondern: —
Alles vergeblich. Vielmehr verlautete wohl, der Kaiſer werde
der halliſchen Capitulation nachgekommen ſeyn, wenn er
den Gefangenen auch erſt in ſeiner letzten Stunde freigebe.
Auf eine neue Verwendung der Churfürſten am Reichstage
von 1550 erfolgte abermals eine abſchlägliche Antwort. Ver-
zweifelnd, jemals losgelaſſen zu werden, faßte der Landgraf
den Gedanken, zu entfliehen. Es gelang wirklich durch einen
jungen in Antwerpen ſtehenden Kaufdiener aus Heſſen, auf

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[196/0208] Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel. ſelben in Anregung. Er vergißt des Thieres nicht das ihn in glücklichern Tagen getragen hat, das er jetzt bis zum Tode zu füttern befiehlt, noch des treuen Hundes, den er ſeinem Sohne, denn er könne ihm wohl noch eine Ente fangen, zuſchickt: „laß aber wohl aufſehen,“ ſagt er, „daß ihn die großen nicht todt beißen, laß ihn in deiner Kammer ſchla- fen.“ Seine Seele lebt in der Heimath; ſie nährt ſich in dieſen Erinnerungen und Sorgſamkeiten geringfügiger Art; nach ſo viel ſtürmiſcher Thatkraft im Glück entwickelt ſie Milde und Treue im Unglück. Von dorther entſprach man ihm mit gleichem Verlangen. Alles was wir von ſeiner Ge- mahlin hören, zeigt eine grundehrliche, durch nichts erſchütterte Hingebung. Aber weder die Erfüllung der Capitulation, noch jene religiöſen Annäherungen, noch die Anweſenheit des Prinzen von Spanien, der doch ſeine Verwendung verſpro- chen hatte, vermochten ſeine Feſſeln zu löſen. Man hat dem Kaiſer angeboten, das Land fürs Erſte zu theilen, ſo daß Philipp, im Beſitz nur der einen Hälfte, während die andre an ſeinen Sohn fallen möge, gewiß unſchädlich ſeyn werde; er ſelbſt fügte hinzu, er wolle dem Kaiſer ein Jahr lang im Felde dienen und ſich niemals wieder von ihm ſondern: — Alles vergeblich. Vielmehr verlautete wohl, der Kaiſer werde der halliſchen Capitulation nachgekommen ſeyn, wenn er den Gefangenen auch erſt in ſeiner letzten Stunde freigebe. Auf eine neue Verwendung der Churfürſten am Reichstage von 1550 erfolgte abermals eine abſchlägliche Antwort. Ver- zweifelnd, jemals losgelaſſen zu werden, faßte der Landgraf den Gedanken, zu entfliehen. Es gelang wirklich durch einen jungen in Antwerpen ſtehenden Kaufdiener aus Heſſen, auf

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/208>, abgerufen am 22.05.2024.