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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Fünftes Capitel.
Friedens mit dem Reich, 1 der sonst, wie wir wissen, bedroht
war. Zu dem Kreise dieser Verbindung gehörte Johann Al-
bert von Mecklenburg, der wie Markgraf Johann sein müt-
terlicher Oheim, dem Interim zum Trotz die Reform fort-
setzte, und sich in diesem Augenblick mit der Tochter des Her-
zog von Preußen verlobte. Nun hatte Johann Albrecht in
jener Streitigkeit mit seinem Bruder Georg eine kleine Trup-
penschaar geworben, deren er für sich nicht mehr bedurfte,
als Georg sich gegen Magdeburg wendete und dort stehn
blieb. Aber weder für Meklenburg noch für Preußen wäre
es rathsam gewesen, Magdeburg in die Hände von Kaiser
und Reich fallen zu lassen. Es war ein Gedanke Markgraf
Johanns, dem Kaiser wenigstens die Möglichkeit eines neuen
Widerstandes zu zeigen, ihm wie er sagte "ein Blatt über
die Füße zu welgern." Johan[ - 2 Zeichen fehlen] Heideck, der sich im ober-
ländischen Kriege, dann in Magdeburg hervorgethan, und der
junge Graf Volradt von Mansfeld erschienen plötzlich an
der Spitze eines Heeres im Verdenschen; durch Vermittelung
Johann a Lasco's empfiengen sie von England -- es ist die
erste Rückwirkung der dortigen Religionsveränderung -- ins-
geheim eine erwünschte Geldunterstützung.

Bei weitem zu gering jedoch war diese Macht, als daß
sich etwas Durchgreifendes von ihr hätte erwarten lassen:
sich geradezu und in eigenem Namen dem Kaiser zu wider-
setzen, dazu waren überhaupt die Verhältnisse des Hauses
Brandenburg nicht angethan. Noch viel weniger hätte Ferdi-

1 Schreiben des Landtags zu Graudenz ad festum Michae-
lis 1548. non esse aversandam conditionem, quin pacis autores
in arctiora regni jura recipiantur.
Lengnich Preuß. Gesch II, do-
cum.
1.

Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel.
Friedens mit dem Reich, 1 der ſonſt, wie wir wiſſen, bedroht
war. Zu dem Kreiſe dieſer Verbindung gehörte Johann Al-
bert von Mecklenburg, der wie Markgraf Johann ſein müt-
terlicher Oheim, dem Interim zum Trotz die Reform fort-
ſetzte, und ſich in dieſem Augenblick mit der Tochter des Her-
zog von Preußen verlobte. Nun hatte Johann Albrecht in
jener Streitigkeit mit ſeinem Bruder Georg eine kleine Trup-
penſchaar geworben, deren er für ſich nicht mehr bedurfte,
als Georg ſich gegen Magdeburg wendete und dort ſtehn
blieb. Aber weder für Meklenburg noch für Preußen wäre
es rathſam geweſen, Magdeburg in die Hände von Kaiſer
und Reich fallen zu laſſen. Es war ein Gedanke Markgraf
Johanns, dem Kaiſer wenigſtens die Möglichkeit eines neuen
Widerſtandes zu zeigen, ihm wie er ſagte „ein Blatt über
die Füße zu welgern.“ Johan[ – 2 Zeichen fehlen] Heideck, der ſich im ober-
ländiſchen Kriege, dann in Magdeburg hervorgethan, und der
junge Graf Volradt von Mansfeld erſchienen plötzlich an
der Spitze eines Heeres im Verdenſchen; durch Vermittelung
Johann a Lasco’s empfiengen ſie von England — es iſt die
erſte Rückwirkung der dortigen Religionsveränderung — ins-
geheim eine erwünſchte Geldunterſtützung.

Bei weitem zu gering jedoch war dieſe Macht, als daß
ſich etwas Durchgreifendes von ihr hätte erwarten laſſen:
ſich geradezu und in eigenem Namen dem Kaiſer zu wider-
ſetzen, dazu waren überhaupt die Verhältniſſe des Hauſes
Brandenburg nicht angethan. Noch viel weniger hätte Ferdi-

1 Schreiben des Landtags zu Graudenz ad festum Michae-
lis 1548. non esse aversandam conditionem, quin pacis autores
in arctiora regni jura recipiantur.
Lengnich Preuß. Geſch II, do-
cum.
1.
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[204/0216] Neuntes Buch. Fuͤnftes Capitel. Friedens mit dem Reich, 1 der ſonſt, wie wir wiſſen, bedroht war. Zu dem Kreiſe dieſer Verbindung gehörte Johann Al- bert von Mecklenburg, der wie Markgraf Johann ſein müt- terlicher Oheim, dem Interim zum Trotz die Reform fort- ſetzte, und ſich in dieſem Augenblick mit der Tochter des Her- zog von Preußen verlobte. Nun hatte Johann Albrecht in jener Streitigkeit mit ſeinem Bruder Georg eine kleine Trup- penſchaar geworben, deren er für ſich nicht mehr bedurfte, als Georg ſich gegen Magdeburg wendete und dort ſtehn blieb. Aber weder für Meklenburg noch für Preußen wäre es rathſam geweſen, Magdeburg in die Hände von Kaiſer und Reich fallen zu laſſen. Es war ein Gedanke Markgraf Johanns, dem Kaiſer wenigſtens die Möglichkeit eines neuen Widerſtandes zu zeigen, ihm wie er ſagte „ein Blatt über die Füße zu welgern.“ Johan__ Heideck, der ſich im ober- ländiſchen Kriege, dann in Magdeburg hervorgethan, und der junge Graf Volradt von Mansfeld erſchienen plötzlich an der Spitze eines Heeres im Verdenſchen; durch Vermittelung Johann a Lasco’s empfiengen ſie von England — es iſt die erſte Rückwirkung der dortigen Religionsveränderung — ins- geheim eine erwünſchte Geldunterſtützung. Bei weitem zu gering jedoch war dieſe Macht, als daß ſich etwas Durchgreifendes von ihr hätte erwarten laſſen: ſich geradezu und in eigenem Namen dem Kaiſer zu wider- ſetzen, dazu waren überhaupt die Verhältniſſe des Hauſes Brandenburg nicht angethan. Noch viel weniger hätte Ferdi- 1 Schreiben des Landtags zu Graudenz ad festum Michae- lis 1548. non esse aversandam conditionem, quin pacis autores in arctiora regni jura recipiantur. Lengnich Preuß. Geſch II, do- cum. 1.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/216>, abgerufen am 18.05.2024.