Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Moritz. dafür sorgte, daß die Lande ungetheilt an Moritz gelang-ten. Dem zum Trotz, und zwar wohl deshalb weil man es ihn ein wenig fühlen ließ, konnte ihn Moritz nicht lei- den: wie er sich gröblich ausdrückte, "den dicken Hoffart." Wie lange hätte es dauern können, besonders bei der Lei- besbeschaffenheit Johann Friedrichs, die ihm kein langes Leben verhieß, so hätte Moritz mit seinem Schwiegervater die Leitung der evangelischen Angelegenheiten in die Hände bekommen. Allein ihn zogen bei weitem mehr die gegen- wärtigen Vortheile an, die ihm der Kaiser anbot: er ge- wann es über sich, von dem ganzen politisch-religiösen Sy- stem abzufallen dem er angehörte: es hielt ihn nicht zurück, daß sein Schwiegervater in denselben Ruin gezogen ward, den er dem Vetter bereitete. Ist es nun aber nicht der gewöhnliche Lauf der Dinge, Zur Entschuldigung von Moritz ist von jeher Viel ge- Wenn man sein tägliches Thun und Lassen ansah, so Moritz. dafür ſorgte, daß die Lande ungetheilt an Moritz gelang-ten. Dem zum Trotz, und zwar wohl deshalb weil man es ihn ein wenig fühlen ließ, konnte ihn Moritz nicht lei- den: wie er ſich gröblich ausdrückte, „den dicken Hoffart.“ Wie lange hätte es dauern können, beſonders bei der Lei- besbeſchaffenheit Johann Friedrichs, die ihm kein langes Leben verhieß, ſo hätte Moritz mit ſeinem Schwiegervater die Leitung der evangeliſchen Angelegenheiten in die Hände bekommen. Allein ihn zogen bei weitem mehr die gegen- wärtigen Vortheile an, die ihm der Kaiſer anbot: er ge- wann es über ſich, von dem ganzen politiſch-religiöſen Sy- ſtem abzufallen dem er angehörte: es hielt ihn nicht zurück, daß ſein Schwiegervater in denſelben Ruin gezogen ward, den er dem Vetter bereitete. Iſt es nun aber nicht der gewöhnliche Lauf der Dinge, Zur Entſchuldigung von Moritz iſt von jeher Viel ge- Wenn man ſein tägliches Thun und Laſſen anſah, ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0233" n="221"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Moritz</hi>.</fw><lb/> dafür ſorgte, daß die Lande ungetheilt an Moritz gelang-<lb/> ten. Dem zum Trotz, und zwar wohl deshalb weil man<lb/> es ihn ein wenig fühlen ließ, konnte ihn Moritz nicht lei-<lb/> den: wie er ſich gröblich ausdrückte, „den dicken Hoffart.“<lb/> Wie lange hätte es dauern können, beſonders bei der Lei-<lb/> besbeſchaffenheit Johann Friedrichs, die ihm kein langes<lb/> Leben verhieß, ſo hätte Moritz mit ſeinem Schwiegervater<lb/> die Leitung der evangeliſchen Angelegenheiten in die Hände<lb/> bekommen. Allein ihn zogen bei weitem mehr die gegen-<lb/> wärtigen Vortheile an, die ihm der Kaiſer anbot: er ge-<lb/> wann es über ſich, von dem ganzen politiſch-religiöſen Sy-<lb/> ſtem abzufallen dem er angehörte: es hielt ihn nicht zurück,<lb/> daß ſein Schwiegervater in denſelben Ruin gezogen ward,<lb/> den er dem Vetter bereitete.</p><lb/> <p>Iſt es nun aber nicht der gewöhnliche Lauf der Dinge,<lb/> daß Derjenige, der einem Dritten zu Gunſten die Treue brach,<lb/> ſie auch dieſem nicht hält?</p><lb/> <p>Zur Entſchuldigung von Moritz iſt von jeher Viel ge-<lb/> ſagt worden und läßt ſich wirklich Mancherlei ſagen. Ge-<lb/> wiß aber hatte er durch ſein bisheriges Verhalten nicht zu<lb/> der Meinung berechtigt, als werde er ſich durch Rückſicht<lb/> auf empfangene Wohlthaten — die er ja überdieß durch<lb/> entſcheidende Hülfe vergolten — abhalten laſſen dasjenige<lb/> zu thun, wozu ſein Vortheil ihn einlud.</p><lb/> <p>Wenn man ſein tägliches Thun und Laſſen anſah, ſo<lb/> meinte man wohl, nur das Vergnügen des Tages habe<lb/> Reiz für ihn, die Wildbahn in den dichten Gehölzen von<lb/> Radeberg und Lohmen und in der erweiterten Dresdner<lb/> Forſt, oder die Freuden der Faſtnacht, die Ritterſpiele, in<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0233]
Moritz.
dafür ſorgte, daß die Lande ungetheilt an Moritz gelang-
ten. Dem zum Trotz, und zwar wohl deshalb weil man
es ihn ein wenig fühlen ließ, konnte ihn Moritz nicht lei-
den: wie er ſich gröblich ausdrückte, „den dicken Hoffart.“
Wie lange hätte es dauern können, beſonders bei der Lei-
besbeſchaffenheit Johann Friedrichs, die ihm kein langes
Leben verhieß, ſo hätte Moritz mit ſeinem Schwiegervater
die Leitung der evangeliſchen Angelegenheiten in die Hände
bekommen. Allein ihn zogen bei weitem mehr die gegen-
wärtigen Vortheile an, die ihm der Kaiſer anbot: er ge-
wann es über ſich, von dem ganzen politiſch-religiöſen Sy-
ſtem abzufallen dem er angehörte: es hielt ihn nicht zurück,
daß ſein Schwiegervater in denſelben Ruin gezogen ward,
den er dem Vetter bereitete.
Iſt es nun aber nicht der gewöhnliche Lauf der Dinge,
daß Derjenige, der einem Dritten zu Gunſten die Treue brach,
ſie auch dieſem nicht hält?
Zur Entſchuldigung von Moritz iſt von jeher Viel ge-
ſagt worden und läßt ſich wirklich Mancherlei ſagen. Ge-
wiß aber hatte er durch ſein bisheriges Verhalten nicht zu
der Meinung berechtigt, als werde er ſich durch Rückſicht
auf empfangene Wohlthaten — die er ja überdieß durch
entſcheidende Hülfe vergolten — abhalten laſſen dasjenige
zu thun, wozu ſein Vortheil ihn einlud.
Wenn man ſein tägliches Thun und Laſſen anſah, ſo
meinte man wohl, nur das Vergnügen des Tages habe
Reiz für ihn, die Wildbahn in den dichten Gehölzen von
Radeberg und Lohmen und in der erweiterten Dresdner
Forſt, oder die Freuden der Faſtnacht, die Ritterſpiele, in
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