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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
denen er, denn er war sehr stark und gewandt, gewöhnlich
das Beste that, oder das lustige Leben auf den Reichstagen
und die sich daran knüpfenden Besuche an fremden Höfen,
wo er gern mit schönen Frauen Kundschaft machte, oder die
Trinkgelage, bei denen er es auch den Meisten zuvorthat. 1
Kaiser Carl glaubte, Der vermöge am meisten bei ihm, wer
ihm darin Vorschub thue.

Allein hinter diesem leichtfertigen Wesen barg sich ein
tiefer Ernst.

Der männliche Muth den er vor dem Feinde bewies
und der ihm früh einen Namen machte, zeigte zuerst daß
er kein gewöhnlicher Mensch war. Dann aber muß man
ihn in seinem Lande beobachten, wie er das ganze Re-
gierungswesen umbildet, und ihm in dem Mittelpunct eine
stärkere Haltung giebt, wie er die großen Vasallen die An-
spruch auf Reichsunmittelbarkeit machen, den Ordnungen
des "berainten und bezirkten" Territoriums, das keine Aus-
nahme zuläßt, unterwirft, dafür sorgt daß die Unterthanen
Recht und Frieden und eine gewisse Gleichheit der Behand-
lung genießen: wie er ferner das System der Schulen grün-
det das diesem Lande eine so eigenthümlich alle Classen
durchdringende Cultur verschafft hat. Er zeigt eine sehr be-
merkenswürdige Gabe sowohl für das Ergreifen politischer
Gedanken als für ihre Ausführung. Er bekümmert sich um
das Kleinste wie um das Große. Aus dem Feldlager fragt
er seine Gemahlin, wie es in ihrem Vorwerk stehe; er
schilt darüber, daß man den Knaben in seiner neuen Land-
schule zu Pforte brandiges trübes Bier zu trinken gebe.


1 So sahen ihn auch die Italiener an.

Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
denen er, denn er war ſehr ſtark und gewandt, gewöhnlich
das Beſte that, oder das luſtige Leben auf den Reichstagen
und die ſich daran knüpfenden Beſuche an fremden Höfen,
wo er gern mit ſchönen Frauen Kundſchaft machte, oder die
Trinkgelage, bei denen er es auch den Meiſten zuvorthat. 1
Kaiſer Carl glaubte, Der vermöge am meiſten bei ihm, wer
ihm darin Vorſchub thue.

Allein hinter dieſem leichtfertigen Weſen barg ſich ein
tiefer Ernſt.

Der männliche Muth den er vor dem Feinde bewies
und der ihm früh einen Namen machte, zeigte zuerſt daß
er kein gewöhnlicher Menſch war. Dann aber muß man
ihn in ſeinem Lande beobachten, wie er das ganze Re-
gierungsweſen umbildet, und ihm in dem Mittelpunct eine
ſtärkere Haltung giebt, wie er die großen Vaſallen die An-
ſpruch auf Reichsunmittelbarkeit machen, den Ordnungen
des „berainten und bezirkten“ Territoriums, das keine Aus-
nahme zuläßt, unterwirft, dafür ſorgt daß die Unterthanen
Recht und Frieden und eine gewiſſe Gleichheit der Behand-
lung genießen: wie er ferner das Syſtem der Schulen grün-
det das dieſem Lande eine ſo eigenthümlich alle Claſſen
durchdringende Cultur verſchafft hat. Er zeigt eine ſehr be-
merkenswürdige Gabe ſowohl für das Ergreifen politiſcher
Gedanken als für ihre Ausführung. Er bekümmert ſich um
das Kleinſte wie um das Große. Aus dem Feldlager fragt
er ſeine Gemahlin, wie es in ihrem Vorwerk ſtehe; er
ſchilt darüber, daß man den Knaben in ſeiner neuen Land-
ſchule zu Pforte brandiges trübes Bier zu trinken gebe.


1 So ſahen ihn auch die Italiener an.
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[222/0234] Neuntes Buch. Sechstes Capitel. denen er, denn er war ſehr ſtark und gewandt, gewöhnlich das Beſte that, oder das luſtige Leben auf den Reichstagen und die ſich daran knüpfenden Beſuche an fremden Höfen, wo er gern mit ſchönen Frauen Kundſchaft machte, oder die Trinkgelage, bei denen er es auch den Meiſten zuvorthat. 1 Kaiſer Carl glaubte, Der vermöge am meiſten bei ihm, wer ihm darin Vorſchub thue. Allein hinter dieſem leichtfertigen Weſen barg ſich ein tiefer Ernſt. Der männliche Muth den er vor dem Feinde bewies und der ihm früh einen Namen machte, zeigte zuerſt daß er kein gewöhnlicher Menſch war. Dann aber muß man ihn in ſeinem Lande beobachten, wie er das ganze Re- gierungsweſen umbildet, und ihm in dem Mittelpunct eine ſtärkere Haltung giebt, wie er die großen Vaſallen die An- ſpruch auf Reichsunmittelbarkeit machen, den Ordnungen des „berainten und bezirkten“ Territoriums, das keine Aus- nahme zuläßt, unterwirft, dafür ſorgt daß die Unterthanen Recht und Frieden und eine gewiſſe Gleichheit der Behand- lung genießen: wie er ferner das Syſtem der Schulen grün- det das dieſem Lande eine ſo eigenthümlich alle Claſſen durchdringende Cultur verſchafft hat. Er zeigt eine ſehr be- merkenswürdige Gabe ſowohl für das Ergreifen politiſcher Gedanken als für ihre Ausführung. Er bekümmert ſich um das Kleinſte wie um das Große. Aus dem Feldlager fragt er ſeine Gemahlin, wie es in ihrem Vorwerk ſtehe; er ſchilt darüber, daß man den Knaben in ſeiner neuen Land- ſchule zu Pforte brandiges trübes Bier zu trinken gebe. 1 So ſahen ihn auch die Italiener an.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/234>, abgerufen am 24.11.2024.