Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.Neuntes Buch. Sechstes Capitel. curatoren nach Trient, seine Theologen auf den Weg dahingeschickt? In Rosenheim am Inn hielten sich zwei säch- sische Räthe auf in der festen Meinung, ihren Herrn, der auch wirklich eine Strecke in entsprechender Richtung vor- wärts reiste, zu erwarten. Der Kaiser hielt für gewiß, der Churfürst werde kommen: hätte er etwas anderes im Sinn, das wäre von einem deutschen Fürsten nie erhört. Noch am 28sten Februar schrieb er dem Churfürsten von Bran- denburg, er versehe sich zu Moritz alles Gehorsams, guten und geneigten Willens. Aber einen größeren Meister in der Verstellung hat es wohl kaum je gegeben als Moritz war. Keiner von seinen alten Räthen, Carlowitz so wenig wie die andern, hatten Kunde von seinen Entwürfen. 1 Noch von Schweinfurt aus, am 27sten März, hat er die Bitte um die Loslassung des Landgrafen erneuert, unter dem Vorge- ben, daß er sich sonst in das Gefängniß der Kinder dessel- ben einstellen müsse. Und doch vereinigte er in diesem Au- genblicke schon sein Heer mit dem Kriegshaufen eben dieser jungen Landgrafen, durch alle denkbaren Verträge gebunden, dem Kaiser selber zu Leibe zu gehn. Der Kaiser glaubte wohl, als die Sache ernster ward, il abandonneroit son service, mais que la pluspart de sa noblesse feroit le meme. 1 Ob es wohl Grund hat, was der florentinische Gesandte be-
richtet: Il duca Mauritio scrive di suo pugno, che procura di ri- tirar il Marchese dall'impresa, con persuaderlo a posar l'armi, promettendo di voler esser al certo alli 12 a Linz. Wenigstens sieht man, was man am Hofe glaubte. Neuntes Buch. Sechstes Capitel. curatoren nach Trient, ſeine Theologen auf den Weg dahingeſchickt? In Roſenheim am Inn hielten ſich zwei ſäch- ſiſche Räthe auf in der feſten Meinung, ihren Herrn, der auch wirklich eine Strecke in entſprechender Richtung vor- wärts reiſte, zu erwarten. Der Kaiſer hielt für gewiß, der Churfürſt werde kommen: hätte er etwas anderes im Sinn, das wäre von einem deutſchen Fürſten nie erhört. Noch am 28ſten Februar ſchrieb er dem Churfürſten von Bran- denburg, er verſehe ſich zu Moritz alles Gehorſams, guten und geneigten Willens. Aber einen größeren Meiſter in der Verſtellung hat es wohl kaum je gegeben als Moritz war. Keiner von ſeinen alten Räthen, Carlowitz ſo wenig wie die andern, hatten Kunde von ſeinen Entwürfen. 1 Noch von Schweinfurt aus, am 27ſten März, hat er die Bitte um die Loslaſſung des Landgrafen erneuert, unter dem Vorge- ben, daß er ſich ſonſt in das Gefängniß der Kinder deſſel- ben einſtellen müſſe. Und doch vereinigte er in dieſem Au- genblicke ſchon ſein Heer mit dem Kriegshaufen eben dieſer jungen Landgrafen, durch alle denkbaren Verträge gebunden, dem Kaiſer ſelber zu Leibe zu gehn. Der Kaiſer glaubte wohl, als die Sache ernſter ward, il abandonneroit son service, mais que la pluspart de sa noblesse feroit le meme. 1 Ob es wohl Grund hat, was der florentiniſche Geſandte be-
richtet: Il duca Mauritio scrive di suo pugno, che procura di ri- tirar il Marchese dall’impresa, con persuaderlo a posar l’armi, promettendo di voler esser al certo alli 12 a Linz. Wenigſtens ſieht man, was man am Hofe glaubte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0248" n="236"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Sechstes Capitel</hi>.</fw><lb/> curatoren nach Trient, ſeine Theologen auf den Weg dahin<lb/> geſchickt? In Roſenheim am Inn hielten ſich zwei ſäch-<lb/> ſiſche Räthe auf in der feſten Meinung, ihren Herrn, der<lb/> auch wirklich eine Strecke in entſprechender Richtung vor-<lb/> wärts reiſte, zu erwarten. Der Kaiſer hielt für gewiß, der<lb/> Churfürſt werde kommen: hätte er etwas anderes im Sinn,<lb/> das wäre von einem deutſchen Fürſten nie erhört. Noch<lb/> am 28ſten Februar ſchrieb er dem Churfürſten von Bran-<lb/> denburg, er verſehe ſich zu Moritz alles Gehorſams, guten<lb/> und geneigten Willens. Aber einen größeren Meiſter in der<lb/> Verſtellung hat es wohl kaum je gegeben als Moritz war.<lb/> Keiner von ſeinen alten Räthen, Carlowitz ſo wenig wie die<lb/> andern, hatten Kunde von ſeinen Entwürfen. <note place="foot" n="1">Ob es wohl Grund hat, was der florentiniſche Geſandte be-<lb/> richtet: <hi rendition="#aq">Il duca Mauritio scrive di suo pugno, che procura di ri-<lb/> tirar il Marchese dall’impresa, con persuaderlo a posar l’armi,<lb/> promettendo di voler esser al certo alli 12 a Linz.</hi> Wenigſtens<lb/> ſieht man, was man am Hofe glaubte.</note> Noch von<lb/> Schweinfurt aus, am 27ſten März, hat er die Bitte um<lb/> die Loslaſſung des Landgrafen erneuert, unter dem Vorge-<lb/> ben, daß er ſich ſonſt in das Gefängniß der Kinder deſſel-<lb/> ben einſtellen müſſe. Und doch vereinigte er in dieſem Au-<lb/> genblicke ſchon ſein Heer mit dem Kriegshaufen eben dieſer<lb/> jungen Landgrafen, durch alle denkbaren Verträge gebunden,<lb/> dem Kaiſer ſelber zu Leibe zu gehn.</p><lb/> <p>Der Kaiſer glaubte wohl, als die Sache ernſter ward,<lb/> es ſey auf nichts anders abgeſehen als eben auf die Be-<lb/> freiung des Landgrafen. Er ließ ſich ganz trotzig verneh-<lb/> men, er werde den Leib deſſelben in zwei Theile zerlegen<lb/><note xml:id="seg2pn_13_2" prev="#seg2pn_13_1" place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">il abandonneroit son service, mais que la pluspart de sa noblesse<lb/> feroit le meme.</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [236/0248]
Neuntes Buch. Sechstes Capitel.
curatoren nach Trient, ſeine Theologen auf den Weg dahin
geſchickt? In Roſenheim am Inn hielten ſich zwei ſäch-
ſiſche Räthe auf in der feſten Meinung, ihren Herrn, der
auch wirklich eine Strecke in entſprechender Richtung vor-
wärts reiſte, zu erwarten. Der Kaiſer hielt für gewiß, der
Churfürſt werde kommen: hätte er etwas anderes im Sinn,
das wäre von einem deutſchen Fürſten nie erhört. Noch
am 28ſten Februar ſchrieb er dem Churfürſten von Bran-
denburg, er verſehe ſich zu Moritz alles Gehorſams, guten
und geneigten Willens. Aber einen größeren Meiſter in der
Verſtellung hat es wohl kaum je gegeben als Moritz war.
Keiner von ſeinen alten Räthen, Carlowitz ſo wenig wie die
andern, hatten Kunde von ſeinen Entwürfen. 1 Noch von
Schweinfurt aus, am 27ſten März, hat er die Bitte um
die Loslaſſung des Landgrafen erneuert, unter dem Vorge-
ben, daß er ſich ſonſt in das Gefängniß der Kinder deſſel-
ben einſtellen müſſe. Und doch vereinigte er in dieſem Au-
genblicke ſchon ſein Heer mit dem Kriegshaufen eben dieſer
jungen Landgrafen, durch alle denkbaren Verträge gebunden,
dem Kaiſer ſelber zu Leibe zu gehn.
Der Kaiſer glaubte wohl, als die Sache ernſter ward,
es ſey auf nichts anders abgeſehen als eben auf die Be-
freiung des Landgrafen. Er ließ ſich ganz trotzig verneh-
men, er werde den Leib deſſelben in zwei Theile zerlegen
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1 Ob es wohl Grund hat, was der florentiniſche Geſandte be-
richtet: Il duca Mauritio scrive di suo pugno, che procura di ri-
tirar il Marchese dall’impresa, con persuaderlo a posar l’armi,
promettendo di voler esser al certo alli 12 a Linz. Wenigſtens
ſieht man, was man am Hofe glaubte.
1 il abandonneroit son service, mais que la pluspart de sa noblesse
feroit le meme.
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