Vor allem gährte es in Siena. Von jeher gibellinisch und kaiserlich gesinnt, wollte doch diese Stadt sich die un- mittelbare Herrschaft nicht gefallen lassen, die der Kaiser aus- zuüben unternahm. Schon ein paar Mal hatte sie sich der- selben zu entziehen gesucht, aber den ersten Versuch hatte sie durch die Aufnahme einer Besatzung, den zweiten durch Ablieferung aller Waffen gebüßt. Dann hatte Mendoza eine Festung daselbst aufgeführt. Die Wölfin, das altrömische Abzeichen der Stadt, fand man eines Tages in Ketten ge- legt. Es läßt sich wohl nicht bezweifeln, daß der Kaiser die Absicht hatte eine feste Regierung einzuführen und die Stadt zum Sitz eines Reichsvicariats zu machen. 1 Aber um so ge- waltiger brauste der alte Geist republicanischer Unabhängig- keit in Reden und Entwürfen: es bedurfte nichts als der An- näherung einiger Ausgewanderten und Franzosen und des al- ten Rufes zur Freiheit, so erhob sich die ganze Bevölkerung; die Spanier, welche darauf nicht vorbereitet waren, konnten ihr Castell nicht behaupten und wurden verjagt; die Stadt nahm einen französischen Botschafter auf und rief den Kö- nig von Frankreich zu Hülfe. Cardinal Tournon versichert dem König, Siena gehöre ihm mehr an als wenn er Herr davon wäre, und biete ihm nun die beste Gelegenheit dar, zur Unternehmung von Neapel zu schreiten, oder zu jeder an- dern die ihm gefalle. 2
Mit einiger Hülfe des Herzogs Cosimo von Florenz, der zwar von einer Festsetzung der Franzosen in Toscana,
1 In einem Schreiben vom 18 Nov. 1551 spricht er sehr ru- hig von der "buena occasion, que se ofrece, para justificar lo del vicariato y establecer alli un governo perpetuo."
2 Bei Ribier II, 424.
Zehntes Buch. Zweites Capitel.
Vor allem gährte es in Siena. Von jeher gibelliniſch und kaiſerlich geſinnt, wollte doch dieſe Stadt ſich die un- mittelbare Herrſchaft nicht gefallen laſſen, die der Kaiſer aus- zuüben unternahm. Schon ein paar Mal hatte ſie ſich der- ſelben zu entziehen geſucht, aber den erſten Verſuch hatte ſie durch die Aufnahme einer Beſatzung, den zweiten durch Ablieferung aller Waffen gebüßt. Dann hatte Mendoza eine Feſtung daſelbſt aufgeführt. Die Wölfin, das altrömiſche Abzeichen der Stadt, fand man eines Tages in Ketten ge- legt. Es läßt ſich wohl nicht bezweifeln, daß der Kaiſer die Abſicht hatte eine feſte Regierung einzuführen und die Stadt zum Sitz eines Reichsvicariats zu machen. 1 Aber um ſo ge- waltiger brauſte der alte Geiſt republicaniſcher Unabhängig- keit in Reden und Entwürfen: es bedurfte nichts als der An- näherung einiger Ausgewanderten und Franzoſen und des al- ten Rufes zur Freiheit, ſo erhob ſich die ganze Bevölkerung; die Spanier, welche darauf nicht vorbereitet waren, konnten ihr Caſtell nicht behaupten und wurden verjagt; die Stadt nahm einen franzöſiſchen Botſchafter auf und rief den Kö- nig von Frankreich zu Hülfe. Cardinal Tournon verſichert dem König, Siena gehöre ihm mehr an als wenn er Herr davon wäre, und biete ihm nun die beſte Gelegenheit dar, zur Unternehmung von Neapel zu ſchreiten, oder zu jeder an- dern die ihm gefalle. 2
Mit einiger Hülfe des Herzogs Coſimo von Florenz, der zwar von einer Feſtſetzung der Franzoſen in Toscana,
1 In einem Schreiben vom 18 Nov. 1551 ſpricht er ſehr ru- hig von der „buena occasion, que se ofrece, para justificar lo del vicariato y establecer alli un governo perpetuo.“
2 Bei Ribier II, 424.
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Zehntes Buch. Zweites Capitel.
Vor allem gährte es in Siena. Von jeher gibelliniſch
und kaiſerlich geſinnt, wollte doch dieſe Stadt ſich die un-
mittelbare Herrſchaft nicht gefallen laſſen, die der Kaiſer aus-
zuüben unternahm. Schon ein paar Mal hatte ſie ſich der-
ſelben zu entziehen geſucht, aber den erſten Verſuch hatte
ſie durch die Aufnahme einer Beſatzung, den zweiten durch
Ablieferung aller Waffen gebüßt. Dann hatte Mendoza eine
Feſtung daſelbſt aufgeführt. Die Wölfin, das altrömiſche
Abzeichen der Stadt, fand man eines Tages in Ketten ge-
legt. Es läßt ſich wohl nicht bezweifeln, daß der Kaiſer die
Abſicht hatte eine feſte Regierung einzuführen und die Stadt
zum Sitz eines Reichsvicariats zu machen. 1 Aber um ſo ge-
waltiger brauſte der alte Geiſt republicaniſcher Unabhängig-
keit in Reden und Entwürfen: es bedurfte nichts als der An-
näherung einiger Ausgewanderten und Franzoſen und des al-
ten Rufes zur Freiheit, ſo erhob ſich die ganze Bevölkerung;
die Spanier, welche darauf nicht vorbereitet waren, konnten
ihr Caſtell nicht behaupten und wurden verjagt; die Stadt
nahm einen franzöſiſchen Botſchafter auf und rief den Kö-
nig von Frankreich zu Hülfe. Cardinal Tournon verſichert
dem König, Siena gehöre ihm mehr an als wenn er Herr
davon wäre, und biete ihm nun die beſte Gelegenheit dar,
zur Unternehmung von Neapel zu ſchreiten, oder zu jeder an-
dern die ihm gefalle. 2
Mit einiger Hülfe des Herzogs Coſimo von Florenz,
der zwar von einer Feſtſetzung der Franzoſen in Toscana,
1 In einem Schreiben vom 18 Nov. 1551 ſpricht er ſehr ru-
hig von der „buena occasion, que se ofrece, para justificar lo
del vicariato y establecer alli un governo perpetuo.“
2 Bei Ribier II, 424.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 296. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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