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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Drittes Capitel.
grafen zu gewinnen. Der Kaiser wunderte sich, daß man
die Bischöfe von Würzburg und Bamberg, die er einem ober-
deutschen Verein vorzubehalten wünschte, in diesen mehr nie-
derdeutschen Bund aufnehmen wolle, dagegen Johann Fried-
drich von Sachsen, der dahin gehöre, davon ausschließe. An-
dre machten andre Einwendungen. 1 Eigentlich waren nur der
König, der Churfürst, die beiden Bischöfe, Herzog Heinrich
und etwa der Graf von Plauen einzutreten bereit, alles Geg-
ner des Markgrafen, diese aber waren auch ohne Bund ein-
verstanden, und schon allein mächtig genug.

Ohne Zweifel hatte der Markgraf zu fürchten, in Fran-
ken in Kurzem von allen Seiten, von Böhmen und Meißen,
von dem anrückenden Kriegsvolk Heinrichs und neuen Streit-
kräften der Stadt Nürnberg angegriffen zu werden. Er faßte
den seiner Natur sehr entsprechenden Entschluß, dieß nicht
zu erwarten, sondern vielmehr dem vornehmsten Feinde, der
jetzt allein gerüstet war, dem Herzog von Braunschweig, sel-
ber zu Leibe zu gehn und sich nach Niedersachsen zu werfen.

Was ihn dazu vermochte, war die sichere Aussicht, dort
Verbündete zu finden. Die Mutter Erichs von Calenberg,
geborne Markgräfin von Brandenburg, damals in zweiter

1 Nach Bucholtz VII, 124 wäre der Bund doch zu Stande gekom-
men: Sonnabend nach Cantate. Im Archiv zu Berlin findet sich aber
ein mit allen Siegeln versehener Abschied, worin es heißt: "Dieweil etz-
liche von uns, den Gesandten, mit vollkommenem Befelch nicht versehen
gewest und etzliche vorstehender unsicherheit halber sich auf die punct,
so in handelung unvorsehenlich vorgefallen, bei iren herrn und obern
notturftiges beschaits nit haben erholen mögen, als hatt der schluß
dieser handellung unumbgehenlich auff ein andere Zusammenkunft mus-
sen verschoben werden." Ein ausführlicher Entwurf ward auch dem
Kaiser mitgetheilt. Die nächste Zusammenkunft sollte 24 Juli seyn.

Zehntes Buch. Drittes Capitel.
grafen zu gewinnen. Der Kaiſer wunderte ſich, daß man
die Biſchöfe von Würzburg und Bamberg, die er einem ober-
deutſchen Verein vorzubehalten wünſchte, in dieſen mehr nie-
derdeutſchen Bund aufnehmen wolle, dagegen Johann Fried-
drich von Sachſen, der dahin gehöre, davon ausſchließe. An-
dre machten andre Einwendungen. 1 Eigentlich waren nur der
König, der Churfürſt, die beiden Biſchöfe, Herzog Heinrich
und etwa der Graf von Plauen einzutreten bereit, alles Geg-
ner des Markgrafen, dieſe aber waren auch ohne Bund ein-
verſtanden, und ſchon allein mächtig genug.

Ohne Zweifel hatte der Markgraf zu fürchten, in Fran-
ken in Kurzem von allen Seiten, von Böhmen und Meißen,
von dem anrückenden Kriegsvolk Heinrichs und neuen Streit-
kräften der Stadt Nürnberg angegriffen zu werden. Er faßte
den ſeiner Natur ſehr entſprechenden Entſchluß, dieß nicht
zu erwarten, ſondern vielmehr dem vornehmſten Feinde, der
jetzt allein gerüſtet war, dem Herzog von Braunſchweig, ſel-
ber zu Leibe zu gehn und ſich nach Niederſachſen zu werfen.

Was ihn dazu vermochte, war die ſichere Ausſicht, dort
Verbündete zu finden. Die Mutter Erichs von Calenberg,
geborne Markgräfin von Brandenburg, damals in zweiter

1 Nach Bucholtz VII, 124 waͤre der Bund doch zu Stande gekom-
men: Sonnabend nach Cantate. Im Archiv zu Berlin findet ſich aber
ein mit allen Siegeln verſehener Abſchied, worin es heißt: „Dieweil etz-
liche von uns, den Geſandten, mit vollkommenem Befelch nicht verſehen
geweſt und etzliche vorſtehender unſicherheit halber ſich auf die punct,
ſo in handelung unvorſehenlich vorgefallen, bei iren herrn und obern
notturftiges beſchaits nit haben erholen moͤgen, als hatt der ſchluß
dieſer handellung unumbgehenlich auff ein andere Zuſammenkunft muſ-
ſen verſchoben werden.“ Ein ausfuͤhrlicher Entwurf ward auch dem
Kaiſer mitgetheilt. Die naͤchſte Zuſammenkunft ſollte 24 Juli ſeyn.
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[314/0326] Zehntes Buch. Drittes Capitel. grafen zu gewinnen. Der Kaiſer wunderte ſich, daß man die Biſchöfe von Würzburg und Bamberg, die er einem ober- deutſchen Verein vorzubehalten wünſchte, in dieſen mehr nie- derdeutſchen Bund aufnehmen wolle, dagegen Johann Fried- drich von Sachſen, der dahin gehöre, davon ausſchließe. An- dre machten andre Einwendungen. 1 Eigentlich waren nur der König, der Churfürſt, die beiden Biſchöfe, Herzog Heinrich und etwa der Graf von Plauen einzutreten bereit, alles Geg- ner des Markgrafen, dieſe aber waren auch ohne Bund ein- verſtanden, und ſchon allein mächtig genug. Ohne Zweifel hatte der Markgraf zu fürchten, in Fran- ken in Kurzem von allen Seiten, von Böhmen und Meißen, von dem anrückenden Kriegsvolk Heinrichs und neuen Streit- kräften der Stadt Nürnberg angegriffen zu werden. Er faßte den ſeiner Natur ſehr entſprechenden Entſchluß, dieß nicht zu erwarten, ſondern vielmehr dem vornehmſten Feinde, der jetzt allein gerüſtet war, dem Herzog von Braunſchweig, ſel- ber zu Leibe zu gehn und ſich nach Niederſachſen zu werfen. Was ihn dazu vermochte, war die ſichere Ausſicht, dort Verbündete zu finden. Die Mutter Erichs von Calenberg, geborne Markgräfin von Brandenburg, damals in zweiter 1 Nach Bucholtz VII, 124 waͤre der Bund doch zu Stande gekom- men: Sonnabend nach Cantate. Im Archiv zu Berlin findet ſich aber ein mit allen Siegeln verſehener Abſchied, worin es heißt: „Dieweil etz- liche von uns, den Geſandten, mit vollkommenem Befelch nicht verſehen geweſt und etzliche vorſtehender unſicherheit halber ſich auf die punct, ſo in handelung unvorſehenlich vorgefallen, bei iren herrn und obern notturftiges beſchaits nit haben erholen moͤgen, als hatt der ſchluß dieſer handellung unumbgehenlich auff ein andere Zuſammenkunft muſ- ſen verſchoben werden.“ Ein ausfuͤhrlicher Entwurf ward auch dem Kaiſer mitgetheilt. Die naͤchſte Zuſammenkunft ſollte 24 Juli ſeyn.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/326>, abgerufen am 22.11.2024.