Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Zehntes Buch. Drittes Capitel.
ser ihren Tendenzen zuweilen versteckt, zuweilen ganz offen
Widerstand leistete, jener Zwiespalt zwischen weltlichem Ge-
horsam und religiöser Überzeugung, dessen wir oben gedach-
ten, in welchem die Geister, aufs neue zu eigener Entschei-
dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zersetzt oder we-
nigstens geprüft wurden.

Von Albrecht sollte es zwar scheinen, als habe ihn
die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh
in der Gesellschaft martialischer Kriegshauptleute, welche die
ihnen entgegenwachsende kräftige Natur des jungen Fürsten
an sich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht
Achilles, von dessen weidlichen Thaten man seine jugend-
liche Aufmerksamkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn
des tapfern Markgrafen Casimir, sich entschließen können,
an der kleinen Hofhaltung zu Neustadt an der Aisch spar-
same Wirthschaft zu führen und die Schulden seiner Väter
abzutragen. Sobald sein Alter es zuließ, finden wir ihn bei
den Kriegszügen des Kaisers. Er ficht so gut gegen die
protestantischen Fürsten, wie gegen die Franzosen. In ei-
ner Eingabe an den Kaiser soll er sich wieder als gut ka-
tholisch bezeichnet haben.

Wer aber glauben wollte daß er sich hiebei beruhigt
hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli-
sche Lehre in diesen Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter-
weisung eines guten Lehrers, 1 die er in erster Jugend ge-
noß, hatte ihren Samen tief in seine Seele gesenkt.


1 Arnoldus, Vita Mauritii, bei Mencken II, 1252: a tene-
ris annis literarum studiis informatus - - Leuthinger p. 106: in
literis, artibus et evangelii doctrina.
Opsopäus, ein guter Philolog,
war sein erster Lehrer.

Zehntes Buch. Drittes Capitel.
ſer ihren Tendenzen zuweilen verſteckt, zuweilen ganz offen
Widerſtand leiſtete, jener Zwieſpalt zwiſchen weltlichem Ge-
horſam und religiöſer Überzeugung, deſſen wir oben gedach-
ten, in welchem die Geiſter, aufs neue zu eigener Entſchei-
dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zerſetzt oder we-
nigſtens geprüft wurden.

Von Albrecht ſollte es zwar ſcheinen, als habe ihn
die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh
in der Geſellſchaft martialiſcher Kriegshauptleute, welche die
ihnen entgegenwachſende kräftige Natur des jungen Fürſten
an ſich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht
Achilles, von deſſen weidlichen Thaten man ſeine jugend-
liche Aufmerkſamkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn
des tapfern Markgrafen Caſimir, ſich entſchließen können,
an der kleinen Hofhaltung zu Neuſtadt an der Aiſch ſpar-
ſame Wirthſchaft zu führen und die Schulden ſeiner Väter
abzutragen. Sobald ſein Alter es zuließ, finden wir ihn bei
den Kriegszügen des Kaiſers. Er ficht ſo gut gegen die
proteſtantiſchen Fürſten, wie gegen die Franzoſen. In ei-
ner Eingabe an den Kaiſer ſoll er ſich wieder als gut ka-
tholiſch bezeichnet haben.

Wer aber glauben wollte daß er ſich hiebei beruhigt
hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli-
ſche Lehre in dieſen Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter-
weiſung eines guten Lehrers, 1 die er in erſter Jugend ge-
noß, hatte ihren Samen tief in ſeine Seele geſenkt.


1 Arnoldus, Vita Mauritii, bei Mencken II, 1252: a tene-
ris annis literarum studiis informatus ‒ ‒ Leuthinger p. 106: in
literis, artibus et evangelii doctrina.
Opſopaͤus, ein guter Philolog,
war ſein erſter Lehrer.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0328" n="316"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zehntes Buch. Drittes Capitel</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;er ihren Tendenzen zuweilen ver&#x017F;teckt, zuweilen ganz offen<lb/>
Wider&#x017F;tand lei&#x017F;tete, jener Zwie&#x017F;palt zwi&#x017F;chen weltlichem Ge-<lb/>
hor&#x017F;am und religiö&#x017F;er Überzeugung, de&#x017F;&#x017F;en wir oben gedach-<lb/>
ten, in welchem die Gei&#x017F;ter, aufs neue zu eigener Ent&#x017F;chei-<lb/>
dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zer&#x017F;etzt oder we-<lb/>
nig&#x017F;tens geprüft wurden.</p><lb/>
          <p>Von Albrecht &#x017F;ollte es zwar &#x017F;cheinen, als habe ihn<lb/>
die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh<lb/>
in der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft martiali&#x017F;cher Kriegshauptleute, welche die<lb/>
ihnen entgegenwach&#x017F;ende kräftige Natur des jungen Für&#x017F;ten<lb/>
an &#x017F;ich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht<lb/>
Achilles, von de&#x017F;&#x017F;en weidlichen Thaten man &#x017F;eine jugend-<lb/>
liche Aufmerk&#x017F;amkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn<lb/>
des tapfern Markgrafen Ca&#x017F;imir, &#x017F;ich ent&#x017F;chließen können,<lb/>
an der kleinen Hofhaltung zu Neu&#x017F;tadt an der Ai&#x017F;ch &#x017F;par-<lb/>
&#x017F;ame Wirth&#x017F;chaft zu führen und die Schulden &#x017F;einer Väter<lb/>
abzutragen. Sobald &#x017F;ein Alter es zuließ, finden wir ihn bei<lb/>
den Kriegszügen des Kai&#x017F;ers. Er ficht &#x017F;o gut gegen die<lb/>
prote&#x017F;tanti&#x017F;chen Für&#x017F;ten, wie gegen die Franzo&#x017F;en. In ei-<lb/>
ner Eingabe an den Kai&#x017F;er &#x017F;oll er &#x017F;ich wieder als gut ka-<lb/>
tholi&#x017F;ch bezeichnet haben.</p><lb/>
          <p>Wer aber glauben wollte daß er &#x017F;ich hiebei beruhigt<lb/>
hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli-<lb/>
&#x017F;che Lehre in die&#x017F;en Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter-<lb/>
wei&#x017F;ung eines guten Lehrers, <note place="foot" n="1"><hi rendition="#aq">Arnoldus, Vita Mauritii,</hi> bei Mencken <hi rendition="#aq">II, 1252: a tene-<lb/>
ris annis literarum studiis informatus &#x2012; &#x2012; Leuthinger p. 106: in<lb/>
literis, artibus et evangelii doctrina.</hi> Op&#x017F;opa&#x0364;us, ein guter Philolog,<lb/>
war &#x017F;ein er&#x017F;ter Lehrer.</note> die er in er&#x017F;ter Jugend ge-<lb/>
noß, hatte ihren Samen tief in &#x017F;eine Seele ge&#x017F;enkt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0328] Zehntes Buch. Drittes Capitel. ſer ihren Tendenzen zuweilen verſteckt, zuweilen ganz offen Widerſtand leiſtete, jener Zwieſpalt zwiſchen weltlichem Ge- horſam und religiöſer Überzeugung, deſſen wir oben gedach- ten, in welchem die Geiſter, aufs neue zu eigener Entſchei- dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zerſetzt oder we- nigſtens geprüft wurden. Von Albrecht ſollte es zwar ſcheinen, als habe ihn die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh in der Geſellſchaft martialiſcher Kriegshauptleute, welche die ihnen entgegenwachſende kräftige Natur des jungen Fürſten an ſich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht Achilles, von deſſen weidlichen Thaten man ſeine jugend- liche Aufmerkſamkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn des tapfern Markgrafen Caſimir, ſich entſchließen können, an der kleinen Hofhaltung zu Neuſtadt an der Aiſch ſpar- ſame Wirthſchaft zu führen und die Schulden ſeiner Väter abzutragen. Sobald ſein Alter es zuließ, finden wir ihn bei den Kriegszügen des Kaiſers. Er ficht ſo gut gegen die proteſtantiſchen Fürſten, wie gegen die Franzoſen. In ei- ner Eingabe an den Kaiſer ſoll er ſich wieder als gut ka- tholiſch bezeichnet haben. Wer aber glauben wollte daß er ſich hiebei beruhigt hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli- ſche Lehre in dieſen Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter- weiſung eines guten Lehrers, 1 die er in erſter Jugend ge- noß, hatte ihren Samen tief in ſeine Seele geſenkt. 1 Arnoldus, Vita Mauritii, bei Mencken II, 1252: a tene- ris annis literarum studiis informatus ‒ ‒ Leuthinger p. 106: in literis, artibus et evangelii doctrina. Opſopaͤus, ein guter Philolog, war ſein erſter Lehrer.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/328
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/328>, abgerufen am 22.11.2024.