ser ihren Tendenzen zuweilen versteckt, zuweilen ganz offen Widerstand leistete, jener Zwiespalt zwischen weltlichem Ge- horsam und religiöser Überzeugung, dessen wir oben gedach- ten, in welchem die Geister, aufs neue zu eigener Entschei- dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zersetzt oder we- nigstens geprüft wurden.
Von Albrecht sollte es zwar scheinen, als habe ihn die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh in der Gesellschaft martialischer Kriegshauptleute, welche die ihnen entgegenwachsende kräftige Natur des jungen Fürsten an sich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht Achilles, von dessen weidlichen Thaten man seine jugend- liche Aufmerksamkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn des tapfern Markgrafen Casimir, sich entschließen können, an der kleinen Hofhaltung zu Neustadt an der Aisch spar- same Wirthschaft zu führen und die Schulden seiner Väter abzutragen. Sobald sein Alter es zuließ, finden wir ihn bei den Kriegszügen des Kaisers. Er ficht so gut gegen die protestantischen Fürsten, wie gegen die Franzosen. In ei- ner Eingabe an den Kaiser soll er sich wieder als gut ka- tholisch bezeichnet haben.
Wer aber glauben wollte daß er sich hiebei beruhigt hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli- sche Lehre in diesen Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter- weisung eines guten Lehrers, 1 die er in erster Jugend ge- noß, hatte ihren Samen tief in seine Seele gesenkt.
1Arnoldus, Vita Mauritii, bei Mencken II, 1252: a tene- ris annis literarum studiis informatus - - Leuthinger p. 106: in literis, artibus et evangelii doctrina. Opsopäus, ein guter Philolog, war sein erster Lehrer.
Zehntes Buch. Drittes Capitel.
ſer ihren Tendenzen zuweilen verſteckt, zuweilen ganz offen Widerſtand leiſtete, jener Zwieſpalt zwiſchen weltlichem Ge- horſam und religiöſer Überzeugung, deſſen wir oben gedach- ten, in welchem die Geiſter, aufs neue zu eigener Entſchei- dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zerſetzt oder we- nigſtens geprüft wurden.
Von Albrecht ſollte es zwar ſcheinen, als habe ihn die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh in der Geſellſchaft martialiſcher Kriegshauptleute, welche die ihnen entgegenwachſende kräftige Natur des jungen Fürſten an ſich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht Achilles, von deſſen weidlichen Thaten man ſeine jugend- liche Aufmerkſamkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn des tapfern Markgrafen Caſimir, ſich entſchließen können, an der kleinen Hofhaltung zu Neuſtadt an der Aiſch ſpar- ſame Wirthſchaft zu führen und die Schulden ſeiner Väter abzutragen. Sobald ſein Alter es zuließ, finden wir ihn bei den Kriegszügen des Kaiſers. Er ficht ſo gut gegen die proteſtantiſchen Fürſten, wie gegen die Franzoſen. In ei- ner Eingabe an den Kaiſer ſoll er ſich wieder als gut ka- tholiſch bezeichnet haben.
Wer aber glauben wollte daß er ſich hiebei beruhigt hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli- ſche Lehre in dieſen Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter- weiſung eines guten Lehrers, 1 die er in erſter Jugend ge- noß, hatte ihren Samen tief in ſeine Seele geſenkt.
1Arnoldus, Vita Mauritii, bei Mencken II, 1252: a tene- ris annis literarum studiis informatus ‒ ‒ Leuthinger p. 106: in literis, artibus et evangelii doctrina. Opſopaͤus, ein guter Philolog, war ſein erſter Lehrer.
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Zehntes Buch. Drittes Capitel.
ſer ihren Tendenzen zuweilen verſteckt, zuweilen ganz offen
Widerſtand leiſtete, jener Zwieſpalt zwiſchen weltlichem Ge-
horſam und religiöſer Überzeugung, deſſen wir oben gedach-
ten, in welchem die Geiſter, aufs neue zu eigener Entſchei-
dung und Wahl aufgerufen, entwickelt oder zerſetzt oder we-
nigſtens geprüft wurden.
Von Albrecht ſollte es zwar ſcheinen, als habe ihn
die Religion nur wenig gekümmert. Wir finden ihn früh
in der Geſellſchaft martialiſcher Kriegshauptleute, welche die
ihnen entgegenwachſende kräftige Natur des jungen Fürſten
an ſich zogen. Wie hätte auch ein Nachkomme des Albrecht
Achilles, von deſſen weidlichen Thaten man ſeine jugend-
liche Aufmerkſamkeit oft unterhalten haben wird, der Sohn
des tapfern Markgrafen Caſimir, ſich entſchließen können,
an der kleinen Hofhaltung zu Neuſtadt an der Aiſch ſpar-
ſame Wirthſchaft zu führen und die Schulden ſeiner Väter
abzutragen. Sobald ſein Alter es zuließ, finden wir ihn bei
den Kriegszügen des Kaiſers. Er ficht ſo gut gegen die
proteſtantiſchen Fürſten, wie gegen die Franzoſen. In ei-
ner Eingabe an den Kaiſer ſoll er ſich wieder als gut ka-
tholiſch bezeichnet haben.
Wer aber glauben wollte daß er ſich hiebei beruhigt
hätte, würde die Kraft verkennen, mit welcher die evangeli-
ſche Lehre in dieſen Zeiten die Gemüther ergriff. Die Unter-
weiſung eines guten Lehrers, 1 die er in erſter Jugend ge-
noß, hatte ihren Samen tief in ſeine Seele geſenkt.
1 Arnoldus, Vita Mauritii, bei Mencken II, 1252: a tene-
ris annis literarum studiis informatus ‒ ‒ Leuthinger p. 106: in
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war ſein erſter Lehrer.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/328>, abgerufen am 01.07.2024.
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