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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
seinem Kriege mit Frankreich zuletzt der Schwächere geblieben,
so daß der Einfluß der Franzosen in Lothringen überwog, und
die Grenzlande der französischen Zunge, die so viele Jahrhun-
derte hindurch behauptet worden, geradezu verloren giengen.
Wohl gelang es König Philipp dem II, kurz darauf das
Gleichgewicht zwischen beiden Mächten herzustellen; Frank-
reich mußte sich entschließen alle seine Eroberungen heraus-
zugeben; nur die behielt es, die es über das Reich gemacht.
Die Eidgenossenschaft und Böhmen mit seinen Nebenlanden,
obwohl Glieder des Reiches, waren niemals in die Kreise
desselben eingezogen. Wie hätte man daran denken können,
die im funfzehnten Jahrhundert von Polen losgerissenen preu-
ßischen Landschaften wieder herbeizubringen? In dem Über-
reste derselben, dem östlichen Ordenslande, hatte man das
einzige Mittel, eine gewisse Selbständigkeit für bessere Zei-
ten zu retten, darin gesehen daß man sich unter einem erb-
lichen Fürsten der polnischen Krone freiwillig anschloß. Daß
die Liefländer sich nicht zu einem ähnlichen Schritte ver-
einigen konnten, mußte bald ihre völlige Entfremdung zur
Folge haben.

Der vornehmste Grund von alle dem lag darin, daß
die Begriffe von Kaiser und Reich nicht mehr in einander auf-
giengen. Wir bemerkten oft, daß gerade der Kaiser, selbst im
Zenith seiner Macht, die sorgfältigsten Vorkehrungen traf,
seine Erblande von den Einwirkungen des Reiches zu be-
freien. Dagegen wollten auch die Stände nicht zu einem
Anhang der großentheils auf fremdartigen Weltverhältnissen
beruhenden kaiserlichen Macht werden. Während in allen
benachbarten Ländern die erbliche Gewalt fortschritt und zu

Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
ſeinem Kriege mit Frankreich zuletzt der Schwächere geblieben,
ſo daß der Einfluß der Franzoſen in Lothringen überwog, und
die Grenzlande der franzöſiſchen Zunge, die ſo viele Jahrhun-
derte hindurch behauptet worden, geradezu verloren giengen.
Wohl gelang es König Philipp dem II, kurz darauf das
Gleichgewicht zwiſchen beiden Mächten herzuſtellen; Frank-
reich mußte ſich entſchließen alle ſeine Eroberungen heraus-
zugeben; nur die behielt es, die es über das Reich gemacht.
Die Eidgenoſſenſchaft und Böhmen mit ſeinen Nebenlanden,
obwohl Glieder des Reiches, waren niemals in die Kreiſe
deſſelben eingezogen. Wie hätte man daran denken können,
die im funfzehnten Jahrhundert von Polen losgeriſſenen preu-
ßiſchen Landſchaften wieder herbeizubringen? In dem Über-
reſte derſelben, dem öſtlichen Ordenslande, hatte man das
einzige Mittel, eine gewiſſe Selbſtändigkeit für beſſere Zei-
ten zu retten, darin geſehen daß man ſich unter einem erb-
lichen Fürſten der polniſchen Krone freiwillig anſchloß. Daß
die Liefländer ſich nicht zu einem ähnlichen Schritte ver-
einigen konnten, mußte bald ihre völlige Entfremdung zur
Folge haben.

Der vornehmſte Grund von alle dem lag darin, daß
die Begriffe von Kaiſer und Reich nicht mehr in einander auf-
giengen. Wir bemerkten oft, daß gerade der Kaiſer, ſelbſt im
Zenith ſeiner Macht, die ſorgfältigſten Vorkehrungen traf,
ſeine Erblande von den Einwirkungen des Reiches zu be-
freien. Dagegen wollten auch die Stände nicht zu einem
Anhang der großentheils auf fremdartigen Weltverhältniſſen
beruhenden kaiſerlichen Macht werden. Während in allen
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[428/0440] Zehntes Buch. Siebentes Capitel. ſeinem Kriege mit Frankreich zuletzt der Schwächere geblieben, ſo daß der Einfluß der Franzoſen in Lothringen überwog, und die Grenzlande der franzöſiſchen Zunge, die ſo viele Jahrhun- derte hindurch behauptet worden, geradezu verloren giengen. Wohl gelang es König Philipp dem II, kurz darauf das Gleichgewicht zwiſchen beiden Mächten herzuſtellen; Frank- reich mußte ſich entſchließen alle ſeine Eroberungen heraus- zugeben; nur die behielt es, die es über das Reich gemacht. Die Eidgenoſſenſchaft und Böhmen mit ſeinen Nebenlanden, obwohl Glieder des Reiches, waren niemals in die Kreiſe deſſelben eingezogen. Wie hätte man daran denken können, die im funfzehnten Jahrhundert von Polen losgeriſſenen preu- ßiſchen Landſchaften wieder herbeizubringen? In dem Über- reſte derſelben, dem öſtlichen Ordenslande, hatte man das einzige Mittel, eine gewiſſe Selbſtändigkeit für beſſere Zei- ten zu retten, darin geſehen daß man ſich unter einem erb- lichen Fürſten der polniſchen Krone freiwillig anſchloß. Daß die Liefländer ſich nicht zu einem ähnlichen Schritte ver- einigen konnten, mußte bald ihre völlige Entfremdung zur Folge haben. Der vornehmſte Grund von alle dem lag darin, daß die Begriffe von Kaiſer und Reich nicht mehr in einander auf- giengen. Wir bemerkten oft, daß gerade der Kaiſer, ſelbſt im Zenith ſeiner Macht, die ſorgfältigſten Vorkehrungen traf, ſeine Erblande von den Einwirkungen des Reiches zu be- freien. Dagegen wollten auch die Stände nicht zu einem Anhang der großentheils auf fremdartigen Weltverhältniſſen beruhenden kaiſerlichen Macht werden. Während in allen benachbarten Ländern die erbliche Gewalt fortſchritt und zu

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/440>, abgerufen am 24.11.2024.