Und ein noch wichtigerer Rechtshandel war indeß von König Ferdinand anhängig gemacht. Er erhob Anspruch auf Würtenberg, weil Herzog Ulrich den Vertrag von Ca- dan, auf welchem sein Recht beruhe, durch seine Theilnahme an dem schmalkaldischen Kriege gebrochen habe. Im Fe- bruar ward ein Gericht aus den kaiserlichen Räthen Seld, Haas, Viglius, Veltwyk unter dem Präsidium des neuen Erzbischofs von Cölln zusammengesetzt, welche bald eine so entschiedene Hinneigung zu Gunsten des Königs kund ga- den, daß die Anwälte von Würtenberg sich nur noch auf das unverwirkte Recht des jungen Herzog Christoph bezie- hen zu können glaubten. 1
Einen andern Proceß, der seit 20 Jahren schwebte, zwi- schen Nassau und Hessen, hielt der Kaiser für gut endlich zu entscheiden. Am 5ten August, nachdem der Reichstag be- reits beendigt war, saß er in seinem Pallast zu offener Au- dienz auf seinem Stuhl; die Procuratoren beider Parteien erschienen vor ihm: die nassauischen baten um Eröffnung des Urtheils, die hessischen auch wegen der Gefangenschaft des Landgrafen um ferneren Verzug; der Kaiser antwortete dadurch, daß er seinen Protonotar herbeirief und ihm anbefahl, das Urtel, das er ihm zugleich übergab, bekannt zu machen. Ein großer Theil der bisher von Hessen behaupteten streiti- gen Pfandschaften, Nutzungen und Gebiete, darunter halb Darmstadt, ward dem Grafen von Nassau zuerkannt, der nun wirklich, wenigstens auf einige Zeit, in Besitz gelangte. 2
Nicht so entschieden trat der Kaiser in der preußischen
1 Sattler III, 269.
2 Arnoldi Gesch. von Nassau III, 1, 130. Sastrow II, 563.
Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
Und ein noch wichtigerer Rechtshandel war indeß von König Ferdinand anhängig gemacht. Er erhob Anſpruch auf Würtenberg, weil Herzog Ulrich den Vertrag von Ca- dan, auf welchem ſein Recht beruhe, durch ſeine Theilnahme an dem ſchmalkaldiſchen Kriege gebrochen habe. Im Fe- bruar ward ein Gericht aus den kaiſerlichen Räthen Seld, Haas, Viglius, Veltwyk unter dem Präſidium des neuen Erzbiſchofs von Cölln zuſammengeſetzt, welche bald eine ſo entſchiedene Hinneigung zu Gunſten des Königs kund ga- den, daß die Anwälte von Würtenberg ſich nur noch auf das unverwirkte Recht des jungen Herzog Chriſtoph bezie- hen zu können glaubten. 1
Einen andern Proceß, der ſeit 20 Jahren ſchwebte, zwi- ſchen Naſſau und Heſſen, hielt der Kaiſer für gut endlich zu entſcheiden. Am 5ten Auguſt, nachdem der Reichstag be- reits beendigt war, ſaß er in ſeinem Pallaſt zu offener Au- dienz auf ſeinem Stuhl; die Procuratoren beider Parteien erſchienen vor ihm: die naſſauiſchen baten um Eröffnung des Urtheils, die heſſiſchen auch wegen der Gefangenſchaft des Landgrafen um ferneren Verzug; der Kaiſer antwortete dadurch, daß er ſeinen Protonotar herbeirief und ihm anbefahl, das Urtel, das er ihm zugleich übergab, bekannt zu machen. Ein großer Theil der bisher von Heſſen behaupteten ſtreiti- gen Pfandſchaften, Nutzungen und Gebiete, darunter halb Darmſtadt, ward dem Grafen von Naſſau zuerkannt, der nun wirklich, wenigſtens auf einige Zeit, in Beſitz gelangte. 2
Nicht ſo entſchieden trat der Kaiſer in der preußiſchen
1 Sattler III, 269.
2 Arnoldi Geſch. von Naſſau III, 1, 130. Saſtrow II, 563.
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Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
Und ein noch wichtigerer Rechtshandel war indeß von
König Ferdinand anhängig gemacht. Er erhob Anſpruch
auf Würtenberg, weil Herzog Ulrich den Vertrag von Ca-
dan, auf welchem ſein Recht beruhe, durch ſeine Theilnahme
an dem ſchmalkaldiſchen Kriege gebrochen habe. Im Fe-
bruar ward ein Gericht aus den kaiſerlichen Räthen Seld,
Haas, Viglius, Veltwyk unter dem Präſidium des neuen
Erzbiſchofs von Cölln zuſammengeſetzt, welche bald eine ſo
entſchiedene Hinneigung zu Gunſten des Königs kund ga-
den, daß die Anwälte von Würtenberg ſich nur noch auf
das unverwirkte Recht des jungen Herzog Chriſtoph bezie-
hen zu können glaubten. 1
Einen andern Proceß, der ſeit 20 Jahren ſchwebte, zwi-
ſchen Naſſau und Heſſen, hielt der Kaiſer für gut endlich
zu entſcheiden. Am 5ten Auguſt, nachdem der Reichstag be-
reits beendigt war, ſaß er in ſeinem Pallaſt zu offener Au-
dienz auf ſeinem Stuhl; die Procuratoren beider Parteien
erſchienen vor ihm: die naſſauiſchen baten um Eröffnung
des Urtheils, die heſſiſchen auch wegen der Gefangenſchaft
des Landgrafen um ferneren Verzug; der Kaiſer antwortete
dadurch, daß er ſeinen Protonotar herbeirief und ihm anbefahl,
das Urtel, das er ihm zugleich übergab, bekannt zu machen.
Ein großer Theil der bisher von Heſſen behaupteten ſtreiti-
gen Pfandſchaften, Nutzungen und Gebiete, darunter halb
Darmſtadt, ward dem Grafen von Naſſau zuerkannt, der nun
wirklich, wenigſtens auf einige Zeit, in Beſitz gelangte. 2
Nicht ſo entſchieden trat der Kaiſer in der preußiſchen
1 Sattler III, 269.
2 Arnoldi Geſch. von Naſſau III, 1, 130. Saſtrow II, 563.
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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