Theologie zu beweisen sucht. Sein Sinn ist, daß Christi Leiden und Sterben, auf das man gleichwohl allein zu trauen habe, durch den Glauben ergriffen, den Leib der Sünde in uns zerstöre und allmählig den alten Menschen tödte: eben wie Major die innere Nothwendigkeit der guten Werke be- hauptete, nicht die äußere.
Man wird nicht leugnen, daß diese Ansichten von ho- her Wichtigkeit, einer weiteren Ausbildung höchst würdig wa- ren: wie sie denn auch gleich damals nicht ohne Rückwir- kung blieben; 1 aber durchdringen konnten sie nicht, schon darum nicht, weil sie wenigstens das Ansehen hatten als näherten sie sich dem in Trident ergriffenen System: zu einer Zeit wo nach kurzem Vermittelungsversuch das Prin- zip der Absonderung und des Gegensatzes wieder die Ober- hand gewonnen hatte. Man wollte keine Annäherung mehr, weil dadurch diesseit nur Schwanken und Entzweiung, jenseit Bestärkung und neue Umgriffe veranlaßt würden. Melanch- thon selbst verwarf die Ausdrucksweise Majors, weil es doch scheinen könne, als werde den Werken Verdienst zuge- schrieben, 2 und Major mußte sie endlich fallen lassen. Auch die Osiandristen unterlagen, wiewohl sie mächtige Unterstützung gefunden hatten. Aber der strenger orthodoxen Partei, die hier den Sieg behalten, wurde darum doch nicht gestattet ihr Prinzip zu weit auszudehnen. Übertreibende Behauptun-
1 Osiander selbst behauptet dieß: Widerlegung der ungegrund- ten undienstlichen Antwort Philippi Melanthonis: "warumb hat er aber solchs in allen seinen Püchern nie gelehrt, noch bekennet, bis ichs ihm in diesem 1551 jar mit der h. schrift abgedrungen hab."
2 Vgl. s. Brief an die Nordhauser 13 Jan. 1555. Er gab nur zu, die Werke seyen nöthig: nicht aber "nöthig zur Seligkeit."
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
Theologie zu beweiſen ſucht. Sein Sinn iſt, daß Chriſti Leiden und Sterben, auf das man gleichwohl allein zu trauen habe, durch den Glauben ergriffen, den Leib der Sünde in uns zerſtöre und allmählig den alten Menſchen tödte: eben wie Major die innere Nothwendigkeit der guten Werke be- hauptete, nicht die äußere.
Man wird nicht leugnen, daß dieſe Anſichten von ho- her Wichtigkeit, einer weiteren Ausbildung höchſt würdig wa- ren: wie ſie denn auch gleich damals nicht ohne Rückwir- kung blieben; 1 aber durchdringen konnten ſie nicht, ſchon darum nicht, weil ſie wenigſtens das Anſehen hatten als näherten ſie ſich dem in Trident ergriffenen Syſtem: zu einer Zeit wo nach kurzem Vermittelungsverſuch das Prin- zip der Abſonderung und des Gegenſatzes wieder die Ober- hand gewonnen hatte. Man wollte keine Annäherung mehr, weil dadurch dieſſeit nur Schwanken und Entzweiung, jenſeit Beſtärkung und neue Umgriffe veranlaßt würden. Melanch- thon ſelbſt verwarf die Ausdrucksweiſe Majors, weil es doch ſcheinen könne, als werde den Werken Verdienſt zuge- ſchrieben, 2 und Major mußte ſie endlich fallen laſſen. Auch die Oſiandriſten unterlagen, wiewohl ſie mächtige Unterſtützung gefunden hatten. Aber der ſtrenger orthodoxen Partei, die hier den Sieg behalten, wurde darum doch nicht geſtattet ihr Prinzip zu weit auszudehnen. Übertreibende Behauptun-
1 Oſiander ſelbſt behauptet dieß: Widerlegung der ungegrund- ten undienſtlichen Antwort Philippi Melanthonis: „warumb hat er aber ſolchs in allen ſeinen Puͤchern nie gelehrt, noch bekennet, bis ichs ihm in dieſem 1551 jar mit der h. ſchrift abgedrungen hab.“
2 Vgl. ſ. Brief an die Nordhauſer 13 Jan. 1555. Er gab nur zu, die Werke ſeyen noͤthig: nicht aber „noͤthig zur Seligkeit.“
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Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
Theologie zu beweiſen ſucht. Sein Sinn iſt, daß Chriſti
Leiden und Sterben, auf das man gleichwohl allein zu trauen
habe, durch den Glauben ergriffen, den Leib der Sünde in
uns zerſtöre und allmählig den alten Menſchen tödte: eben
wie Major die innere Nothwendigkeit der guten Werke be-
hauptete, nicht die äußere.
Man wird nicht leugnen, daß dieſe Anſichten von ho-
her Wichtigkeit, einer weiteren Ausbildung höchſt würdig wa-
ren: wie ſie denn auch gleich damals nicht ohne Rückwir-
kung blieben; 1 aber durchdringen konnten ſie nicht, ſchon
darum nicht, weil ſie wenigſtens das Anſehen hatten als
näherten ſie ſich dem in Trident ergriffenen Syſtem: zu
einer Zeit wo nach kurzem Vermittelungsverſuch das Prin-
zip der Abſonderung und des Gegenſatzes wieder die Ober-
hand gewonnen hatte. Man wollte keine Annäherung mehr,
weil dadurch dieſſeit nur Schwanken und Entzweiung, jenſeit
Beſtärkung und neue Umgriffe veranlaßt würden. Melanch-
thon ſelbſt verwarf die Ausdrucksweiſe Majors, weil es
doch ſcheinen könne, als werde den Werken Verdienſt zuge-
ſchrieben, 2 und Major mußte ſie endlich fallen laſſen. Auch
die Oſiandriſten unterlagen, wiewohl ſie mächtige Unterſtützung
gefunden hatten. Aber der ſtrenger orthodoxen Partei, die
hier den Sieg behalten, wurde darum doch nicht geſtattet
ihr Prinzip zu weit auszudehnen. Übertreibende Behauptun-
1 Oſiander ſelbſt behauptet dieß: Widerlegung der ungegrund-
ten undienſtlichen Antwort Philippi Melanthonis: „warumb hat er
aber ſolchs in allen ſeinen Puͤchern nie gelehrt, noch bekennet, bis
ichs ihm in dieſem 1551 jar mit der h. ſchrift abgedrungen hab.“
2 Vgl. ſ. Brief an die Nordhauſer 13 Jan. 1555. Er gab
nur zu, die Werke ſeyen noͤthig: nicht aber „noͤthig zur Seligkeit.“
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 450. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/462>, abgerufen am 22.06.2024.
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