danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das doch wohl nicht schlechthin in Abrede stellen. Bei einer Zusam- menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde, hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl sie noch nicht zu vollem Verständniß gelangt waren, das offenbare Übergewicht. 1 Und wie Viele gab es, die das Verdächtig- machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln, welches jetzt überhand nahm, auf das ernstlichste mißbillig- ten. Es wäre schon ein unendlicher Gewinn gewesen, über- haupt die Form einer allgemeinen Verfassung aufzustellen.
Indessen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, so wie die damit doch auch unleugbar verbundene Gefahr, schreck- ten von seiner Ausführung zurück. Brenz sagte wohl: "ja wenn unter den Fürsten ein Constantin lebte, oder unter den Gelehrten ein Luther!" Melanchthon urtheilte, die Sache müsse erst unter den einzelnen Fürsten vorbereitet werden, man müsse der Einigkeit im Voraus gewiß seyn, ehe man sie unternehme.
Berathung unter den vorwaltenden Fürsten war wirklich das einzige Mittel das man zur Beilegung der Irrungen ergriff.
Und Diese waren nun, in der Epoche in der wir stehn, sehr friedfertig gesinnt.
Wir berührten wie sie sich beim Abschluß des Reli- gionsfriedens nicht zu Bestimmungen fortreißen ließen die den Zwiespalt zwischen ihnen selber hätten entzünden können.
Bei jener merkwürdigen Zusammenkunft vom J. 1558 zogen sie neben den Reichsangelegenheiten auch die Religions-
1 Vgl. das Schreiben eines Flacianers de conventu Franco- ford. 1557 bei Salig III, 276 Note.
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das doch wohl nicht ſchlechthin in Abrede ſtellen. Bei einer Zuſam- menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde, hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl ſie noch nicht zu vollem Verſtändniß gelangt waren, das offenbare Übergewicht. 1 Und wie Viele gab es, die das Verdächtig- machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln, welches jetzt überhand nahm, auf das ernſtlichſte mißbillig- ten. Es wäre ſchon ein unendlicher Gewinn geweſen, über- haupt die Form einer allgemeinen Verfaſſung aufzuſtellen.
Indeſſen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, ſo wie die damit doch auch unleugbar verbundene Gefahr, ſchreck- ten von ſeiner Ausführung zurück. Brenz ſagte wohl: „ja wenn unter den Fürſten ein Conſtantin lebte, oder unter den Gelehrten ein Luther!“ Melanchthon urtheilte, die Sache müſſe erſt unter den einzelnen Fürſten vorbereitet werden, man müſſe der Einigkeit im Voraus gewiß ſeyn, ehe man ſie unternehme.
Berathung unter den vorwaltenden Fürſten war wirklich das einzige Mittel das man zur Beilegung der Irrungen ergriff.
Und Dieſe waren nun, in der Epoche in der wir ſtehn, ſehr friedfertig geſinnt.
Wir berührten wie ſie ſich beim Abſchluß des Reli- gionsfriedens nicht zu Beſtimmungen fortreißen ließen die den Zwieſpalt zwiſchen ihnen ſelber hätten entzünden können.
Bei jener merkwürdigen Zuſammenkunft vom J. 1558 zogen ſie neben den Reichsangelegenheiten auch die Religions-
1 Vgl. das Schreiben eines Flacianers de conventu Franco- ford. 1557 bei Salig III, 276 Note.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0472"n="460"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Zehntes Buch. Siebentes Capitel</hi>.</fw><lb/>
danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das doch<lb/>
wohl nicht ſchlechthin in Abrede ſtellen. Bei einer Zuſam-<lb/>
menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde,<lb/>
hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl ſie noch<lb/>
nicht zu vollem Verſtändniß gelangt waren, das offenbare<lb/>
Übergewicht. <noteplace="foot"n="1">Vgl. das Schreiben eines Flacianers <hirendition="#aq">de conventu Franco-<lb/>
ford.</hi> 1557 bei Salig <hirendition="#aq">III,</hi> 276 Note.</note> Und wie Viele gab es, die das Verdächtig-<lb/>
machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln,<lb/>
welches jetzt überhand nahm, auf das ernſtlichſte mißbillig-<lb/>
ten. Es wäre ſchon ein unendlicher Gewinn geweſen, über-<lb/>
haupt die Form einer allgemeinen Verfaſſung aufzuſtellen.</p><lb/><p>Indeſſen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, ſo wie<lb/>
die damit doch auch unleugbar verbundene Gefahr, ſchreck-<lb/>
ten von ſeiner Ausführung zurück. Brenz ſagte wohl: „ja<lb/>
wenn unter den Fürſten ein Conſtantin lebte, oder unter den<lb/>
Gelehrten ein Luther!“ Melanchthon urtheilte, die Sache<lb/>
müſſe erſt unter den einzelnen Fürſten vorbereitet werden,<lb/>
man müſſe der Einigkeit im Voraus gewiß ſeyn, ehe man<lb/>ſie unternehme.</p><lb/><p>Berathung unter den vorwaltenden Fürſten war wirklich<lb/>
das einzige Mittel das man zur Beilegung der Irrungen ergriff.</p><lb/><p>Und Dieſe waren nun, in der Epoche in der wir ſtehn,<lb/>ſehr friedfertig geſinnt.</p><lb/><p>Wir berührten wie ſie ſich beim Abſchluß des Reli-<lb/>
gionsfriedens nicht zu Beſtimmungen fortreißen ließen die<lb/>
den Zwieſpalt zwiſchen ihnen ſelber hätten entzünden können.</p><lb/><p>Bei jener merkwürdigen Zuſammenkunft vom J. 1558<lb/>
zogen ſie neben den Reichsangelegenheiten auch die Religions-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[460/0472]
Zehntes Buch. Siebentes Capitel.
danken die Oberhand bekommen hätte? man dürfte das doch
wohl nicht ſchlechthin in Abrede ſtellen. Bei einer Zuſam-
menkunft, die im Jahr 1557 zu Frankfurt gehalten wurde,
hatten doch die gemäßigteren Tendenzen, wiewohl ſie noch
nicht zu vollem Verſtändniß gelangt waren, das offenbare
Übergewicht. 1 Und wie Viele gab es, die das Verdächtig-
machen alter Ehrenmänner, das Schelten auf den Kanzeln,
welches jetzt überhand nahm, auf das ernſtlichſte mißbillig-
ten. Es wäre ſchon ein unendlicher Gewinn geweſen, über-
haupt die Form einer allgemeinen Verfaſſung aufzuſtellen.
Indeſſen das Ungewohnte, Neue des Gedankens, ſo wie
die damit doch auch unleugbar verbundene Gefahr, ſchreck-
ten von ſeiner Ausführung zurück. Brenz ſagte wohl: „ja
wenn unter den Fürſten ein Conſtantin lebte, oder unter den
Gelehrten ein Luther!“ Melanchthon urtheilte, die Sache
müſſe erſt unter den einzelnen Fürſten vorbereitet werden,
man müſſe der Einigkeit im Voraus gewiß ſeyn, ehe man
ſie unternehme.
Berathung unter den vorwaltenden Fürſten war wirklich
das einzige Mittel das man zur Beilegung der Irrungen ergriff.
Und Dieſe waren nun, in der Epoche in der wir ſtehn,
ſehr friedfertig geſinnt.
Wir berührten wie ſie ſich beim Abſchluß des Reli-
gionsfriedens nicht zu Beſtimmungen fortreißen ließen die
den Zwieſpalt zwiſchen ihnen ſelber hätten entzünden können.
Bei jener merkwürdigen Zuſammenkunft vom J. 1558
zogen ſie neben den Reichsangelegenheiten auch die Religions-
1 Vgl. das Schreiben eines Flacianers de conventu Franco-
ford. 1557 bei Salig III, 276 Note.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/472>, abgerufen am 21.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.