Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Neuntes Buch. Erstes Capitel.
nicht durch die eine oder die andre Sache von dem Wohl-
wollen des Kaisers abhängig gewesen wäre. 1

Daher kam es eben daß alles sich beugte, alles ge-
horchte. Es war einmal wieder ein Oberhaupt von durch-
greifender Macht in Deutschland, und Jedermann fühlte daß
ein solches da war.

Das Interim.

Zur Entwickelung dieser reichsoberhauptlichen Macht ge-
hört es nun recht eigen und wird davon bedingt, daß der
Kaiser es unternehmen konnte, auch in den religiösen Ange-
legenheiten Maaß zu geben.

Im Anfang der Versammlung, als die altgläubig ge-
sinnte Partei sich so zahlreich und stark sah, ward wohl ein
Gedanke laut, der auch dem Kaiser einmal früher in den
Sinn gekommen, ob es nicht das Beste sey, die Religion in
den früheren Stand wiederherzustellen. Der Beichtvater hielt
die Sache noch immer für nothwendig und die Umstände für
günstig. Er meinte wohl: vor allem müsse man die lutheri-
sche Predigt verbieten, ihr unbedingt ein Ende machen: möge
dann das Volk glauben was es wolle; fürs Erste komme
es nur auf die Erneuerung des alten Ritus und die Her-
stellung der Kirchengüter an. 2 Er drückte die Tendenz der
kirchlichen Restauration aus, welche dem Kaiser vom südli-

1 Protocoll bei Bucholtz IX, 447.
2 Disp. fiorentino 19 Nov. 1547: Il confessore et altri theo-
logi sono in oppenione che si rimetta in Alemagna il culto di-
vino, creda ogn'uno cio che vuole, restituischinsi i beni eccle-
siastici et tolgasi via la predicatione luterana, fomento di tutte
eresie.

Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
nicht durch die eine oder die andre Sache von dem Wohl-
wollen des Kaiſers abhängig geweſen wäre. 1

Daher kam es eben daß alles ſich beugte, alles ge-
horchte. Es war einmal wieder ein Oberhaupt von durch-
greifender Macht in Deutſchland, und Jedermann fühlte daß
ein ſolches da war.

Das Interim.

Zur Entwickelung dieſer reichsoberhauptlichen Macht ge-
hört es nun recht eigen und wird davon bedingt, daß der
Kaiſer es unternehmen konnte, auch in den religiöſen Ange-
legenheiten Maaß zu geben.

Im Anfang der Verſammlung, als die altgläubig ge-
ſinnte Partei ſich ſo zahlreich und ſtark ſah, ward wohl ein
Gedanke laut, der auch dem Kaiſer einmal früher in den
Sinn gekommen, ob es nicht das Beſte ſey, die Religion in
den früheren Stand wiederherzuſtellen. Der Beichtvater hielt
die Sache noch immer für nothwendig und die Umſtände für
günſtig. Er meinte wohl: vor allem müſſe man die lutheri-
ſche Predigt verbieten, ihr unbedingt ein Ende machen: möge
dann das Volk glauben was es wolle; fürs Erſte komme
es nur auf die Erneuerung des alten Ritus und die Her-
ſtellung der Kirchengüter an. 2 Er drückte die Tendenz der
kirchlichen Reſtauration aus, welche dem Kaiſer vom ſüdli-

1 Protocoll bei Bucholtz IX, 447.
2 Disp. fiorentino 19 Nov. 1547: Il confessore et altri theo-
logi sono in oppenione che si rimetta in Alemagna il culto di-
vino, creda ogn’uno cio che vuole, restituischinsi i beni eccle-
siastici et tolgasi via la predicatione luterana, fomento di tutte
eresie.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0048" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Neuntes Buch. Er&#x017F;tes Capitel</hi>.</fw><lb/>
nicht durch die eine oder die andre Sache von dem Wohl-<lb/>
wollen des Kai&#x017F;ers abhängig gewe&#x017F;en wäre. <note place="foot" n="1">Protocoll bei Bucholtz <hi rendition="#aq">IX,</hi> 447.</note></p><lb/>
            <p>Daher kam es eben daß alles &#x017F;ich beugte, alles ge-<lb/>
horchte. Es war einmal wieder ein Oberhaupt von durch-<lb/>
greifender Macht in Deut&#x017F;chland, und Jedermann fühlte daß<lb/>
ein &#x017F;olches da war.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Das Interim.</head><lb/>
            <p>Zur Entwickelung die&#x017F;er reichsoberhauptlichen Macht ge-<lb/>
hört es nun recht eigen und wird davon bedingt, daß der<lb/>
Kai&#x017F;er es unternehmen konnte, auch in den religiö&#x017F;en Ange-<lb/>
legenheiten Maaß zu geben.</p><lb/>
            <p>Im Anfang der Ver&#x017F;ammlung, als die altgläubig ge-<lb/>
&#x017F;innte Partei &#x017F;ich &#x017F;o zahlreich und &#x017F;tark &#x017F;ah, ward wohl ein<lb/>
Gedanke laut, der auch dem Kai&#x017F;er einmal früher in den<lb/>
Sinn gekommen, ob es nicht das Be&#x017F;te &#x017F;ey, die Religion in<lb/>
den früheren Stand wiederherzu&#x017F;tellen. Der Beichtvater hielt<lb/>
die Sache noch immer für nothwendig und die Um&#x017F;tände für<lb/>
gün&#x017F;tig. Er meinte wohl: vor allem mü&#x017F;&#x017F;e man die lutheri-<lb/>
&#x017F;che Predigt verbieten, ihr unbedingt ein Ende machen: möge<lb/>
dann das Volk glauben was es wolle; fürs Er&#x017F;te komme<lb/>
es nur auf die Erneuerung des alten Ritus und die Her-<lb/>
&#x017F;tellung der Kirchengüter an. <note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">Disp. fiorentino 19 Nov. 1547: Il confessore et altri theo-<lb/>
logi sono in oppenione che si rimetta in Alemagna il culto di-<lb/>
vino, creda ogn&#x2019;uno cio che vuole, restituischinsi i beni eccle-<lb/>
siastici et tolgasi via la predicatione luterana, fomento di tutte<lb/>
eresie.</hi></note> Er drückte die Tendenz der<lb/>
kirchlichen Re&#x017F;tauration aus, welche dem Kai&#x017F;er vom &#x017F;üdli-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[36/0048] Neuntes Buch. Erſtes Capitel. nicht durch die eine oder die andre Sache von dem Wohl- wollen des Kaiſers abhängig geweſen wäre. 1 Daher kam es eben daß alles ſich beugte, alles ge- horchte. Es war einmal wieder ein Oberhaupt von durch- greifender Macht in Deutſchland, und Jedermann fühlte daß ein ſolches da war. Das Interim. Zur Entwickelung dieſer reichsoberhauptlichen Macht ge- hört es nun recht eigen und wird davon bedingt, daß der Kaiſer es unternehmen konnte, auch in den religiöſen Ange- legenheiten Maaß zu geben. Im Anfang der Verſammlung, als die altgläubig ge- ſinnte Partei ſich ſo zahlreich und ſtark ſah, ward wohl ein Gedanke laut, der auch dem Kaiſer einmal früher in den Sinn gekommen, ob es nicht das Beſte ſey, die Religion in den früheren Stand wiederherzuſtellen. Der Beichtvater hielt die Sache noch immer für nothwendig und die Umſtände für günſtig. Er meinte wohl: vor allem müſſe man die lutheri- ſche Predigt verbieten, ihr unbedingt ein Ende machen: möge dann das Volk glauben was es wolle; fürs Erſte komme es nur auf die Erneuerung des alten Ritus und die Her- ſtellung der Kirchengüter an. 2 Er drückte die Tendenz der kirchlichen Reſtauration aus, welche dem Kaiſer vom ſüdli- 1 Protocoll bei Bucholtz IX, 447. 2 Disp. fiorentino 19 Nov. 1547: Il confessore et altri theo- logi sono in oppenione che si rimetta in Alemagna il culto di- vino, creda ogn’uno cio che vuole, restituischinsi i beni eccle- siastici et tolgasi via la predicatione luterana, fomento di tutte eresie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/48
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/48>, abgerufen am 21.11.2024.