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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Zehntes Buch. Achtes Capitel.
Abschrift von einer Collation jener Handschrift benutzen konnte,
die einst Politian an dem Rand eines Exemplars der Vul-
gata verzeichnet hatte. Auch von den Novellen, die bisher
nur in der sogenannten Authentica vorhanden waren, gro-
ßentheils übersetzt und unvollständig, fand er dort Gele-
genheit die Abschrift eines Manuscriptes 1 zu copiren, das
bei manchen Lücken und Mängeln die es hatte, doch die
originale Grundlage eines neuen Studiums darbot. Mit
diesen Hülfsmitteln erschien Haloander im J. 1528 zu Nürn-
berg, wo ihm der protestantische Abt des Ägidienklosters
freundliche Aufnahme und der Rath eine nicht unbedeutende
Geldunterstützung gewährte, so daß er ohne persönliche Sorge
unverweilt zur Herausgabe schreiten konnte. Haloander hat
nach dem Urtheil der kundigsten Männer, wie Savignys,
bei der Arbeit historische Gelehrsamkeit und kritisches Ta-
lent gezeigt. Bei den Pandecten wußte er sich der politia-
nischen Collation, die an sich sehr unzureichend und über-
dieß durch den ersten Abschreiber 2 hie und da gröblich miß-
verstanden war, doch so geschickt zu bedienen, daß er damit
eine große Menge Fehler weggeschafft hat; es gelang ihm
Stellen klar zu machen, deren Sinn man vorher nicht ein-
mal zu errathen vermochte. Dem Codex der Constitutionen
gab er seine zwölf Bücher wieder; er spricht seine Genug-
thuung aus, wie viel Lücken er ausfüllen, wie viel Wunden
er habe heilen können. In den Jahren 1529 bis 1531

1 Daß dieß die florentinische Handschrift war, ist von Biener,
Geschichte der Novellen Justinians p. 560 f., nachgewiesen.
2 Ludovicus Bologninus; an einem schlagenden Beispiel zeigt
dieß v. Savigny, Geschichte des Römischen Rechtes im Mittelalter
VI, p. 319.

Zehntes Buch. Achtes Capitel.
Abſchrift von einer Collation jener Handſchrift benutzen konnte,
die einſt Politian an dem Rand eines Exemplars der Vul-
gata verzeichnet hatte. Auch von den Novellen, die bisher
nur in der ſogenannten Authentica vorhanden waren, gro-
ßentheils überſetzt und unvollſtändig, fand er dort Gele-
genheit die Abſchrift eines Manuſcriptes 1 zu copiren, das
bei manchen Lücken und Mängeln die es hatte, doch die
originale Grundlage eines neuen Studiums darbot. Mit
dieſen Hülfsmitteln erſchien Haloander im J. 1528 zu Nürn-
berg, wo ihm der proteſtantiſche Abt des Ägidienkloſters
freundliche Aufnahme und der Rath eine nicht unbedeutende
Geldunterſtützung gewährte, ſo daß er ohne perſönliche Sorge
unverweilt zur Herausgabe ſchreiten konnte. Haloander hat
nach dem Urtheil der kundigſten Männer, wie Savignys,
bei der Arbeit hiſtoriſche Gelehrſamkeit und kritiſches Ta-
lent gezeigt. Bei den Pandecten wußte er ſich der politia-
niſchen Collation, die an ſich ſehr unzureichend und über-
dieß durch den erſten Abſchreiber 2 hie und da gröblich miß-
verſtanden war, doch ſo geſchickt zu bedienen, daß er damit
eine große Menge Fehler weggeſchafft hat; es gelang ihm
Stellen klar zu machen, deren Sinn man vorher nicht ein-
mal zu errathen vermochte. Dem Codex der Conſtitutionen
gab er ſeine zwölf Bücher wieder; er ſpricht ſeine Genug-
thuung aus, wie viel Lücken er ausfüllen, wie viel Wunden
er habe heilen können. In den Jahren 1529 bis 1531

1 Daß dieß die florentiniſche Handſchrift war, iſt von Biener,
Geſchichte der Novellen Juſtinians p. 560 f., nachgewieſen.
2 Ludovicus Bologninus; an einem ſchlagenden Beiſpiel zeigt
dieß v. Savigny, Geſchichte des Roͤmiſchen Rechtes im Mittelalter
VI, p. 319.
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[472/0484] Zehntes Buch. Achtes Capitel. Abſchrift von einer Collation jener Handſchrift benutzen konnte, die einſt Politian an dem Rand eines Exemplars der Vul- gata verzeichnet hatte. Auch von den Novellen, die bisher nur in der ſogenannten Authentica vorhanden waren, gro- ßentheils überſetzt und unvollſtändig, fand er dort Gele- genheit die Abſchrift eines Manuſcriptes 1 zu copiren, das bei manchen Lücken und Mängeln die es hatte, doch die originale Grundlage eines neuen Studiums darbot. Mit dieſen Hülfsmitteln erſchien Haloander im J. 1528 zu Nürn- berg, wo ihm der proteſtantiſche Abt des Ägidienkloſters freundliche Aufnahme und der Rath eine nicht unbedeutende Geldunterſtützung gewährte, ſo daß er ohne perſönliche Sorge unverweilt zur Herausgabe ſchreiten konnte. Haloander hat nach dem Urtheil der kundigſten Männer, wie Savignys, bei der Arbeit hiſtoriſche Gelehrſamkeit und kritiſches Ta- lent gezeigt. Bei den Pandecten wußte er ſich der politia- niſchen Collation, die an ſich ſehr unzureichend und über- dieß durch den erſten Abſchreiber 2 hie und da gröblich miß- verſtanden war, doch ſo geſchickt zu bedienen, daß er damit eine große Menge Fehler weggeſchafft hat; es gelang ihm Stellen klar zu machen, deren Sinn man vorher nicht ein- mal zu errathen vermochte. Dem Codex der Conſtitutionen gab er ſeine zwölf Bücher wieder; er ſpricht ſeine Genug- thuung aus, wie viel Lücken er ausfüllen, wie viel Wunden er habe heilen können. In den Jahren 1529 bis 1531 1 Daß dieß die florentiniſche Handſchrift war, iſt von Biener, Geſchichte der Novellen Juſtinians p. 560 f., nachgewieſen. 2 Ludovicus Bologninus; an einem ſchlagenden Beiſpiel zeigt dieß v. Savigny, Geſchichte des Roͤmiſchen Rechtes im Mittelalter VI, p. 319.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/484>, abgerufen am 22.11.2024.