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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Astronomie. (Copernicus.)
das was sie ist, in dem Verhältniß eines Punctes zum Gan-
zen: auf das gewaltigste durchbrach er die Welt des Scheines.

In diesem Gedanken aber, der aller Anschauung, in der
sich die Menschen bewegen, zuwiderläuft, liegt etwas, was
den Urheber desselben wohl bedenklich machen konnte ihn
zu äußern. Copernicus meinte fast, es sey das Beste wenn
er wie Pythagoras seine Lehre nur mündlich fortpflanze.

Es gereicht der Schule von Wittenberg zur Ehre, daß
einer ihrer jungen Professoren, Rhäticus, durch das Gerücht
in Kenntniß gesetzt, sich zu Copernicus begab, der Welt die
erste sichere Nachricht über die Entdeckung mittheilte, und
wirklich den Druck des von dem Autor beinahe bei Seite
gelegten Werkes veranlaßt hat.

Den Vorwurf dürfte man überhaupt der Wittenberger
Schule damaliger Zeit nicht machen, daß ihre Theologie sie ab-
gehalten hätte sich auch mit andern Wissenschaften zu beschäfti-
gen. Wir finden die eifrigsten Theologen, wie Wigand zu Eis-
leben, die benachbarten Berge durchstreifen um die Wunder
Gottes in den seltenen Kräutern zu schauen; Michael Nean-
der zu Ilfeld verband mit der Kräuterkunde selbst medici-
nische Einsichten: er wird als der Chiron des Harzes geprie-
sen; Johann Mathesius besaß eine treffliche Kenntniß der
Metalle und Erdgewächse. In hohem Ansehen bei seinem
Leben und unvergänglichem Gedächtniß nach seinem Tode
stand Caspar Cruciger, Professor der Theologie, den aber phy-
sikalische und besonders mathematisch-astronomische Einsich-
ten persönlich fast noch mehr auszeichneten. 1

Melanchthon, der sich immer in lebendiger Theilnahme

1 Laudes Crucigeri im Corp. Ref. VII, 223.

Aſtronomie. (Copernicus.)
das was ſie iſt, in dem Verhältniß eines Punctes zum Gan-
zen: auf das gewaltigſte durchbrach er die Welt des Scheines.

In dieſem Gedanken aber, der aller Anſchauung, in der
ſich die Menſchen bewegen, zuwiderläuft, liegt etwas, was
den Urheber deſſelben wohl bedenklich machen konnte ihn
zu äußern. Copernicus meinte faſt, es ſey das Beſte wenn
er wie Pythagoras ſeine Lehre nur mündlich fortpflanze.

Es gereicht der Schule von Wittenberg zur Ehre, daß
einer ihrer jungen Profeſſoren, Rhäticus, durch das Gerücht
in Kenntniß geſetzt, ſich zu Copernicus begab, der Welt die
erſte ſichere Nachricht über die Entdeckung mittheilte, und
wirklich den Druck des von dem Autor beinahe bei Seite
gelegten Werkes veranlaßt hat.

Den Vorwurf dürfte man überhaupt der Wittenberger
Schule damaliger Zeit nicht machen, daß ihre Theologie ſie ab-
gehalten hätte ſich auch mit andern Wiſſenſchaften zu beſchäfti-
gen. Wir finden die eifrigſten Theologen, wie Wigand zu Eis-
leben, die benachbarten Berge durchſtreifen um die Wunder
Gottes in den ſeltenen Kräutern zu ſchauen; Michael Nean-
der zu Ilfeld verband mit der Kräuterkunde ſelbſt medici-
niſche Einſichten: er wird als der Chiron des Harzes geprie-
ſen; Johann Matheſius beſaß eine treffliche Kenntniß der
Metalle und Erdgewächſe. In hohem Anſehen bei ſeinem
Leben und unvergänglichem Gedächtniß nach ſeinem Tode
ſtand Caſpar Cruciger, Profeſſor der Theologie, den aber phy-
ſikaliſche und beſonders mathematiſch-aſtronomiſche Einſich-
ten perſönlich faſt noch mehr auszeichneten. 1

Melanchthon, der ſich immer in lebendiger Theilnahme

1 Laudes Crucigeri im Corp. Ref. VII, 223.
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[487/0499] Aſtronomie. (Copernicus.) das was ſie iſt, in dem Verhältniß eines Punctes zum Gan- zen: auf das gewaltigſte durchbrach er die Welt des Scheines. In dieſem Gedanken aber, der aller Anſchauung, in der ſich die Menſchen bewegen, zuwiderläuft, liegt etwas, was den Urheber deſſelben wohl bedenklich machen konnte ihn zu äußern. Copernicus meinte faſt, es ſey das Beſte wenn er wie Pythagoras ſeine Lehre nur mündlich fortpflanze. Es gereicht der Schule von Wittenberg zur Ehre, daß einer ihrer jungen Profeſſoren, Rhäticus, durch das Gerücht in Kenntniß geſetzt, ſich zu Copernicus begab, der Welt die erſte ſichere Nachricht über die Entdeckung mittheilte, und wirklich den Druck des von dem Autor beinahe bei Seite gelegten Werkes veranlaßt hat. Den Vorwurf dürfte man überhaupt der Wittenberger Schule damaliger Zeit nicht machen, daß ihre Theologie ſie ab- gehalten hätte ſich auch mit andern Wiſſenſchaften zu beſchäfti- gen. Wir finden die eifrigſten Theologen, wie Wigand zu Eis- leben, die benachbarten Berge durchſtreifen um die Wunder Gottes in den ſeltenen Kräutern zu ſchauen; Michael Nean- der zu Ilfeld verband mit der Kräuterkunde ſelbſt medici- niſche Einſichten: er wird als der Chiron des Harzes geprie- ſen; Johann Matheſius beſaß eine treffliche Kenntniß der Metalle und Erdgewächſe. In hohem Anſehen bei ſeinem Leben und unvergänglichem Gedächtniß nach ſeinem Tode ſtand Caſpar Cruciger, Profeſſor der Theologie, den aber phy- ſikaliſche und beſonders mathematiſch-aſtronomiſche Einſich- ten perſönlich faſt noch mehr auszeichneten. 1 Melanchthon, der ſich immer in lebendiger Theilnahme 1 Laudes Crucigeri im Corp. Ref. VII, 223.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/499>, abgerufen am 22.11.2024.