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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Das Interim.
setzte zugleich fest, daß Gott den Menschen gerecht mache,
nicht aus dessen Werken, sondern nach seiner Barmherzig-
keit: lauter umsonst, ohne sein Verdienst: daß sich ein Je-
der immer an Christi Verdienst zu halten habe. Wie sich
beides mit einander vereinigen lasse, war freilich eine andre
Frage: man hütete sich aber wohl darauf einzugehn: man
hätte fürchten müssen die Zwistigkeit damit wieder zu erneuern:
und war sehr zufrieden eine Satzung gefunden zu haben,
welche das als das vornehmste betrachtete Dogma der Pro-
testanten gelten ließ.

Und noch mehr konnte man sich ihnen in dem Artikel
von der Messe nähern, über den in Trient noch nichts be-
schlossen war. Julius Pflug gab zu, daß darin lange Zeit
ein hochbeschwerlicher Mißverstand geherrscht habe: er ließ
den Begriff von dem Sühnopfer, der darnach dennoch fest-
gehalten worden ist, fallen: indem er den Ausdruck Opfer
festhielt, verstand er darunter doch nur ein Gedenkopfer, ein
Dankopfer, wie sie in dem alten Testament vorbildlich be-
standen und Christus sie erneuert. In diesem Sinn ist der
Artikel abgefaßt. Durch das Blutopfer am Kreuz habe Chri-
stus die Versöhnung erworben; das Dankopfer sey nicht
dazu eingesetzt, damit wir dadurch Vergebung der Sünden
verdienen, sondern daß wir sie, wie sie am Kreuz verdient ist,
uns durch den Glauben zu Nutze machen. Eine Auffassung,

die Kais. Mt verursacht worden ihre Declaration in Religion sachen
dermaßen wie zw Augsburg auf jüngst gehaltenem Reichstage ge-
schehen, vorzunehmen und zu publiciren. Abgedruckt in Tzschirners
und Stäudlins kirchengesch. Archiv Bd IV. Daß damit Pflug nur
seinen Entwurf meine, wie der Herausgeber Müller annimmt, nicht
das publicirte Interim, widerspricht dem Titel geradezu und ist über-
haupt eine Chimäre. Jenes Motiv wird p. 115 auseinandergesetzt.

Das Interim.
ſetzte zugleich feſt, daß Gott den Menſchen gerecht mache,
nicht aus deſſen Werken, ſondern nach ſeiner Barmherzig-
keit: lauter umſonſt, ohne ſein Verdienſt: daß ſich ein Je-
der immer an Chriſti Verdienſt zu halten habe. Wie ſich
beides mit einander vereinigen laſſe, war freilich eine andre
Frage: man hütete ſich aber wohl darauf einzugehn: man
hätte fürchten müſſen die Zwiſtigkeit damit wieder zu erneuern:
und war ſehr zufrieden eine Satzung gefunden zu haben,
welche das als das vornehmſte betrachtete Dogma der Pro-
teſtanten gelten ließ.

Und noch mehr konnte man ſich ihnen in dem Artikel
von der Meſſe nähern, über den in Trient noch nichts be-
ſchloſſen war. Julius Pflug gab zu, daß darin lange Zeit
ein hochbeſchwerlicher Mißverſtand geherrſcht habe: er ließ
den Begriff von dem Sühnopfer, der darnach dennoch feſt-
gehalten worden iſt, fallen: indem er den Ausdruck Opfer
feſthielt, verſtand er darunter doch nur ein Gedenkopfer, ein
Dankopfer, wie ſie in dem alten Teſtament vorbildlich be-
ſtanden und Chriſtus ſie erneuert. In dieſem Sinn iſt der
Artikel abgefaßt. Durch das Blutopfer am Kreuz habe Chri-
ſtus die Verſöhnung erworben; das Dankopfer ſey nicht
dazu eingeſetzt, damit wir dadurch Vergebung der Sünden
verdienen, ſondern daß wir ſie, wie ſie am Kreuz verdient iſt,
uns durch den Glauben zu Nutze machen. Eine Auffaſſung,

die Kaiſ. Mt verurſacht worden ihre Declaration in Religion ſachen
dermaßen wie zw Augsburg auf juͤngſt gehaltenem Reichstage ge-
ſchehen, vorzunehmen und zu publiciren. Abgedruckt in Tzſchirners
und Staͤudlins kirchengeſch. Archiv Bd IV. Daß damit Pflug nur
ſeinen Entwurf meine, wie der Herausgeber Muͤller annimmt, nicht
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haupt eine Chimaͤre. Jenes Motiv wird p. 115 auseinandergeſetzt.
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[43/0055] Das Interim. ſetzte zugleich feſt, daß Gott den Menſchen gerecht mache, nicht aus deſſen Werken, ſondern nach ſeiner Barmherzig- keit: lauter umſonſt, ohne ſein Verdienſt: daß ſich ein Je- der immer an Chriſti Verdienſt zu halten habe. Wie ſich beides mit einander vereinigen laſſe, war freilich eine andre Frage: man hütete ſich aber wohl darauf einzugehn: man hätte fürchten müſſen die Zwiſtigkeit damit wieder zu erneuern: und war ſehr zufrieden eine Satzung gefunden zu haben, welche das als das vornehmſte betrachtete Dogma der Pro- teſtanten gelten ließ. Und noch mehr konnte man ſich ihnen in dem Artikel von der Meſſe nähern, über den in Trient noch nichts be- ſchloſſen war. Julius Pflug gab zu, daß darin lange Zeit ein hochbeſchwerlicher Mißverſtand geherrſcht habe: er ließ den Begriff von dem Sühnopfer, der darnach dennoch feſt- gehalten worden iſt, fallen: indem er den Ausdruck Opfer feſthielt, verſtand er darunter doch nur ein Gedenkopfer, ein Dankopfer, wie ſie in dem alten Teſtament vorbildlich be- ſtanden und Chriſtus ſie erneuert. In dieſem Sinn iſt der Artikel abgefaßt. Durch das Blutopfer am Kreuz habe Chri- ſtus die Verſöhnung erworben; das Dankopfer ſey nicht dazu eingeſetzt, damit wir dadurch Vergebung der Sünden verdienen, ſondern daß wir ſie, wie ſie am Kreuz verdient iſt, uns durch den Glauben zu Nutze machen. Eine Auffaſſung, 1 1 die Kaiſ. Mt verurſacht worden ihre Declaration in Religion ſachen dermaßen wie zw Augsburg auf juͤngſt gehaltenem Reichstage ge- ſchehen, vorzunehmen und zu publiciren. Abgedruckt in Tzſchirners und Staͤudlins kirchengeſch. Archiv Bd IV. Daß damit Pflug nur ſeinen Entwurf meine, wie der Herausgeber Muͤller annimmt, nicht das publicirte Interim, widerſpricht dem Titel geradezu und iſt uͤber- haupt eine Chimaͤre. Jenes Motiv wird p. 115 auseinandergeſetzt.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/55>, abgerufen am 21.11.2024.