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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843.

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Neuntes Buch. Erstes Capitel.
die sich von der protestantischen hauptsächlich nur durch die
Beibehaltung des Wortes Opfer unterscheidet. Julius Pflug
ist der Meinung, daß diese Erklärung Niemand mehr einen
Vorwand lasse, sich von der Kirche abzusondern. 1

Das war eben die Absicht, bei allen Concessionen die man
machte, doch die große kirchliche Einheit aufrecht zu erhalten.

Auch in dem Artikel über die Kirche findet sich eine ge-
wisse Annäherung an neuernde Vorstellungen: er ist wenigstens
durchaus nicht papistisch. Der Papst wird als der oberste
Bischof betrachtet, der den andern vorgesetzt ist, um alle
Spaltung zu verhüten; aber auch den andern wird zugestan-
den, daß sie wahrhaftige Bischöfe seyen aus göttlichen Rech-
ten. Der Papst wird erinnert, seine Gewalt sey ihm ver-
liehen zur Erbauung, nicht zur Zerstörung. Ubrigens aber
wird doch der Begriff der Kirche in aller Strenge behaup-
tet: es wird ihr das Recht vindicirt die Bibel auszulegen,
die Lehre daraus festzusetzen, "sintemal der h. Geist bei ihr
ist," und auch über die Cerimonien Bestimmung zu treffen.

Die Formel bestätigt die Siebenzahl der Sacramente,
sucht Chrisma und letzte Ölung zu rechtfertigen und hält
fest an der Transsubstantiation. Auch für das Anrufen der
Jungfrau Maria und der Heiligen um ihre Fürbitte, so wie
für die Beibehaltung der Fasten findet sie Gründe; den Pomp
der Processionen, überhaupt die Ordnung und Pracht der bis-
herigen Cerimonien trägt sie Sorge zu behaupten.


1 Pflug: "Da man sich einer solchen wohlgegründten und schein-
barlichen Erklärung von der Messe vor 30 Jahren hätte vergleichen
können, würde die Kirche ohne Zweifel solcher Messe halben in die
beschwerliche Verbitterung und Weiterung nit gefallen seyn."

Neuntes Buch. Erſtes Capitel.
die ſich von der proteſtantiſchen hauptſächlich nur durch die
Beibehaltung des Wortes Opfer unterſcheidet. Julius Pflug
iſt der Meinung, daß dieſe Erklärung Niemand mehr einen
Vorwand laſſe, ſich von der Kirche abzuſondern. 1

Das war eben die Abſicht, bei allen Conceſſionen die man
machte, doch die große kirchliche Einheit aufrecht zu erhalten.

Auch in dem Artikel über die Kirche findet ſich eine ge-
wiſſe Annäherung an neuernde Vorſtellungen: er iſt wenigſtens
durchaus nicht papiſtiſch. Der Papſt wird als der oberſte
Biſchof betrachtet, der den andern vorgeſetzt iſt, um alle
Spaltung zu verhüten; aber auch den andern wird zugeſtan-
den, daß ſie wahrhaftige Biſchöfe ſeyen aus göttlichen Rech-
ten. Der Papſt wird erinnert, ſeine Gewalt ſey ihm ver-
liehen zur Erbauung, nicht zur Zerſtörung. Ubrigens aber
wird doch der Begriff der Kirche in aller Strenge behaup-
tet: es wird ihr das Recht vindicirt die Bibel auszulegen,
die Lehre daraus feſtzuſetzen, „ſintemal der h. Geiſt bei ihr
iſt,“ und auch über die Cerimonien Beſtimmung zu treffen.

Die Formel beſtätigt die Siebenzahl der Sacramente,
ſucht Chrisma und letzte Ölung zu rechtfertigen und hält
feſt an der Transſubſtantiation. Auch für das Anrufen der
Jungfrau Maria und der Heiligen um ihre Fürbitte, ſo wie
für die Beibehaltung der Faſten findet ſie Gründe; den Pomp
der Proceſſionen, überhaupt die Ordnung und Pracht der bis-
herigen Cerimonien trägt ſie Sorge zu behaupten.


1 Pflug: „Da man ſich einer ſolchen wohlgegruͤndten und ſchein-
barlichen Erklaͤrung von der Meſſe vor 30 Jahren haͤtte vergleichen
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[44/0056] Neuntes Buch. Erſtes Capitel. die ſich von der proteſtantiſchen hauptſächlich nur durch die Beibehaltung des Wortes Opfer unterſcheidet. Julius Pflug iſt der Meinung, daß dieſe Erklärung Niemand mehr einen Vorwand laſſe, ſich von der Kirche abzuſondern. 1 Das war eben die Abſicht, bei allen Conceſſionen die man machte, doch die große kirchliche Einheit aufrecht zu erhalten. Auch in dem Artikel über die Kirche findet ſich eine ge- wiſſe Annäherung an neuernde Vorſtellungen: er iſt wenigſtens durchaus nicht papiſtiſch. Der Papſt wird als der oberſte Biſchof betrachtet, der den andern vorgeſetzt iſt, um alle Spaltung zu verhüten; aber auch den andern wird zugeſtan- den, daß ſie wahrhaftige Biſchöfe ſeyen aus göttlichen Rech- ten. Der Papſt wird erinnert, ſeine Gewalt ſey ihm ver- liehen zur Erbauung, nicht zur Zerſtörung. Ubrigens aber wird doch der Begriff der Kirche in aller Strenge behaup- tet: es wird ihr das Recht vindicirt die Bibel auszulegen, die Lehre daraus feſtzuſetzen, „ſintemal der h. Geiſt bei ihr iſt,“ und auch über die Cerimonien Beſtimmung zu treffen. Die Formel beſtätigt die Siebenzahl der Sacramente, ſucht Chrisma und letzte Ölung zu rechtfertigen und hält feſt an der Transſubſtantiation. Auch für das Anrufen der Jungfrau Maria und der Heiligen um ihre Fürbitte, ſo wie für die Beibehaltung der Faſten findet ſie Gründe; den Pomp der Proceſſionen, überhaupt die Ordnung und Pracht der bis- herigen Cerimonien trägt ſie Sorge zu behaupten. 1 Pflug: „Da man ſich einer ſolchen wohlgegruͤndten und ſchein- barlichen Erklaͤrung von der Meſſe vor 30 Jahren haͤtte vergleichen koͤnnen, wuͤrde die Kirche ohne Zweifel ſolcher Meſſe halben in die beſchwerliche Verbitterung und Weiterung nit gefallen ſeyn.“

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/56>, abgerufen am 24.11.2024.