Indessen gewann die Sache doch nicht den raschen Fort- gang den er vielleicht erwartete. Bei einer Zusammenkunft einiger Mitglieder der Ritterschaft und einiger churfürstlichen Räthe mit den Theologen, die im October zu Torgau veran- staltet wurde, zeigten sich die letzten unerschütterlich. An der Universität und in der Population war die Stimmung daß man nichts mehr nachgeben dürfe. Man verglich wohl das Interim mit dem Apfel welchen Eva dem Adam dargereicht: ein einziger Bissen habe dem Manne den Zorn Gottes zu- gezogen. Es gieng eine Schrift von Hand in Hand unter dem Titel, "daß man nichts verändern soll." 1 Dr Cruciger meinte noch in den Phantasien die seinem Tode voraus- giengen, mit Disputationen dieser Art geängstigt zu werden, aber Widerstand zu leisten. 2 Immer dringender jedoch wur- den die churfürstlichen Räthe. Am 17ten November, als ihr Herr sich bereitete nach Trient zu reisen, um mit dem Bischof von Augsburg den Sohn des Kaisers Don Phi- lipp an den deutschen Grenzen zu empfangen, hielten sie eine neue Zusammenkunft zu Klostercelle mit den vornehmsten Su- perintendenten und Predigern des Landes; nur die drei milde- sten Professoren, Major, Camerarius und Melanchthon waren zugegen. Die Räthe legten denselben den Torgauer Entwurf, jedoch mit abermaligen Modificationen vor, und erörterten da-
Oct. 1548. Cum de doctrina de ecclesia ejusque autoritate et potestate, de sacramentis denique jam conveniat inter nos, et ea probemus quae a Caesaris consilio atque voluntate Christiana aliena non sunt.
1 Entschuldigung Matthiä Flacii an die Universität zu Wit- tenberg Bog. 2, III.
2 Eber an Melanchthon 16 Nov. Corp. Ref. VII, 194.
Ranke D. Gesch. V. 6
Zuſammenkunft in Celle.
Indeſſen gewann die Sache doch nicht den raſchen Fort- gang den er vielleicht erwartete. Bei einer Zuſammenkunft einiger Mitglieder der Ritterſchaft und einiger churfürſtlichen Räthe mit den Theologen, die im October zu Torgau veran- ſtaltet wurde, zeigten ſich die letzten unerſchütterlich. An der Univerſität und in der Population war die Stimmung daß man nichts mehr nachgeben dürfe. Man verglich wohl das Interim mit dem Apfel welchen Eva dem Adam dargereicht: ein einziger Biſſen habe dem Manne den Zorn Gottes zu- gezogen. Es gieng eine Schrift von Hand in Hand unter dem Titel, „daß man nichts verändern ſoll.“ 1 Dr Cruciger meinte noch in den Phantaſien die ſeinem Tode voraus- giengen, mit Disputationen dieſer Art geängſtigt zu werden, aber Widerſtand zu leiſten. 2 Immer dringender jedoch wur- den die churfürſtlichen Räthe. Am 17ten November, als ihr Herr ſich bereitete nach Trient zu reiſen, um mit dem Biſchof von Augsburg den Sohn des Kaiſers Don Phi- lipp an den deutſchen Grenzen zu empfangen, hielten ſie eine neue Zuſammenkunft zu Kloſtercelle mit den vornehmſten Su- perintendenten und Predigern des Landes; nur die drei milde- ſten Profeſſoren, Major, Camerarius und Melanchthon waren zugegen. Die Räthe legten denſelben den Torgauer Entwurf, jedoch mit abermaligen Modificationen vor, und erörterten da-
Oct. 1548. Cum de doctrina de ecclesia ejusque autoritate et potestate, de sacramentis denique jam conveniat inter nos, et ea probemus quae a Caesaris consilio atque voluntate Christiana aliena non sunt.
1 Entſchuldigung Matthiaͤ Flacii an die Univerſitaͤt zu Wit- tenberg Bog. 2, III.
2 Eber an Melanchthon 16 Nov. Corp. Ref. VII, 194.
Ranke D. Geſch. V. 6
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Zuſammenkunft in Celle.
Indeſſen gewann die Sache doch nicht den raſchen Fort-
gang den er vielleicht erwartete. Bei einer Zuſammenkunft
einiger Mitglieder der Ritterſchaft und einiger churfürſtlichen
Räthe mit den Theologen, die im October zu Torgau veran-
ſtaltet wurde, zeigten ſich die letzten unerſchütterlich. An der
Univerſität und in der Population war die Stimmung daß
man nichts mehr nachgeben dürfe. Man verglich wohl das
Interim mit dem Apfel welchen Eva dem Adam dargereicht:
ein einziger Biſſen habe dem Manne den Zorn Gottes zu-
gezogen. Es gieng eine Schrift von Hand in Hand unter
dem Titel, „daß man nichts verändern ſoll.“ 1 Dr Cruciger
meinte noch in den Phantaſien die ſeinem Tode voraus-
giengen, mit Disputationen dieſer Art geängſtigt zu werden,
aber Widerſtand zu leiſten. 2 Immer dringender jedoch wur-
den die churfürſtlichen Räthe. Am 17ten November, als
ihr Herr ſich bereitete nach Trient zu reiſen, um mit dem
Biſchof von Augsburg den Sohn des Kaiſers Don Phi-
lipp an den deutſchen Grenzen zu empfangen, hielten ſie eine
neue Zuſammenkunft zu Kloſtercelle mit den vornehmſten Su-
perintendenten und Predigern des Landes; nur die drei milde-
ſten Profeſſoren, Major, Camerarius und Melanchthon waren
zugegen. Die Räthe legten denſelben den Torgauer Entwurf,
jedoch mit abermaligen Modificationen vor, und erörterten da-
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1 Entſchuldigung Matthiaͤ Flacii an die Univerſitaͤt zu Wit-
tenberg Bog. 2, III.
2 Eber an Melanchthon 16 Nov. Corp. Ref. VII, 194.
2 Oct. 1548. Cum de doctrina de ecclesia ejusque autoritate et
potestate, de sacramentis denique jam conveniat inter nos, et ea
probemus quae a Caesaris consilio atque voluntate Christiana
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Ranke D. Geſch. V. 6
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Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation. Bd. 5. Berlin, 1843, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_reformation05_1843/93>, abgerufen am 21.11.2024.
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