Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16).priesterliehe Beeinflussungen zum Schaden des nationalen Erziehungssystems "Meine Ansicht über diese Massregel ist, dass sie, wenn sie Die zweite Lesung der Bill wurde durchgesetzt, und wenngleich sie priesterliehe Beeinflussungen zum Schaden des nationalen Erziehungssystems „Meine Ansicht über diese Massregel ist, dass sie, wenn sie Die zweite Lesung der Bill wurde durchgesetzt, und wenngleich sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0010" n="8"/> priesterliehe Beeinflussungen zum Schaden des nationalen Erziehungssystems<lb/> auf das Gefühlsleben der Frauen einwirken würden. Auch viele andere<lb/> Redner teilten diese bislang grundlose Befürchtung. Die Perle der ganzen<lb/> Debatte bildete vielleicht die Rede des Maori-Abgeordneten Mr. Wi-Peré.<lb/> Sie war ebenso kurz als köstlich:</p><lb/> <p> „Meine Ansicht über diese Massregel ist, dass sie, wenn sie<lb/> Gesetzeskraft erhält, in diesem Hause eine Quelle von Störungen bilden<lb/> wird. Ich denke, wir brauchen blos auf die Beschwerden zurückzublicken,<lb/> welchen Adam dadurch unterworfen ward, dass sein Weib ihm einen<lb/> Apfel reichte. Wir sollten an das Böse denken, das Samson zustiess,<lb/> nachdem ihm Delila die Locken abgeschnitten hatte. Wir sollten auch<lb/> der Geschichte von Naboth’s Weingarten eingedenk sein – wie eine Frau<lb/> einen Mann zur Ermordung eines anderen Mannes aufstachelte, um in den<lb/> Besitz seines Weingartens zu gelangen. Ich fürchte, dass, wenn den<lb/> Damen in diesem Hause Sitze eingeräumt werden, dies die Aufmerksam-<lb/> keit so manches ehrenhaften Mitgliedes ablenken und die Herren den<lb/> Staatsangelegenheiten nicht so viel Aufmerksamkeit widmen werden, als<lb/> sie sonst getan hätten. Obgleich an Jahren vorgeschritten, muss ich<lb/> doch eingestehen, dass ich von einer derartigen Schwäche befallen werden<lb/> könnte. Wenn der ehrenwerte Gentleman zur Einschränkung dieser Bill<lb/> den Vorbehalt einführen wollte, dass blos hässlichen Frauen der Zutritt<lb/> zum Parlamente gestattet würde, dann könnte nach meiner Ansicht die<lb/> Quelle der Gefahr verstopft werden; wenn aber auch hübsche Damen in<lb/> dieses Haus geschickt würden, dann würden sie zweifellos die gefühlvollen<lb/> Herzen manches ehrenhaften Gentlemans, besonders aber der älteren Mit-<lb/> glieder des Hauses, irre führen. Ich bemerke schliesslich, dass, wenn es<lb/> reizenden Damen gestattet wird, in das Parlament zu kommen, meine<lb/> eigene Gattin mir nie mehr erlauben würde, hierher zurückzukehren“.</p><lb/> <p>Die zweite Lesung der Bill wurde durchgesetzt, und wenngleich sie<lb/> auf dem Wege durch einen Ausschuss sofort in Stücke ging, so war doch<lb/> ein bedeutender Schritt nach vorwärts gemacht worden. Das Stout-Vogel-<lb/> Ministerium ging bald nachher den Weg aller Koalitionen und für die<lb/> nächsten 3 ½ Jahre hatte in Neuseeland der Konservatismus das Heft in<lb/> Händen; doch das Verlangen nach dem Wahlrechte wurde wach gehalten –<lb/> hauptsächlich durch die Bestrebungen Sir John Hall’s. Und als sich 1891<lb/> die Progressisten nicht blos am Ruder, sondern auch im tatsächlichen Besitze<lb/> der Macht befanden, benützte Hall, trotzdem er sich in der Opposition befand,<lb/> sofort die Gelegenheit, seine Lieblingsreform zu fördern. Ministerpräsident<lb/> Ballance kam ihm auf halbem Wege entgegen und noch ehe der Bundesstaat<lb/> zum Bewusstsein der Lage erwacht war, wurde die damals vor dem Unter-<lb/> hause befindliche Wahlbill dahin ergänzt, dass allen erwachsenen Frauen das<lb/> Stimmrecht eingeräumt werden sollte. Die Plötzlichkeit dieses Schrittes war<lb/> umso überraschender, als bei den allgemeinen Wahlen im Dezember 1890 für<lb/> diese Frage nur ein geringes oder gar kein Interesse an den Tag gelegt<lb/> worden war. Die Arbeiterfrage, ihre Ansprüche und ihre Kämpfe hatten<lb/> alles andere als kleinlich in den Hintergrund gedrängt – ausgenommen viel-<lb/> leicht die ewige, damals mit der Forderung einer Grundsteuer komplizierte<lb/> Landfrage. Viele der Parlamentsmitglieder, die für das Frauenwahlrecht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [8/0010]
priesterliehe Beeinflussungen zum Schaden des nationalen Erziehungssystems
auf das Gefühlsleben der Frauen einwirken würden. Auch viele andere
Redner teilten diese bislang grundlose Befürchtung. Die Perle der ganzen
Debatte bildete vielleicht die Rede des Maori-Abgeordneten Mr. Wi-Peré.
Sie war ebenso kurz als köstlich:
„Meine Ansicht über diese Massregel ist, dass sie, wenn sie
Gesetzeskraft erhält, in diesem Hause eine Quelle von Störungen bilden
wird. Ich denke, wir brauchen blos auf die Beschwerden zurückzublicken,
welchen Adam dadurch unterworfen ward, dass sein Weib ihm einen
Apfel reichte. Wir sollten an das Böse denken, das Samson zustiess,
nachdem ihm Delila die Locken abgeschnitten hatte. Wir sollten auch
der Geschichte von Naboth’s Weingarten eingedenk sein – wie eine Frau
einen Mann zur Ermordung eines anderen Mannes aufstachelte, um in den
Besitz seines Weingartens zu gelangen. Ich fürchte, dass, wenn den
Damen in diesem Hause Sitze eingeräumt werden, dies die Aufmerksam-
keit so manches ehrenhaften Mitgliedes ablenken und die Herren den
Staatsangelegenheiten nicht so viel Aufmerksamkeit widmen werden, als
sie sonst getan hätten. Obgleich an Jahren vorgeschritten, muss ich
doch eingestehen, dass ich von einer derartigen Schwäche befallen werden
könnte. Wenn der ehrenwerte Gentleman zur Einschränkung dieser Bill
den Vorbehalt einführen wollte, dass blos hässlichen Frauen der Zutritt
zum Parlamente gestattet würde, dann könnte nach meiner Ansicht die
Quelle der Gefahr verstopft werden; wenn aber auch hübsche Damen in
dieses Haus geschickt würden, dann würden sie zweifellos die gefühlvollen
Herzen manches ehrenhaften Gentlemans, besonders aber der älteren Mit-
glieder des Hauses, irre führen. Ich bemerke schliesslich, dass, wenn es
reizenden Damen gestattet wird, in das Parlament zu kommen, meine
eigene Gattin mir nie mehr erlauben würde, hierher zurückzukehren“.
Die zweite Lesung der Bill wurde durchgesetzt, und wenngleich sie
auf dem Wege durch einen Ausschuss sofort in Stücke ging, so war doch
ein bedeutender Schritt nach vorwärts gemacht worden. Das Stout-Vogel-
Ministerium ging bald nachher den Weg aller Koalitionen und für die
nächsten 3 ½ Jahre hatte in Neuseeland der Konservatismus das Heft in
Händen; doch das Verlangen nach dem Wahlrechte wurde wach gehalten –
hauptsächlich durch die Bestrebungen Sir John Hall’s. Und als sich 1891
die Progressisten nicht blos am Ruder, sondern auch im tatsächlichen Besitze
der Macht befanden, benützte Hall, trotzdem er sich in der Opposition befand,
sofort die Gelegenheit, seine Lieblingsreform zu fördern. Ministerpräsident
Ballance kam ihm auf halbem Wege entgegen und noch ehe der Bundesstaat
zum Bewusstsein der Lage erwacht war, wurde die damals vor dem Unter-
hause befindliche Wahlbill dahin ergänzt, dass allen erwachsenen Frauen das
Stimmrecht eingeräumt werden sollte. Die Plötzlichkeit dieses Schrittes war
umso überraschender, als bei den allgemeinen Wahlen im Dezember 1890 für
diese Frage nur ein geringes oder gar kein Interesse an den Tag gelegt
worden war. Die Arbeiterfrage, ihre Ansprüche und ihre Kämpfe hatten
alles andere als kleinlich in den Hintergrund gedrängt – ausgenommen viel-
leicht die ewige, damals mit der Forderung einer Grundsteuer komplizierte
Landfrage. Viele der Parlamentsmitglieder, die für das Frauenwahlrecht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2018-12-06T12:34:34Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-12-06T12:34:34Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |