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Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16).

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lernen. Sie beteiligen sich am Vereinsleben, diskutieren und lesen über
öffentliche Fragen, wohnen den Versammlungen bei und bekunden für un-
persönliche Staatsangelegenheiten ein Interesse, welches zehn Jahre vorher
für ausserhalb ihres Lebenszieles gelegen gegolten hätte. Einige Frauen
widmen ihre Aufmerksamkeit den lokalen und munizipalen Angelegenheiten.
Der neuseeländische National Council of Women ist eine kleine Körperschaft,
welche nur sehr geringen Anspruch darauf erhebt, die Frauen des Bundes-
staates zu vertreten - ausgenommen jene, die sich der Prohibitionsbewegung
anschliessen. Doch die bei ihren Versammlungen gehaltenen Vorträge sind
zuweilen vortrefflich und die Diskussionen darüber interessant; sie bekunden
den Anfang besserer Dinge und bilden zweifellos eine der Folgen des Wahl-
rechtes. Wenn die Langsamkeit, mit welcher die direkten Folgen der grossen
Reform auftreten, einige Beobachter enttäuscht hat, so ist das hauptsächlich
darum der Fall, weil die darauf gegründeten Erwartungen und Hoffnungen
nur zu häufig ausserordentlich übertrieben waren. Man hat 1893 und 1894
so bedeutenden Erwartungen von einer gesellschaftlichen Umwälzung, von
einer moralischen Wiedergeburt, von einer neuen Ära der Reinheit und von
einer Reinigung der Augiasställe Ausdruck gegeben, dass die Langsamkeit
des Fortschrittes naturgemäss einen Gegensatz bildete, welcher die Gegner
verlocken musste, sich darüber weitläufig auszulassen. Und nicht blos die
Redner dritten Ranges waren es, die die Sache des Frauenwahlrechtes über-
trieben; eine Zitierung ihrer wässerigen Sentimentalitäten wäre eine Unbilligkeit
gegen den Gegenstand, denn keine Angelegenheit sollte nach ihren schwäch-
sten Verfechtern beurteilt werden. Doch betrachten wir einen Führer, einen
Denker wie Sir William Fox, der im Vergleich mit den anderen Worte der
Wahrheit und Nüchternheit sprach. Als das Haupt der Temperenzlerbewegung
in Neuseeland nahm er natürlich das Prinzip des Frauenwahlrechtes 1878 an.
Er sprach mit ungewöhnlichem Gewicht, denn er hatte damals schon eine
35jährige Erfahrung im öffentlichen Leben hinter sich und war viermal
Ministerpräsident gewesen. Er war ein gebildeter Redner und ein geschickter
Schriftsteller, hatte viel gereist und war ein sorgfältig beobachtender, schlag-
fertiger, ritterlicher Gentleman. Über den Vorschlag, den weiblichen Steuer-
zahlern das Wahlrecht einzuräumen, sprechend, äusserte er sich über die
Frauen wie folgt:

"Sie sind an Verstand und Einfluss den Männern ebenbürtig; mehr als
ebenbürtig betreffs ihres Einflusses auf jede Art weiser Gesetzgebung,
mehr als ebenbürtig hinsichtlich jener Gefühle, welche den grössten Ein-
fluss auf die Förderung der wahren Wohlfahrt eines Landes besitzen. Sie
sind weniger der Gefahr ausgesetzt, an der Abgabe ihrer Stimme gemäss
ihrer wirklichen Meinung gehindert zu werden. Sie haben keine Cliquen,
keine Parteien, keine überlasteten Bankguthaben. Wenn eine Frau eine
gute Angelegenheit vor sich sieht, geht sie gerade darauf los ... Ich
glaube, sie würden zumeist auf der rechten Seite abstimmen."

Doch die weiblichen Abstimmer sind weder die Engel, noch die Weisen,
die sie sein müssten, um in einem halben Dutzend Jahren auch nur ein Viertel
der an ihr Wahlrecht geknüpften Erwartungen zu erfüllen. Und wenn sie
die Vorhersagungen der Unglückspropheten gänzlich Lügen gestraft haben,
so haben sie auch - wenigstens bisher - ihren eifrigsten Verfechtern

lernen. Sie beteiligen sich am Vereinsleben, diskutieren und lesen über
öffentliche Fragen, wohnen den Versammlungen bei und bekunden für un-
persönliche Staatsangelegenheiten ein Interesse, welches zehn Jahre vorher
für ausserhalb ihres Lebenszieles gelegen gegolten hätte. Einige Frauen
widmen ihre Aufmerksamkeit den lokalen und munizipalen Angelegenheiten.
Der neuseeländische National Council of Women ist eine kleine Körperschaft,
welche nur sehr geringen Anspruch darauf erhebt, die Frauen des Bundes-
staates zu vertreten – ausgenommen jene, die sich der Prohibitionsbewegung
anschliessen. Doch die bei ihren Versammlungen gehaltenen Vorträge sind
zuweilen vortrefflich und die Diskussionen darüber interessant; sie bekunden
den Anfang besserer Dinge und bilden zweifellos eine der Folgen des Wahl-
rechtes. Wenn die Langsamkeit, mit welcher die direkten Folgen der grossen
Reform auftreten, einige Beobachter enttäuscht hat, so ist das hauptsächlich
darum der Fall, weil die darauf gegründeten Erwartungen und Hoffnungen
nur zu häufig ausserordentlich übertrieben waren. Man hat 1893 und 1894
so bedeutenden Erwartungen von einer gesellschaftlichen Umwälzung, von
einer moralischen Wiedergeburt, von einer neuen Ära der Reinheit und von
einer Reinigung der Augiasställe Ausdruck gegeben, dass die Langsamkeit
des Fortschrittes naturgemäss einen Gegensatz bildete, welcher die Gegner
verlocken musste, sich darüber weitläufig auszulassen. Und nicht blos die
Redner dritten Ranges waren es, die die Sache des Frauenwahlrechtes über-
trieben; eine Zitierung ihrer wässerigen Sentimentalitäten wäre eine Unbilligkeit
gegen den Gegenstand, denn keine Angelegenheit sollte nach ihren schwäch-
sten Verfechtern beurteilt werden. Doch betrachten wir einen Führer, einen
Denker wie Sir William Fox, der im Vergleich mit den anderen Worte der
Wahrheit und Nüchternheit sprach. Als das Haupt der Temperenzlerbewegung
in Neuseeland nahm er natürlich das Prinzip des Frauenwahlrechtes 1878 an.
Er sprach mit ungewöhnlichem Gewicht, denn er hatte damals schon eine
35jährige Erfahrung im öffentlichen Leben hinter sich und war viermal
Ministerpräsident gewesen. Er war ein gebildeter Redner und ein geschickter
Schriftsteller, hatte viel gereist und war ein sorgfältig beobachtender, schlag-
fertiger, ritterlicher Gentleman. Über den Vorschlag, den weiblichen Steuer-
zahlern das Wahlrecht einzuräumen, sprechend, äusserte er sich über die
Frauen wie folgt:

„Sie sind an Verstand und Einfluss den Männern ebenbürtig; mehr als
ebenbürtig betreffs ihres Einflusses auf jede Art weiser Gesetzgebung,
mehr als ebenbürtig hinsichtlich jener Gefühle, welche den grössten Ein-
fluss auf die Förderung der wahren Wohlfahrt eines Landes besitzen. Sie
sind weniger der Gefahr ausgesetzt, an der Abgabe ihrer Stimme gemäss
ihrer wirklichen Meinung gehindert zu werden. Sie haben keine Cliquen,
keine Parteien, keine überlasteten Bankguthaben. Wenn eine Frau eine
gute Angelegenheit vor sich sieht, geht sie gerade darauf los … Ich
glaube, sie würden zumeist auf der rechten Seite abstimmen.“

Doch die weiblichen Abstimmer sind weder die Engel, noch die Weisen,
die sie sein müssten, um in einem halben Dutzend Jahren auch nur ein Viertel
der an ihr Wahlrecht geknüpften Erwartungen zu erfüllen. Und wenn sie
die Vorhersagungen der Unglückspropheten gänzlich Lügen gestraft haben,
so haben sie auch – wenigstens bisher – ihren eifrigsten Verfechtern

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[27/0029] lernen. Sie beteiligen sich am Vereinsleben, diskutieren und lesen über öffentliche Fragen, wohnen den Versammlungen bei und bekunden für un- persönliche Staatsangelegenheiten ein Interesse, welches zehn Jahre vorher für ausserhalb ihres Lebenszieles gelegen gegolten hätte. Einige Frauen widmen ihre Aufmerksamkeit den lokalen und munizipalen Angelegenheiten. Der neuseeländische National Council of Women ist eine kleine Körperschaft, welche nur sehr geringen Anspruch darauf erhebt, die Frauen des Bundes- staates zu vertreten – ausgenommen jene, die sich der Prohibitionsbewegung anschliessen. Doch die bei ihren Versammlungen gehaltenen Vorträge sind zuweilen vortrefflich und die Diskussionen darüber interessant; sie bekunden den Anfang besserer Dinge und bilden zweifellos eine der Folgen des Wahl- rechtes. Wenn die Langsamkeit, mit welcher die direkten Folgen der grossen Reform auftreten, einige Beobachter enttäuscht hat, so ist das hauptsächlich darum der Fall, weil die darauf gegründeten Erwartungen und Hoffnungen nur zu häufig ausserordentlich übertrieben waren. Man hat 1893 und 1894 so bedeutenden Erwartungen von einer gesellschaftlichen Umwälzung, von einer moralischen Wiedergeburt, von einer neuen Ära der Reinheit und von einer Reinigung der Augiasställe Ausdruck gegeben, dass die Langsamkeit des Fortschrittes naturgemäss einen Gegensatz bildete, welcher die Gegner verlocken musste, sich darüber weitläufig auszulassen. Und nicht blos die Redner dritten Ranges waren es, die die Sache des Frauenwahlrechtes über- trieben; eine Zitierung ihrer wässerigen Sentimentalitäten wäre eine Unbilligkeit gegen den Gegenstand, denn keine Angelegenheit sollte nach ihren schwäch- sten Verfechtern beurteilt werden. Doch betrachten wir einen Führer, einen Denker wie Sir William Fox, der im Vergleich mit den anderen Worte der Wahrheit und Nüchternheit sprach. Als das Haupt der Temperenzlerbewegung in Neuseeland nahm er natürlich das Prinzip des Frauenwahlrechtes 1878 an. Er sprach mit ungewöhnlichem Gewicht, denn er hatte damals schon eine 35jährige Erfahrung im öffentlichen Leben hinter sich und war viermal Ministerpräsident gewesen. Er war ein gebildeter Redner und ein geschickter Schriftsteller, hatte viel gereist und war ein sorgfältig beobachtender, schlag- fertiger, ritterlicher Gentleman. Über den Vorschlag, den weiblichen Steuer- zahlern das Wahlrecht einzuräumen, sprechend, äusserte er sich über die Frauen wie folgt: „Sie sind an Verstand und Einfluss den Männern ebenbürtig; mehr als ebenbürtig betreffs ihres Einflusses auf jede Art weiser Gesetzgebung, mehr als ebenbürtig hinsichtlich jener Gefühle, welche den grössten Ein- fluss auf die Förderung der wahren Wohlfahrt eines Landes besitzen. Sie sind weniger der Gefahr ausgesetzt, an der Abgabe ihrer Stimme gemäss ihrer wirklichen Meinung gehindert zu werden. Sie haben keine Cliquen, keine Parteien, keine überlasteten Bankguthaben. Wenn eine Frau eine gute Angelegenheit vor sich sieht, geht sie gerade darauf los … Ich glaube, sie würden zumeist auf der rechten Seite abstimmen.“ Doch die weiblichen Abstimmer sind weder die Engel, noch die Weisen, die sie sein müssten, um in einem halben Dutzend Jahren auch nur ein Viertel der an ihr Wahlrecht geknüpften Erwartungen zu erfüllen. Und wenn sie die Vorhersagungen der Unglückspropheten gänzlich Lügen gestraft haben, so haben sie auch – wenigstens bisher – ihren eifrigsten Verfechtern

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-12-06T12:34:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-12-06T12:34:34Z)

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Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Reeves, William Pember: Das politische Wahlrecht der Frauen in Australien. Übers. v. Romulus Grazer [i. e. Romulus Katscher]. Leipzig, 1904 (= Sozialer Fortschritt, Bd. 15/16), S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reeves_wahlrecht_1904/29>, abgerufen am 24.11.2024.