Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ordentlich ins Bett, wo er gemüthlich schnarchte, ohne von den weiteren Vorgängen dieser Nacht etwas zu hören, bis ihn der Morgen schrecklich weckte.

Erhitzt von Martin's feurigen Küssen kam Trude heim; es war dunkel in der großen Stube; sie wollte sich auf die Ofenbank setzen, um vor dem Schlafengehen noch über die Vorgänge des Abends nachzudenken, fuhr aber mit einem Schrei empor, als sie sich von zwei Armen rückwärts umschlungen und auf die Bank niedergezogen fühlte. Ga mer a Guschla! (Gieb mir einen Kuß!) bat Sommer Hans mit halberstickter Stimme. Trude wollte sich loswinden, ward aber mit großer Gewalt auf Sommer's Schooß niedergezogen -- da, in der größten Noth der Selbsthülfe, ergriff sie Martin's Vorschlag und sagte: Ihr spaßt und drüben in Klösterle haben sie heute Nacht eingebrochen! -- Sommer's Hände ließen nach. Wer sagt's? rief er erschrocken. -- Das ganze Dorf ist ja voll davon! sagte Trude, der die Finsterniß, welche in der Stube herrschte, sehr zu statten kam. Der Alte fing an zu zittern; er ging in seine Kammer, öffnete die Lade und griff hinein -- der Schatz lag noch da. Er malte sich den Gedanken schrecklich aus, wenn er eines Morgens erwachte und der Sack voll Dukaten wäre verschwunden! Herzensmädel! rief er zur offenen Thür hinein, was ist da zu thun, daß man die Schelme nicht zu fürchten hätte? -- Trude schien sich eine Weile zu besinnen und fragte dann: Wie ist's denn doch mit der Mühle? -- O, die ist bis zum Dachstuhl

ordentlich ins Bett, wo er gemüthlich schnarchte, ohne von den weiteren Vorgängen dieser Nacht etwas zu hören, bis ihn der Morgen schrecklich weckte.

Erhitzt von Martin's feurigen Küssen kam Trude heim; es war dunkel in der großen Stube; sie wollte sich auf die Ofenbank setzen, um vor dem Schlafengehen noch über die Vorgänge des Abends nachzudenken, fuhr aber mit einem Schrei empor, als sie sich von zwei Armen rückwärts umschlungen und auf die Bank niedergezogen fühlte. Ga mer a Guschla! (Gieb mir einen Kuß!) bat Sommer Hans mit halberstickter Stimme. Trude wollte sich loswinden, ward aber mit großer Gewalt auf Sommer's Schooß niedergezogen — da, in der größten Noth der Selbsthülfe, ergriff sie Martin's Vorschlag und sagte: Ihr spaßt und drüben in Klösterle haben sie heute Nacht eingebrochen! — Sommer's Hände ließen nach. Wer sagt's? rief er erschrocken. — Das ganze Dorf ist ja voll davon! sagte Trude, der die Finsterniß, welche in der Stube herrschte, sehr zu statten kam. Der Alte fing an zu zittern; er ging in seine Kammer, öffnete die Lade und griff hinein — der Schatz lag noch da. Er malte sich den Gedanken schrecklich aus, wenn er eines Morgens erwachte und der Sack voll Dukaten wäre verschwunden! Herzensmädel! rief er zur offenen Thür hinein, was ist da zu thun, daß man die Schelme nicht zu fürchten hätte? — Trude schien sich eine Weile zu besinnen und fragte dann: Wie ist's denn doch mit der Mühle? — O, die ist bis zum Dachstuhl

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="0">
        <p><pb facs="#f0044"/>
ordentlich ins Bett, wo er gemüthlich schnarchte, ohne von den weiteren      Vorgängen dieser Nacht etwas zu hören, bis ihn der Morgen schrecklich weckte.</p><lb/>
        <p>Erhitzt von Martin's feurigen Küssen kam Trude heim; es war dunkel in der großen Stube; sie      wollte sich auf die Ofenbank setzen, um vor dem Schlafengehen noch über die Vorgänge des Abends      nachzudenken, fuhr aber mit einem Schrei empor, als sie sich von zwei Armen rückwärts      umschlungen und auf die Bank niedergezogen fühlte. Ga mer a Guschla! (Gieb mir einen Kuß!) bat      Sommer Hans mit halberstickter Stimme. Trude wollte sich loswinden, ward aber mit großer Gewalt      auf Sommer's Schooß niedergezogen &#x2014; da, in der größten Noth der Selbsthülfe, ergriff sie      Martin's Vorschlag und sagte: Ihr spaßt und drüben in Klösterle haben sie heute Nacht      eingebrochen! &#x2014; Sommer's Hände ließen nach. Wer sagt's? rief er erschrocken. &#x2014; Das ganze Dorf      ist ja voll davon! sagte Trude, der die Finsterniß, welche in der Stube herrschte, sehr zu      statten kam. Der Alte fing an zu zittern; er ging in seine Kammer, öffnete die Lade und griff      hinein &#x2014; der Schatz lag noch da. Er malte sich den Gedanken schrecklich aus, wenn er eines      Morgens erwachte und der Sack voll Dukaten wäre verschwunden! Herzensmädel! rief er zur offenen      Thür hinein, was ist da zu thun, daß man die Schelme nicht zu fürchten hätte? &#x2014; Trude schien      sich eine Weile zu besinnen und fragte dann: Wie ist's denn doch mit der Mühle? &#x2014; O, die ist      bis zum Dachstuhl<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0044] ordentlich ins Bett, wo er gemüthlich schnarchte, ohne von den weiteren Vorgängen dieser Nacht etwas zu hören, bis ihn der Morgen schrecklich weckte. Erhitzt von Martin's feurigen Küssen kam Trude heim; es war dunkel in der großen Stube; sie wollte sich auf die Ofenbank setzen, um vor dem Schlafengehen noch über die Vorgänge des Abends nachzudenken, fuhr aber mit einem Schrei empor, als sie sich von zwei Armen rückwärts umschlungen und auf die Bank niedergezogen fühlte. Ga mer a Guschla! (Gieb mir einen Kuß!) bat Sommer Hans mit halberstickter Stimme. Trude wollte sich loswinden, ward aber mit großer Gewalt auf Sommer's Schooß niedergezogen — da, in der größten Noth der Selbsthülfe, ergriff sie Martin's Vorschlag und sagte: Ihr spaßt und drüben in Klösterle haben sie heute Nacht eingebrochen! — Sommer's Hände ließen nach. Wer sagt's? rief er erschrocken. — Das ganze Dorf ist ja voll davon! sagte Trude, der die Finsterniß, welche in der Stube herrschte, sehr zu statten kam. Der Alte fing an zu zittern; er ging in seine Kammer, öffnete die Lade und griff hinein — der Schatz lag noch da. Er malte sich den Gedanken schrecklich aus, wenn er eines Morgens erwachte und der Sack voll Dukaten wäre verschwunden! Herzensmädel! rief er zur offenen Thür hinein, was ist da zu thun, daß man die Schelme nicht zu fürchten hätte? — Trude schien sich eine Weile zu besinnen und fragte dann: Wie ist's denn doch mit der Mühle? — O, die ist bis zum Dachstuhl

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/44
Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/44>, abgerufen am 21.11.2024.