Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
mit mehrerm Fleiß getrieben wird, als ehedem
geschehen; allein dennoch getraue ich mir, ohne
daß ich jemanden beleidige, zu behaupten, daß an
den academischen Vorlesungen der Oeconomie
noch gar vieles auszusetzen und zu verbessern sey.

Erstlich ist es ein grosser Fehler, daß die-
jenigen Docenten, welche diese Wissenschaft
auf Academien lehren, und welche sonsten wegen
ihrer Gelehrsamkeit und Erfahrung in andern
Dingen die gröste Hochachtung verdienen, mei-
stentheils schlechte Oeconomi sind; denn indem
sie sich in andere gelehrte Wissenschaften alzu-
sehr verliebet und vertiefet, so sehen sie die Oeco-
nomie
als eine geringe und verächtliche Sache
an, und bekümmern sich also wenig darum, eine
practische Erkäntnis und Erfahrung darinnen
erlangen.

Alles, was sie vom Feld- und Garten-Bau
wissen und vortragen, das müssen sie blos aus
denen Büchern nehmen. Weil sie nun selbst
gar keine Praxin haben, und z. E. in der Feld-
Oeconomie nichts gesehen und versuchet, so re-
den sie wie der Blinde von der Farbe. Sie kön-
nen in den öconomischen Büchern das Falsche
und Unnöthige nicht von dem Wahren u. Nütz-
lichen, und das Nützliche nicht von dem Noth-
wendigen unterscheiden, u. folglich die Oecono-
mie
ohnmöglich recht gründlich und nützlich leh-
ren. Dahero laufen viele irrige Dinge mit unter:
man macht aus gemeinen und bekanten Sachen
Geheimnisse, hingegen wahre Vortheile bleiben

weg.

Vorrede.
mit mehrerm Fleiß getrieben wird, als ehedem
geſchehen; allein dennoch getraue ich mir, ohne
daß ich jemanden beleidige, zu behaupten, daß an
den academiſchen Vorleſungen der Oeconomie
noch gar vieles auszuſetzen und zu verbeſſern ſey.

Erſtlich iſt es ein groſſer Fehler, daß die-
jenigen Docenten, welche dieſe Wiſſenſchaft
auf Academien lehren, und welche ſonſten wegen
ihrer Gelehrſamkeit und Erfahrung in andern
Dingen die groͤſte Hochachtung verdienen, mei-
ſtentheils ſchlechte Oeconomi ſind; denn indem
ſie ſich in andere gelehrte Wiſſenſchaften alzu-
ſehr verliebet und vertiefet, ſo ſehen ſie die Oeco-
nomie
als eine geringe und veraͤchtliche Sache
an, und bekuͤmmern ſich alſo wenig darum, eine
practiſche Erkaͤntnis und Erfahrung darinnen
erlangen.

Alles, was ſie vom Feld- und Garten-Bau
wiſſen und vortragen, das muͤſſen ſie blos aus
denen Buͤchern nehmen. Weil ſie nun ſelbſt
gar keine Praxin haben, und z. E. in der Feld-
Oeconomie nichts geſehen und verſuchet, ſo re-
den ſie wie der Blinde von der Farbe. Sie koͤn-
nen in den oͤconomiſchen Buͤchern das Falſche
und Unnoͤthige nicht von dem Wahren u. Nuͤtz-
lichen, und das Nuͤtzliche nicht von dem Noth-
wendigen unterſcheiden, u. folglich die Oecono-
mie
ohnmoͤglich recht gruͤndlich und nuͤtzlich leh-
ren. Dahero laufen viele irrige Dinge mit unter:
man macht aus gemeinen und bekanten Sachen
Geheimniſſe, hingegen wahre Vortheile bleiben

weg.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0011"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
mit mehrerm Fleiß getrieben wird, als ehedem<lb/>
ge&#x017F;chehen; allein dennoch getraue ich mir, ohne<lb/>
daß ich jemanden beleidige, zu behaupten, daß an<lb/>
den academi&#x017F;chen Vorle&#x017F;ungen der Oeconomie<lb/>
noch gar vieles auszu&#x017F;etzen und zu verbe&#x017F;&#x017F;ern &#x017F;ey.</p><lb/>
        <p>Er&#x017F;tlich i&#x017F;t es ein gro&#x017F;&#x017F;er Fehler, daß die-<lb/>
jenigen Docenten, welche die&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
auf Academien lehren, und welche &#x017F;on&#x017F;ten wegen<lb/>
ihrer Gelehr&#x017F;amkeit und Erfahrung in andern<lb/>
Dingen die gro&#x0364;&#x017F;te Hochachtung verdienen, mei-<lb/>
&#x017F;tentheils &#x017F;chlechte <hi rendition="#aq">Oeconomi</hi> &#x017F;ind; denn indem<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich in andere gelehrte Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften alzu-<lb/>
&#x017F;ehr verliebet und vertiefet, &#x017F;o &#x017F;ehen &#x017F;ie die <hi rendition="#aq">Oeco-<lb/>
nomie</hi> als eine geringe und vera&#x0364;chtliche Sache<lb/>
an, und beku&#x0364;mmern &#x017F;ich al&#x017F;o wenig darum, eine<lb/>
practi&#x017F;che Erka&#x0364;ntnis und Erfahrung darinnen<lb/>
erlangen.</p><lb/>
        <p>Alles, was &#x017F;ie vom Feld- und Garten-Bau<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en und vortragen, das mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie blos aus<lb/>
denen Bu&#x0364;chern nehmen. Weil &#x017F;ie nun &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
gar keine Praxin haben, und z. E. in der Feld-<lb/><hi rendition="#aq">Oeconomie</hi> nichts ge&#x017F;ehen und ver&#x017F;uchet, &#x017F;o re-<lb/>
den &#x017F;ie wie der Blinde von der Farbe. Sie ko&#x0364;n-<lb/>
nen in den o&#x0364;conomi&#x017F;chen Bu&#x0364;chern das Fal&#x017F;che<lb/>
und Unno&#x0364;thige nicht von dem Wahren u. Nu&#x0364;tz-<lb/>
lichen, und das Nu&#x0364;tzliche nicht von dem Noth-<lb/>
wendigen unter&#x017F;cheiden, u. folglich die <hi rendition="#aq">Oecono-<lb/>
mie</hi> ohnmo&#x0364;glich recht gru&#x0364;ndlich und nu&#x0364;tzlich leh-<lb/>
ren. Dahero laufen viele irrige Dinge mit unter:<lb/>
man macht aus gemeinen und bekanten Sachen<lb/>
Geheimni&#x017F;&#x017F;e, hingegen wahre Vortheile bleiben<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weg.</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0011] Vorrede. mit mehrerm Fleiß getrieben wird, als ehedem geſchehen; allein dennoch getraue ich mir, ohne daß ich jemanden beleidige, zu behaupten, daß an den academiſchen Vorleſungen der Oeconomie noch gar vieles auszuſetzen und zu verbeſſern ſey. Erſtlich iſt es ein groſſer Fehler, daß die- jenigen Docenten, welche dieſe Wiſſenſchaft auf Academien lehren, und welche ſonſten wegen ihrer Gelehrſamkeit und Erfahrung in andern Dingen die groͤſte Hochachtung verdienen, mei- ſtentheils ſchlechte Oeconomi ſind; denn indem ſie ſich in andere gelehrte Wiſſenſchaften alzu- ſehr verliebet und vertiefet, ſo ſehen ſie die Oeco- nomie als eine geringe und veraͤchtliche Sache an, und bekuͤmmern ſich alſo wenig darum, eine practiſche Erkaͤntnis und Erfahrung darinnen erlangen. Alles, was ſie vom Feld- und Garten-Bau wiſſen und vortragen, das muͤſſen ſie blos aus denen Buͤchern nehmen. Weil ſie nun ſelbſt gar keine Praxin haben, und z. E. in der Feld- Oeconomie nichts geſehen und verſuchet, ſo re- den ſie wie der Blinde von der Farbe. Sie koͤn- nen in den oͤconomiſchen Buͤchern das Falſche und Unnoͤthige nicht von dem Wahren u. Nuͤtz- lichen, und das Nuͤtzliche nicht von dem Noth- wendigen unterſcheiden, u. folglich die Oecono- mie ohnmoͤglich recht gruͤndlich und nuͤtzlich leh- ren. Dahero laufen viele irrige Dinge mit unter: man macht aus gemeinen und bekanten Sachen Geheimniſſe, hingegen wahre Vortheile bleiben weg.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/11
Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- u. Garten-Schatzes. Bd. 2. Erfurt, 1753, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz02_1753/11>, abgerufen am 23.11.2024.