nemlich, wenn sie in einem Reife und Froste be- rühret werden verderben.
Damit aber solches dem geneigten Leser desto glaublicher vorkommen möge, will ich allhier eine Begebenheit anführen, welche sich in dieser Sache allhier zugetragen: Es hatte vor vielen Jahren ein gelehrter und vornehmer Mann, welcher zu- gleich Vorsteher in unserm Grossen-Hospital war, allerhand artige Einfälle. Wenn er sie aber zur Ausübung bringen wolte, kam das Hospital mei- stens in grossen Schaden. Jch will unter andern nur eins, das zu meinem Zwecke dienet, anführen: Es war nemlich kurz vor Johannis-Tag, da allbe- reit die Rocken-Saat geschosset, und den Anfang zu blühen gemacht hatte, zwey Tage vor der Blüthe die Witterung ziemlich rauh und kalt. Nach ver- flossener Zeit fieng es gegen Abend um vier Uhr an stark zu schneyen, welches die ganze Nacht hin- durch dauerte, dergestalt, daß der Schnee die Korn- Aehren durch seine Schwere niederbeugete, und darauf liegen blieb. Den folgenden Tag blieb der Himmel dunkel, und als es den dritten Tag gegen 8 Uhr Morgens aufhörete zu schneyen, verfügte sich unser Herr Vorsteher benebst zweyen Taglöh- nern auf das Feld, und lies mit einem langen Seile, auf vielen Aeckern den Schnee von denen Aehren herunter streichen. Um 3 Uhr Nachmittage fieng der Wind in etwas an zu wehen, u. die Sonne kam unter den Wolken herfürgeblicket welche den übri- gen Schnee, den der Wind nicht abschütteln konte, völlig hinweg thauete. Hierauf stellete sich eine
gute
3. Cap. Von den Korn-Fruͤchten
nemlich, wenn ſie in einem Reife und Froſte be- ruͤhret werden verderben.
Damit aber ſolches dem geneigten Leſer deſto glaublicher vorkommen moͤge, will ich allhier eine Begebenheit anfuͤhren, welche ſich in dieſer Sache allhier zugetragen: Es hatte vor vielen Jahren ein gelehrter und vornehmer Mann, welcher zu- gleich Vorſteher in unſerm Groſſen-Hoſpital war, allerhand artige Einfaͤlle. Wenn er ſie aber zur Ausuͤbung bringen wolte, kam das Hoſpital mei- ſtens in groſſen Schaden. Jch will unter andern nur eins, das zu meinem Zwecke dienet, anfuͤhren: Es war nemlich kurz vor Johannis-Tag, da allbe- reit die Rocken-Saat geſchoſſet, und den Anfang zu bluͤhen gemacht hatte, zwey Tage vor der Bluͤthe die Witterung ziemlich rauh und kalt. Nach ver- floſſener Zeit fieng es gegen Abend um vier Uhr an ſtark zu ſchneyen, welches die ganze Nacht hin- durch dauerte, dergeſtalt, daß der Schnee die Korn- Aehren durch ſeine Schwere niederbeugete, und darauf liegen blieb. Den folgenden Tag blieb der Himmel dunkel, und als es den dritten Tag gegen 8 Uhr Morgens aufhoͤrete zu ſchneyen, verfuͤgte ſich unſer Herr Vorſteher benebſt zweyen Tagloͤh- nern auf das Feld, und lies mit einem langen Seile, auf vielen Aeckern den Schnee von denen Aehren herunter ſtreichen. Um 3 Uhr Nachmittage fieng der Wind in etwas an zu wehen, u. die Sonne kam unter den Wolken herfuͤrgeblicket welche den uͤbri- gen Schnee, den der Wind nicht abſchuͤtteln konte, voͤllig hinweg thauete. Hierauf ſtellete ſich eine
gute
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3. Cap. Von den Korn-Fruͤchten
nemlich, wenn ſie in einem Reife und Froſte be-
ruͤhret werden verderben.
Damit aber ſolches dem geneigten Leſer deſto
glaublicher vorkommen moͤge, will ich allhier eine
Begebenheit anfuͤhren, welche ſich in dieſer Sache
allhier zugetragen: Es hatte vor vielen Jahren
ein gelehrter und vornehmer Mann, welcher zu-
gleich Vorſteher in unſerm Groſſen-Hoſpital war,
allerhand artige Einfaͤlle. Wenn er ſie aber zur
Ausuͤbung bringen wolte, kam das Hoſpital mei-
ſtens in groſſen Schaden. Jch will unter andern
nur eins, das zu meinem Zwecke dienet, anfuͤhren:
Es war nemlich kurz vor Johannis-Tag, da allbe-
reit die Rocken-Saat geſchoſſet, und den Anfang
zu bluͤhen gemacht hatte, zwey Tage vor der Bluͤthe
die Witterung ziemlich rauh und kalt. Nach ver-
floſſener Zeit fieng es gegen Abend um vier Uhr
an ſtark zu ſchneyen, welches die ganze Nacht hin-
durch dauerte, dergeſtalt, daß der Schnee die Korn-
Aehren durch ſeine Schwere niederbeugete, und
darauf liegen blieb. Den folgenden Tag blieb der
Himmel dunkel, und als es den dritten Tag gegen
8 Uhr Morgens aufhoͤrete zu ſchneyen, verfuͤgte
ſich unſer Herr Vorſteher benebſt zweyen Tagloͤh-
nern auf das Feld, und lies mit einem langen Seile,
auf vielen Aeckern den Schnee von denen Aehren
herunter ſtreichen. Um 3 Uhr Nachmittage fieng
der Wind in etwas an zu wehen, u. die Sonne kam
unter den Wolken herfuͤrgeblicket welche den uͤbri-
gen Schnee, den der Wind nicht abſchuͤtteln konte,
voͤllig hinweg thauete. Hierauf ſtellete ſich eine
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Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 5. Erfurt, 1754, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz05_1754/159>, abgerufen am 16.02.2025.
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