chem er mit Unrecht sals, aber aufgehalten wur- de und die Hoffnung zur Freiheit auf immer ver- lohr. Dem Kranken entwischte seit diesem un- glücklichen Zeitpunkt kein Wort, kein Seufzer mehr. In seinen Gliedern, sogar in seinen Au- gen, war nicht die geringste Bewegung sichtbar. Man hätte ihn für eine Bildsäule halten können. In eilf Tagen nahm er nichts von Nahrungsmit- teln zu sich. Es wurden Versuche gemacht, ihm flüssige Dinge durch Hülfe eines Trichters einzugiessen; aber umsonst. Er gab alles ohne Gefühl wieder von sich und starb wie einer ein- schläft *). Ich sah einmal eine andere, aber eben so merkwürdige Wirkung der Furcht auf das Muskelsystem. Ein reicher und rüstiger Mörder wurde unvermuthet in einer fremden Stadt durch Steckbriefe entdeckt und in Verhaft genommen. Er berauschte seine Wächter mit Wein, dass sie einschliefen. Nun versuchte er zu entfliehn und konnte es. Denn das Haus stand gegen den Gar- ten offen und dieser war mit einer niedrigen Mauer von etwan drey Fuss Höhe eingeschlossen. Allein am Morgen fand man ihn noch an dersel- ben herumhüpfend und alle seine Anstrengungen, über dieselbe zu setzen, waren umsonst gewesen.
Eben diese Starrsucht, die wir bis jetzt in den Vorstellungsvermögen aufgesucht haben, affi- cirt auch das Bewegungsvermögen des Seelen-
*) Mem. du Marquis A *** p. 447.
chem er mit Unrecht ſals, aber aufgehalten wur- de und die Hoffnung zur Freiheit auf immer ver- lohr. Dem Kranken entwiſchte ſeit dieſem un- glücklichen Zeitpunkt kein Wort, kein Seufzer mehr. In ſeinen Gliedern, ſogar in ſeinen Au- gen, war nicht die geringſte Bewegung ſichtbar. Man hätte ihn für eine Bildſäule halten können. In eilf Tagen nahm er nichts von Nahrungsmit- teln zu ſich. Es wurden Verſuche gemacht, ihm flüſſige Dinge durch Hülfe eines Trichters einzugieſsen; aber umſonſt. Er gab alles ohne Gefühl wieder von ſich und ſtarb wie einer ein- ſchläft *). Ich ſah einmal eine andere, aber eben ſo merkwürdige Wirkung der Furcht auf das Muskelſyſtem. Ein reicher und rüſtiger Mörder wurde unvermuthet in einer fremden Stadt durch Steckbriefe entdeckt und in Verhaft genommen. Er berauſchte ſeine Wächter mit Wein, daſs ſie einſchliefen. Nun verſuchte er zu entfliehn und konnte es. Denn das Haus ſtand gegen den Gar- ten offen und dieſer war mit einer niedrigen Mauer von etwan drey Fuſs Höhe eingeſchloſſen. Allein am Morgen fand man ihn noch an derſel- ben herumhüpfend und alle ſeine Anſtrengungen, über dieſelbe zu ſetzen, waren umſonſt geweſen.
Eben dieſe Starrſucht, die wir bis jetzt in den Vorſtellungsvermögen aufgeſucht haben, affi- cirt auch das Bewegungsvermögen des Seelen-
*) Mém. du Marquis A *** p. 447.
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chem er mit Unrecht ſals, aber aufgehalten wur-
de und die Hoffnung zur Freiheit auf immer ver-
lohr. Dem Kranken entwiſchte ſeit dieſem un-
glücklichen Zeitpunkt kein Wort, kein Seufzer
mehr. In ſeinen Gliedern, ſogar in ſeinen Au-
gen, war nicht die geringſte Bewegung ſichtbar.
Man hätte ihn für eine Bildſäule halten können.
In eilf Tagen nahm er nichts von Nahrungsmit-
teln zu ſich. Es wurden Verſuche gemacht, ihm
flüſſige Dinge durch Hülfe eines Trichters
einzugieſsen; aber umſonſt. Er gab alles ohne
Gefühl wieder von ſich und ſtarb wie einer ein-
ſchläft *). Ich ſah einmal eine andere, aber eben
ſo merkwürdige Wirkung der Furcht auf das
Muskelſyſtem. Ein reicher und rüſtiger Mörder
wurde unvermuthet in einer fremden Stadt durch
Steckbriefe entdeckt und in Verhaft genommen.
Er berauſchte ſeine Wächter mit Wein, daſs ſie
einſchliefen. Nun verſuchte er zu entfliehn und
konnte es. Denn das Haus ſtand gegen den Gar-
ten offen und dieſer war mit einer niedrigen
Mauer von etwan drey Fuſs Höhe eingeſchloſſen.
Allein am Morgen fand man ihn noch an derſel-
ben herumhüpfend und alle ſeine Anſtrengungen,
über dieſelbe zu ſetzen, waren umſonſt geweſen.
Eben dieſe Starrſucht, die wir bis jetzt in
den Vorſtellungsvermögen aufgeſucht haben, affi-
cirt auch das Bewegungsvermögen des Seelen-
*) Mém. du Marquis A *** p. 447.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/135>, abgerufen am 23.11.2024.
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