wirkt, werde ich psychische Mittel nennen, um sie von den Arzneien und chirurgischen Mit- teln zu unterscheiden. Dies Prädikat lege ich ihnen aber keinesweges in Rücksicht dessen, was sie an sich sind, sondern bloss in Beziehung ihrer Wirkungen auf den Menschen bey, sofern sie nemlich dessen Krankheiten durch zweckmässige Veränderungen seiner Seele zu entfernen im Stan- de sind. Denn an sich können sie körperlicher oder unkörperlicher Natur seyn. Einige dersel- ben sind materielle Substanzen, durch welche der Arzt den Körper auf eine so bestimmte Art verändert, dass die Seele seine Zustände vermit- telst des Gemeingefühls unter der Form der Lust oder des Schmerzes wahrnehmen muss. Diese Zu- stände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen dieselben zu beachten, scheint der hauptsächlichste Zweck zu seyn, den wir durch ihre Anwendung beabsichtigen. Weniger ist auf die Fortpflanzung und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit- tel selbst berechnet. Andere psychische Mittel sind Reize für die Sinnorgane, die in Rücksicht des beabsichtigten Zwecks mit den vorigen im um- gekehrten Verhältniss stehn. Durch sie suchen wir die Seele nicht sowohl zur Wahrnehmung ihres veränderten Körperzustandes, sondern vielmehr zur Anschauung der vorgesteckten Objekte zu nöthigen und durch die Anschauung das gesamm- te Spiel ihrer Kräfte zu erregen. Andere sind
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wirkt, werde ich pſychiſche Mittel nennen, um ſie von den Arzneien und chirurgiſchen Mit- teln zu unterſcheiden. Dies Prädikat lege ich ihnen aber keinesweges in Rückſicht deſſen, was ſie an ſich ſind, ſondern bloſs in Beziehung ihrer Wirkungen auf den Menſchen bey, ſofern ſie nemlich deſſen Krankheiten durch zweckmäſsige Veränderungen ſeiner Seele zu entfernen im Stan- de ſind. Denn an ſich können ſie körperlicher oder unkörperlicher Natur ſeyn. Einige derſel- ben ſind materielle Subſtanzen, durch welche der Arzt den Körper auf eine ſo beſtimmte Art verändert, daſs die Seele ſeine Zuſtände vermit- telſt des Gemeingefühls unter der Form der Luſt oder des Schmerzes wahrnehmen muſs. Dieſe Zu- ſtände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen dieſelben zu beachten, ſcheint der hauptſächlichſte Zweck zu ſeyn, den wir durch ihre Anwendung beabſichtigen. Weniger iſt auf die Fortpflanzung und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit- tel ſelbſt berechnet. Andere pſychiſche Mittel ſind Reize für die Sinnorgane, die in Rückſicht des beabſichtigten Zwecks mit den vorigen im um- gekehrten Verhältniſs ſtehn. Durch ſie ſuchen wir die Seele nicht ſowohl zur Wahrnehmung ihres veränderten Körperzuſtandes, ſondern vielmehr zur Anſchauung der vorgeſteckten Objekte zu nöthigen und durch die Anſchauung das geſamm- te Spiel ihrer Kräfte zu erregen. Andere ſind
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wirkt, werde ich pſychiſche Mittel nennen,
um ſie von den Arzneien und chirurgiſchen Mit-
teln zu unterſcheiden. Dies Prädikat lege ich
ihnen aber keinesweges in Rückſicht deſſen, was
ſie an ſich ſind, ſondern bloſs in Beziehung ihrer
Wirkungen auf den Menſchen bey, ſofern ſie
nemlich deſſen Krankheiten durch zweckmäſsige
Veränderungen ſeiner Seele zu entfernen im Stan-
de ſind. Denn an ſich können ſie körperlicher
oder unkörperlicher Natur ſeyn. Einige derſel-
ben ſind materielle Subſtanzen, durch welche
der Arzt den Körper auf eine ſo beſtimmte Art
verändert, daſs die Seele ſeine Zuſtände vermit-
telſt des Gemeingefühls unter der Form der Luſt
oder des Schmerzes wahrnehmen muſs. Dieſe Zu-
ſtände hervorzubringen und die Seele zu nöthigen
dieſelben zu beachten, ſcheint der hauptſächlichſte
Zweck zu ſeyn, den wir durch ihre Anwendung
beabſichtigen. Weniger iſt auf die Fortpflanzung
und Ausbreitung der Erregungen im Seelenorgan
und auf die unmittelbare Wahrnehmung der Mit-
tel ſelbſt berechnet. Andere pſychiſche Mittel
ſind Reize für die Sinnorgane, die in Rückſicht
des beabſichtigten Zwecks mit den vorigen im um-
gekehrten Verhältniſs ſtehn. Durch ſie ſuchen
wir die Seele nicht ſowohl zur Wahrnehmung ihres
veränderten Körperzuſtandes, ſondern vielmehr
zur Anſchauung der vorgeſteckten Objekte zu
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/150>, abgerufen am 22.11.2024.
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