zu ihnen herabsinken kann, wenn sein Körper durch Krankheiten merklich verletzt wird. Eben deswegen kann dieser Zustand auch schwerlich anders, als durch Entfernung der Krankheiten getilgt werden, durch welche er entstanden ist. Das sinnliche Begehrungsvermögen wirkt nach dem Zwecke der erkannten Lust oder Unlust; der Wille nach Vernunft-Maximen, die das Nützliche zu wollen, das Schädliche zu meiden gebieten, wenn es gleich nicht unmittel- bar mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen verknüpft ist. Der Wille ist in sofern frey, als ihn diese Maximen nicht nothwendig zum Han- deln bestimmen.
Nachdem ich die Wirkungsart der psychi- schen Mittel gezeigt habe, gehe ich zu den Me- thoden ihres Gebrauchs fort. Diese sind doppelter Art. Die Seele wirkt, wie der Körper, gezwungen durch Erregungsmittel, die ich Reize nenne, sofern alle Erregungsmittel, im medicinischen Sinn, unter diesem Namen be- griffen sind. Diese Reize sind, in Rücksicht ihres Zugangs zur Seele, entweder Einflüsse aufs Gemeingefühl, oder Einflüsse auf die Sinnorgane, oder schon vorhandene Hirnthätigkeiten. In Rücksicht ihres Ver- hältnisses zu ihrem Zweck sind sie entweder normal, oder abnorm, oder Heilmittel. Das erste, wenn sie die Seele ihrer Naturbestim- mung gemäss erregen, das zweite, wenn sie die-
zu ihnen herabſinken kann, wenn ſein Körper durch Krankheiten merklich verletzt wird. Eben deswegen kann dieſer Zuſtand auch ſchwerlich anders, als durch Entfernung der Krankheiten getilgt werden, durch welche er entſtanden iſt. Das ſinnliche Begehrungsvermögen wirkt nach dem Zwecke der erkannten Luſt oder Unluſt; der Wille nach Vernunft-Maximen, die das Nützliche zu wollen, das Schädliche zu meiden gebieten, wenn es gleich nicht unmittel- bar mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen verknüpft iſt. Der Wille iſt in ſofern frey, als ihn dieſe Maximen nicht nothwendig zum Han- deln beſtimmen.
Nachdem ich die Wirkungsart der pſychi- ſchen Mittel gezeigt habe, gehe ich zu den Me- thoden ihres Gebrauchs fort. Dieſe ſind doppelter Art. Die Seele wirkt, wie der Körper, gezwungen durch Erregungsmittel, die ich Reize nenne, ſofern alle Erregungsmittel, im mediciniſchen Sinn, unter dieſem Namen be- griffen ſind. Dieſe Reize ſind, in Rückſicht ihres Zugangs zur Seele, entweder Einflüſſe aufs Gemeingefühl, oder Einflüſſe auf die Sinnorgane, oder ſchon vorhandene Hirnthätigkeiten. In Rückſicht ihres Ver- hältniſſes zu ihrem Zweck ſind ſie entweder normal, oder abnorm, oder Heilmittel. Das erſte, wenn ſie die Seele ihrer Naturbeſtim- mung gemäſs erregen, das zweite, wenn ſie die-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0172"n="167"/>
zu ihnen herabſinken kann, wenn ſein Körper<lb/>
durch Krankheiten merklich verletzt wird. Eben<lb/>
deswegen kann dieſer Zuſtand auch ſchwerlich<lb/>
anders, als durch Entfernung der Krankheiten<lb/>
getilgt werden, durch welche er entſtanden iſt.<lb/><hirendition="#g">Das ſinnliche Begehrungsvermögen</hi><lb/>
wirkt nach dem Zwecke der erkannten Luſt oder<lb/>
Unluſt; der <hirendition="#g">Wille</hi> nach Vernunft-Maximen,<lb/>
die das Nützliche zu wollen, das Schädliche zu<lb/>
meiden gebieten, wenn es gleich nicht unmittel-<lb/>
bar mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen<lb/>
verknüpft iſt. Der Wille iſt in ſofern frey, als<lb/>
ihn dieſe Maximen nicht nothwendig zum Han-<lb/>
deln beſtimmen.</p><lb/><p>Nachdem ich die Wirkungsart der pſychi-<lb/>ſchen Mittel gezeigt habe, gehe ich zu den <hirendition="#g">Me-<lb/>
thoden ihres Gebrauchs</hi> fort. Dieſe ſind<lb/><hirendition="#g">doppelter</hi> Art. Die Seele wirkt, wie der<lb/>
Körper, gezwungen durch Erregungsmittel, die<lb/>
ich <hirendition="#g">Reize</hi> nenne, ſofern alle Erregungsmittel,<lb/>
im mediciniſchen Sinn, unter dieſem Namen be-<lb/>
griffen ſind. Dieſe Reize ſind, in Rückſicht ihres<lb/>
Zugangs zur Seele, entweder <hirendition="#g">Einflüſſe aufs<lb/>
Gemeingefühl</hi>, oder <hirendition="#g">Einflüſſe auf die<lb/>
Sinnorgane</hi>, oder <hirendition="#g">ſchon vorhandene<lb/>
Hirnthätigkeiten</hi>. In Rückſicht ihres Ver-<lb/>
hältniſſes zu ihrem Zweck ſind ſie entweder<lb/><hirendition="#g">normal</hi>, oder <hirendition="#g">abnorm</hi>, oder <hirendition="#g">Heilmittel</hi>.<lb/>
Das erſte, wenn ſie die Seele ihrer Naturbeſtim-<lb/>
mung gemäſs erregen, das zweite, wenn ſie die-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0172]
zu ihnen herabſinken kann, wenn ſein Körper
durch Krankheiten merklich verletzt wird. Eben
deswegen kann dieſer Zuſtand auch ſchwerlich
anders, als durch Entfernung der Krankheiten
getilgt werden, durch welche er entſtanden iſt.
Das ſinnliche Begehrungsvermögen
wirkt nach dem Zwecke der erkannten Luſt oder
Unluſt; der Wille nach Vernunft-Maximen,
die das Nützliche zu wollen, das Schädliche zu
meiden gebieten, wenn es gleich nicht unmittel-
bar mit angenehmen oder unangenehmen Gefühlen
verknüpft iſt. Der Wille iſt in ſofern frey, als
ihn dieſe Maximen nicht nothwendig zum Han-
deln beſtimmen.
Nachdem ich die Wirkungsart der pſychi-
ſchen Mittel gezeigt habe, gehe ich zu den Me-
thoden ihres Gebrauchs fort. Dieſe ſind
doppelter Art. Die Seele wirkt, wie der
Körper, gezwungen durch Erregungsmittel, die
ich Reize nenne, ſofern alle Erregungsmittel,
im mediciniſchen Sinn, unter dieſem Namen be-
griffen ſind. Dieſe Reize ſind, in Rückſicht ihres
Zugangs zur Seele, entweder Einflüſſe aufs
Gemeingefühl, oder Einflüſſe auf die
Sinnorgane, oder ſchon vorhandene
Hirnthätigkeiten. In Rückſicht ihres Ver-
hältniſſes zu ihrem Zweck ſind ſie entweder
normal, oder abnorm, oder Heilmittel.
Das erſte, wenn ſie die Seele ihrer Naturbeſtim-
mung gemäſs erregen, das zweite, wenn ſie die-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/172>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.