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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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beschäfftigen, weil in beiden Fällen ein gehaltner
und mässiger Grad von Erregung obwaltet.
Wirkt die Seele heftig und stossweise, so muss
man ein Zerstreuungsmittel aufsuchen, das ähnli-
che convulsivische Erschütterungen hervorbringt
und erst nach und nach zu mildern Reizungen
übergehen. Dann muss das gewählte Zerstreu-
ungsmittel ein der fixen Idee des Kran-
ken nahe kommendes Interesse für
ihn haben
. Spiele würden z. B. schlechte Zer-
streuungsmittel für Menschen seyn, die durch
Unglück stark gebeugt sind. Hingegen können
Gefahren der Ehre und des Vermögens, Krank-
heiten der Kinder oder anderer nahen Verwandten
anziehen. Doch darf dasselbe auch kein so
grosses Interesse haben, als der Ge-
genstand, den es tilgen soll, damit
derselbe nicht ganz aus dem Auge ge-
rückt werde
. Die fixe Idee verlöscht nur
dann ohne Schaden, wenn wir uns mit ihr be-
kannt machen, sie immerhin in der Erinnerung
vorrufen und sie wieder für eine Zeitlang schwin-
den lassen. Dies verhütet, dass sie nicht habi-
tuell wird; jenes, dass sie allmälig ihr Interesse
verliert und zuletzt abstirbt. Könnte man das
Bewusstseyn eines erlittenen Unglücks, das zur
Schwermuth führen kann, für eine Zeitlang ganz
unterdrücken, z. B. durch einen langen Schlaf,
so wäre damit nichts weiter als Aufschub des zu
fürchtenden Uebels gewonnen. Es kehrt nach

diesem

beſchäfftigen, weil in beiden Fällen ein gehaltner
und mäſsiger Grad von Erregung obwaltet.
Wirkt die Seele heftig und ſtoſsweiſe, ſo muſs
man ein Zerſtreuungsmittel aufſuchen, das ähnli-
che convulſiviſche Erſchütterungen hervorbringt
und erſt nach und nach zu mildern Reizungen
übergehen. Dann muſs das gewählte Zerſtreu-
ungsmittel ein der fixen Idee des Kran-
ken nahe kommendes Intereſſe für
ihn haben
. Spiele würden z. B. ſchlechte Zer-
ſtreuungsmittel für Menſchen ſeyn, die durch
Unglück ſtark gebeugt ſind. Hingegen können
Gefahren der Ehre und des Vermögens, Krank-
heiten der Kinder oder anderer nahen Verwandten
anziehen. Doch darf daſſelbe auch kein ſo
groſses Intereſſe haben, als der Ge-
genſtand, den es tilgen ſoll, damit
derſelbe nicht ganz aus dem Auge ge-
rückt werde
. Die fixe Idee verlöſcht nur
dann ohne Schaden, wenn wir uns mit ihr be-
kannt machen, ſie immerhin in der Erinnerung
vorrufen und ſie wieder für eine Zeitlang ſchwin-
den laſſen. Dies verhütet, daſs ſie nicht habi-
tuell wird; jenes, daſs ſie allmälig ihr Intereſſe
verliert und zuletzt abſtirbt. Könnte man das
Bewuſstſeyn eines erlittenen Unglücks, das zur
Schwermuth führen kann, für eine Zeitlang ganz
unterdrücken, z. B. durch einen langen Schlaf,
ſo wäre damit nichts weiter als Aufſchub des zu
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[176/0181] beſchäfftigen, weil in beiden Fällen ein gehaltner und mäſsiger Grad von Erregung obwaltet. Wirkt die Seele heftig und ſtoſsweiſe, ſo muſs man ein Zerſtreuungsmittel aufſuchen, das ähnli- che convulſiviſche Erſchütterungen hervorbringt und erſt nach und nach zu mildern Reizungen übergehen. Dann muſs das gewählte Zerſtreu- ungsmittel ein der fixen Idee des Kran- ken nahe kommendes Intereſſe für ihn haben. Spiele würden z. B. ſchlechte Zer- ſtreuungsmittel für Menſchen ſeyn, die durch Unglück ſtark gebeugt ſind. Hingegen können Gefahren der Ehre und des Vermögens, Krank- heiten der Kinder oder anderer nahen Verwandten anziehen. Doch darf daſſelbe auch kein ſo groſses Intereſſe haben, als der Ge- genſtand, den es tilgen ſoll, damit derſelbe nicht ganz aus dem Auge ge- rückt werde. Die fixe Idee verlöſcht nur dann ohne Schaden, wenn wir uns mit ihr be- kannt machen, ſie immerhin in der Erinnerung vorrufen und ſie wieder für eine Zeitlang ſchwin- den laſſen. Dies verhütet, daſs ſie nicht habi- tuell wird; jenes, daſs ſie allmälig ihr Intereſſe verliert und zuletzt abſtirbt. Könnte man das Bewuſstſeyn eines erlittenen Unglücks, das zur Schwermuth führen kann, für eine Zeitlang ganz unterdrücken, z. B. durch einen langen Schlaf, ſo wäre damit nichts weiter als Aufſchub des zu fürchtenden Uebels gewonnen. Es kehrt nach dieſem

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/181>, abgerufen am 21.11.2024.