nem Schiff ins Meer stürzen. Willis liess ein Haus über einen See bauen, welches in dem nemlichen Augenblick zusammenfiel, als die Kranke hineintrat, und sie in die Tiefe versenkte. Es ist ein Hauptmittel, sagt Boerhaave*) die Wahnsinnigen ins Meer zu stürzen und sie so lange darin unterzutauchen, als sie es aushalten können. Sofern dies Mittel bloss psychisch wir- ken soll, scheint das lange Untertauchen ohne Zweck zu seyn. Doch fordert v. Helmont**) es als eine nothwendige Bedingung. Nur dann, sagt er, hilft das Stürzen ins Meer nicht wider den Wahnsinn, wenn man die Kranken aus Furcht, sie möchten sterben, zu früh wieder in die Höhe zieht. Ein alter Mann wurde, mit ei- nem Gewicht an den Füssen, so lange ins Wasser versenkt, als zur Hersagung des Psalms Mise- rere Zeit erfordert wird ***). Wir haben viele Beispiele, dass Rasende und Wahnsinnige ihren Wärtern entsprungen, sich in Brunnen, Flüsse und Seen gestürzt und gesund wieder aus dem
*) Praecipitatio in mare, submersio in eo continu- ata, quamdiu ferri potest, princeps remedium. Aphor. §. 1123.
**) Demens idaea p. 228.
***) Quos ratio non restituit, temeritas adjuvat. Celsus Lib. III. c. 9.
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nem Schiff ins Meer ſtürzen. Willis lieſs ein Haus über einen See bauen, welches in dem nemlichen Augenblick zuſammenfiel, als die Kranke hineintrat, und ſie in die Tiefe verſenkte. Es iſt ein Hauptmittel, ſagt Boerhaave*) die Wahnſinnigen ins Meer zu ſtürzen und ſie ſo lange darin unterzutauchen, als ſie es aushalten können. Sofern dies Mittel bloſs pſychiſch wir- ken ſoll, ſcheint das lange Untertauchen ohne Zweck zu ſeyn. Doch fordert v. Helmont**) es als eine nothwendige Bedingung. Nur dann, ſagt er, hilft das Stürzen ins Meer nicht wider den Wahnſinn, wenn man die Kranken aus Furcht, ſie möchten ſterben, zu früh wieder in die Höhe zieht. Ein alter Mann wurde, mit ei- nem Gewicht an den Füſsen, ſo lange ins Waſſer verſenkt, als zur Herſagung des Pſalms Miſe- rere Zeit erfordert wird ***). Wir haben viele Beiſpiele, daſs Raſende und Wahnſinnige ihren Wärtern entſprungen, ſich in Brunnen, Flüſſe und Seen geſtürzt und geſund wieder aus dem
*) Praecipitatio in mare, ſubmerſio in eo continu- ata, quamdiu ferri poteſt, princeps remedium. Aphor. §. 1123.
**) Demens idaea p. 228.
***) Quos ratio non reſtituit, temeritas adjuvat. Celſus Lib. III. c. 9.
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nem Schiff ins Meer ſtürzen. Willis lieſs ein
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Kranke hineintrat, und ſie in die Tiefe verſenkte.
Es iſt ein Hauptmittel, ſagt Boerhaave *) die
Wahnſinnigen ins Meer zu ſtürzen und ſie ſo
lange darin unterzutauchen, als ſie es aushalten
können. Sofern dies Mittel bloſs pſychiſch wir-
ken ſoll, ſcheint das lange Untertauchen ohne
Zweck zu ſeyn. Doch fordert v. Helmont **)
es als eine nothwendige Bedingung. Nur dann,
ſagt er, hilft das Stürzen ins Meer nicht wider
den Wahnſinn, wenn man die Kranken aus
Furcht, ſie möchten ſterben, zu früh wieder in
die Höhe zieht. Ein alter Mann wurde, mit ei-
nem Gewicht an den Füſsen, ſo lange ins Waſſer
verſenkt, als zur Herſagung des Pſalms Miſe-
rere Zeit erfordert wird ***). Wir haben viele
Beiſpiele, daſs Raſende und Wahnſinnige ihren
Wärtern entſprungen, ſich in Brunnen, Flüſſe
und Seen geſtürzt und geſund wieder aus dem
*) Praecipitatio in mare, ſubmerſio in eo continu-
ata, quamdiu ferri poteſt, princeps remedium.
Aphor. §. 1123.
**) Demens idaea p. 228.
***) Quos ratio non reſtituit, temeritas adjuvat.
Celſus Lib. III. c. 9.
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/198>, abgerufen am 21.11.2024.
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