Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

welches die Verrückten wahrzunehmen meistens
wohl im Stande sind. Dies erregt Verachtung.
Wir haben aber dafür zu sorgen, dass das Gefühl
der Furcht, um seine Wirkungen dauerhaft zu
machen, mit dem Gefühle der Achtung verbunden
sey. Die Strafe muss nicht ohne Grund gedroht,
aber alsdenn auch, und zwar in Gegenwart der
andern, vollzogen werden. Dies wirkt auf
beide, auf den, der die Strafe empfängt, und auf
die Zuschauer. Sie muss von einem eignen Büttel,
und nie von Personen vollzogen werden, die den
Kranken hauptsächlich zu besorgen haben. Zur
Züchtigung nimmt man Ruthen oder Ochsenzie-
mer. Zuweilen kann man auch, nach der Em-
pfänglichkeit der Kranken, durch Einsperrung,
Hunger und Beschimpfung strafen. Die Züchti-
gung muss immer nach dem Urtheile der Ober-
aufseher zuerkannt und diesem gemäss vollzogen
werden. Nie darf es den gemeinen Wärtern er-
laubt seyn, nach ihrem Gutdünken zu schlagen.

II. Objekte, die dem äusseren Sinn
besonders dem Auge, Ohr und dem
Getast zur Anschauung vorgehalten
werden
. Bey diesen Mitteln ist es auf die An-
schauung derselben und auf das durch sie erregte
Spiel der übrigen Seelenkräfte abgesehn. Wäh-
rend dem, dass dies geschieht, ist die Seele ge-
nöthigt, diejenige Thätigkeit einzustellen, in
welcher sie eben begriffen ist. Wir machen einen
doppelten Gebrauch von diesen Mitteln. Entwe-

welches die Verrückten wahrzunehmen meiſtens
wohl im Stande ſind. Dies erregt Verachtung.
Wir haben aber dafür zu ſorgen, daſs das Gefühl
der Furcht, um ſeine Wirkungen dauerhaft zu
machen, mit dem Gefühle der Achtung verbunden
ſey. Die Strafe muſs nicht ohne Grund gedroht,
aber alsdenn auch, und zwar in Gegenwart der
andern, vollzogen werden. Dies wirkt auf
beide, auf den, der die Strafe empfängt, und auf
die Zuſchauer. Sie muſs von einem eignen Büttel,
und nie von Perſonen vollzogen werden, die den
Kranken hauptſächlich zu beſorgen haben. Zur
Züchtigung nimmt man Ruthen oder Ochſenzie-
mer. Zuweilen kann man auch, nach der Em-
pfänglichkeit der Kranken, durch Einſperrung,
Hunger und Beſchimpfung ſtrafen. Die Züchti-
gung muſs immer nach dem Urtheile der Ober-
aufſeher zuerkannt und dieſem gemäſs vollzogen
werden. Nie darf es den gemeinen Wärtern er-
laubt ſeyn, nach ihrem Gutdünken zu ſchlagen.

II. Objekte, die dem äuſseren Sinn
beſonders dem Auge, Ohr und dem
Getaſt zur Anſchauung vorgehalten
werden
. Bey dieſen Mitteln iſt es auf die An-
ſchauung derſelben und auf das durch ſie erregte
Spiel der übrigen Seelenkräfte abgeſehn. Wäh-
rend dem, daſs dies geſchieht, iſt die Seele ge-
nöthigt, diejenige Thätigkeit einzuſtellen, in
welcher ſie eben begriffen iſt. Wir machen einen
doppelten Gebrauch von dieſen Mitteln. Entwe-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0203" n="198"/>
welches die Verrückten wahrzunehmen mei&#x017F;tens<lb/>
wohl im Stande &#x017F;ind. Dies erregt Verachtung.<lb/>
Wir haben aber dafür zu &#x017F;orgen, da&#x017F;s das Gefühl<lb/>
der Furcht, um &#x017F;eine Wirkungen dauerhaft zu<lb/>
machen, mit dem Gefühle der Achtung verbunden<lb/>
&#x017F;ey. Die Strafe mu&#x017F;s nicht ohne Grund gedroht,<lb/>
aber alsdenn auch, und zwar in Gegenwart der<lb/>
andern, vollzogen werden. Dies wirkt auf<lb/>
beide, auf den, der die Strafe empfängt, und auf<lb/>
die Zu&#x017F;chauer. Sie mu&#x017F;s von einem eignen Büttel,<lb/>
und nie von Per&#x017F;onen vollzogen werden, die den<lb/>
Kranken haupt&#x017F;ächlich zu be&#x017F;orgen haben. Zur<lb/>
Züchtigung nimmt man Ruthen oder Och&#x017F;enzie-<lb/>
mer. Zuweilen kann man auch, nach der Em-<lb/>
pfänglichkeit der Kranken, durch Ein&#x017F;perrung,<lb/>
Hunger und Be&#x017F;chimpfung &#x017F;trafen. Die Züchti-<lb/>
gung mu&#x017F;s immer nach dem Urtheile der Ober-<lb/>
auf&#x017F;eher zuerkannt und die&#x017F;em gemä&#x017F;s vollzogen<lb/>
werden. Nie darf es den gemeinen Wärtern er-<lb/>
laubt &#x017F;eyn, nach ihrem Gutdünken zu &#x017F;chlagen.</p><lb/>
          <p>II. <hi rendition="#g">Objekte, die dem äu&#x017F;seren Sinn<lb/>
be&#x017F;onders dem Auge, Ohr und dem<lb/>
Geta&#x017F;t zur An&#x017F;chauung vorgehalten<lb/>
werden</hi>. Bey die&#x017F;en Mitteln i&#x017F;t es auf die An-<lb/>
&#x017F;chauung der&#x017F;elben und auf das durch &#x017F;ie erregte<lb/>
Spiel der übrigen Seelenkräfte abge&#x017F;ehn. Wäh-<lb/>
rend dem, da&#x017F;s dies ge&#x017F;chieht, i&#x017F;t die Seele ge-<lb/>
nöthigt, diejenige Thätigkeit einzu&#x017F;tellen, in<lb/>
welcher &#x017F;ie eben begriffen i&#x017F;t. Wir machen einen<lb/>
doppelten Gebrauch von die&#x017F;en Mitteln. Entwe-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0203] welches die Verrückten wahrzunehmen meiſtens wohl im Stande ſind. Dies erregt Verachtung. Wir haben aber dafür zu ſorgen, daſs das Gefühl der Furcht, um ſeine Wirkungen dauerhaft zu machen, mit dem Gefühle der Achtung verbunden ſey. Die Strafe muſs nicht ohne Grund gedroht, aber alsdenn auch, und zwar in Gegenwart der andern, vollzogen werden. Dies wirkt auf beide, auf den, der die Strafe empfängt, und auf die Zuſchauer. Sie muſs von einem eignen Büttel, und nie von Perſonen vollzogen werden, die den Kranken hauptſächlich zu beſorgen haben. Zur Züchtigung nimmt man Ruthen oder Ochſenzie- mer. Zuweilen kann man auch, nach der Em- pfänglichkeit der Kranken, durch Einſperrung, Hunger und Beſchimpfung ſtrafen. Die Züchti- gung muſs immer nach dem Urtheile der Ober- aufſeher zuerkannt und dieſem gemäſs vollzogen werden. Nie darf es den gemeinen Wärtern er- laubt ſeyn, nach ihrem Gutdünken zu ſchlagen. II. Objekte, die dem äuſseren Sinn beſonders dem Auge, Ohr und dem Getaſt zur Anſchauung vorgehalten werden. Bey dieſen Mitteln iſt es auf die An- ſchauung derſelben und auf das durch ſie erregte Spiel der übrigen Seelenkräfte abgeſehn. Wäh- rend dem, daſs dies geſchieht, iſt die Seele ge- nöthigt, diejenige Thätigkeit einzuſtellen, in welcher ſie eben begriffen iſt. Wir machen einen doppelten Gebrauch von dieſen Mitteln. Entwe-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/203
Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/203>, abgerufen am 22.11.2024.