sie allmählich von selbst verlöscht. Dazu gehört nun mancherley; Abstumpfung einer zu reizbaren Beschaffenheit des Körpers, die die Aufmerk- samkeit des Hypochondristen zu sehr an densel- ben heranzieht; Entfernung der Gelegenheits- Ursachen im Körper und ausser demselben z. B. Reize des Gemeingefühls, Gegenstände der Lie- be, des Hasses; zweckmässige Hülfen bey der frühsten Entwickelung der fixen Idee, damit sie nicht Wurzel fasse; endlich Vorschiebung solcher Objekte, die nächst dem fixirten das meiste Inte- resse für den Kranken haben, nach den Regeln, die oben bey der Gemüthszerstreuung, als Heil- mittel wider Seelenkrankheiten, angegeben sind.
Alle Ideen, die uns durch ihr Interesse fes- seln, verlöschen endlich durch die Zeit, wenn sie durch einstweilige Vorfälle ausser uns und nicht etwan durch permanente Gegen- stände in und ausser dem Körper erregt werden. In diesen Fällen kömmt daher alles darauf an, die Zeit zu gewinnen, die das Uebel zuverlässig heilt, ohne dass bis dahin, durch die überspannte An- strengung des Gehirns, Verletzungen desselben entstehn, die ihrer Natur nach unheilbar sind. Wenn der Verlust irgend eines Glücksguts den Kranken fesselt; so kann die vorgespiegelte Hoff- nung eines bedeutenden Gewinns, oder die Ge- fahr, ein anderes eben so grosses Gut zu verlie- ren, ihn in ein Schwanken zwischen mehreren Objekten versetzen, wodurch die Fixirung auf
ſie allmählich von ſelbſt verlöſcht. Dazu gehört nun mancherley; Abſtumpfung einer zu reizbaren Beſchaffenheit des Körpers, die die Aufmerk- ſamkeit des Hypochondriſten zu ſehr an denſel- ben heranzieht; Entfernung der Gelegenheits- Urſachen im Körper und auſser demſelben z. B. Reize des Gemeingefühls, Gegenſtände der Lie- be, des Haſſes; zweckmäſsige Hülfen bey der frühſten Entwickelung der fixen Idee, damit ſie nicht Wurzel faſſe; endlich Vorſchiebung ſolcher Objekte, die nächſt dem fixirten das meiſte Inte- reſſe für den Kranken haben, nach den Regeln, die oben bey der Gemüthszerſtreuung, als Heil- mittel wider Seelenkrankheiten, angegeben ſind.
Alle Ideen, die uns durch ihr Intereſſe feſ- ſeln, verlöſchen endlich durch die Zeit, wenn ſie durch einſtweilige Vorfälle auſser uns und nicht etwan durch permanente Gegen- ſtände in und auſser dem Körper erregt werden. In dieſen Fällen kömmt daher alles darauf an, die Zeit zu gewinnen, die das Uebel zuverläſſig heilt, ohne daſs bis dahin, durch die überſpannte An- ſtrengung des Gehirns, Verletzungen deſſelben entſtehn, die ihrer Natur nach unheilbar ſind. Wenn der Verluſt irgend eines Glücksguts den Kranken feſſelt; ſo kann die vorgeſpiegelte Hoff- nung eines bedeutenden Gewinns, oder die Ge- fahr, ein anderes eben ſo groſses Gut zu verlie- ren, ihn in ein Schwanken zwiſchen mehreren Objekten verſetzen, wodurch die Fixirung auf
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ſie allmählich von ſelbſt verlöſcht. Dazu gehört
nun mancherley; Abſtumpfung einer zu reizbaren
Beſchaffenheit des Körpers, die die Aufmerk-
ſamkeit des Hypochondriſten zu ſehr an denſel-
ben heranzieht; Entfernung der Gelegenheits-
Urſachen im Körper und auſser demſelben z. B.
Reize des Gemeingefühls, Gegenſtände der Lie-
be, des Haſſes; zweckmäſsige Hülfen bey der
frühſten Entwickelung der fixen Idee, damit ſie
nicht Wurzel faſſe; endlich Vorſchiebung ſolcher
Objekte, die nächſt dem fixirten das meiſte Inte-
reſſe für den Kranken haben, nach den Regeln,
die oben bey der Gemüthszerſtreuung, als Heil-
mittel wider Seelenkrankheiten, angegeben ſind.
Alle Ideen, die uns durch ihr Intereſſe feſ-
ſeln, verlöſchen endlich durch die
Zeit, wenn ſie durch einſtweilige Vorfälle auſser
uns und nicht etwan durch permanente Gegen-
ſtände in und auſser dem Körper erregt werden.
In dieſen Fällen kömmt daher alles darauf an, die
Zeit zu gewinnen, die das Uebel zuverläſſig heilt,
ohne daſs bis dahin, durch die überſpannte An-
ſtrengung des Gehirns, Verletzungen deſſelben
entſtehn, die ihrer Natur nach unheilbar ſind.
Wenn der Verluſt irgend eines Glücksguts den
Kranken feſſelt; ſo kann die vorgeſpiegelte Hoff-
nung eines bedeutenden Gewinns, oder die Ge-
fahr, ein anderes eben ſo groſses Gut zu verlie-
ren, ihn in ein Schwanken zwiſchen mehreren
Objekten verſetzen, wodurch die Fixirung auf
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/330>, abgerufen am 21.11.2024.
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