rungsvermögen einfliesst, das Interesse anzieht, die Leidenschaften erregt und die Handlungen des Kranken bestimmt. Einige derselben sind höchst wandelbar, und können nicht besonders bemerkt werden, andere fliessen unmittelbar aus der ver- schiedenen Natur der fixirten Vorstellung, und haben mehr oder weniger Einfluss auf das psy- chische Heilgeschäfft. Diese Variationen müssen, wenn sie einige Selbstständigkeit haben sollen, entweder allein nach der specifischen Dif- ferenz der fixen Ideen, oder nach der Wirkung bestimmt werden, die dieselben in der Seele hervorbringen. Auf die erste Regel bezieht sich der Wahn erlangter Reichthümer, eines umgewandelten Körpers, bestimmter Gewissensbisse; auf die andere Le- bensüberdruss, der dumpfe, der rastlose Wahn- sinn. Mir scheint die erste Regel die beste zu seyn, der ich daher vorzüglich folgen will. Doch springt man leicht ab, weil manche fixe Ideen in dem nemlichen Effect, z. B. im Lebensüberdruss, zusammenstossen, den man deswegen gern statt derselben auffasst. Die gewöhnlichsten fixen Vor- stellungen sind Einbildungen grosser Gewinne durch das Lotto und Erbschaften, des Besitzes hoher Ehrenstellen, Furcht für Nachstellungen, oder für Ansteckungen böser Krankheiten, Glau- be an Verwandlungen des Körpers, Gewissens- bisse über verabsäumte allgemeine oder Berufs- pflichten. Die Entstehung dieser Ideen gründet
rungsvermögen einflieſst, das Intereſſe anzieht, die Leidenſchaften erregt und die Handlungen des Kranken beſtimmt. Einige derſelben ſind höchſt wandelbar, und können nicht beſonders bemerkt werden, andere flieſsen unmittelbar aus der ver- ſchiedenen Natur der fixirten Vorſtellung, und haben mehr oder weniger Einfluſs auf das pſy- chiſche Heilgeſchäfft. Dieſe Variationen müſſen, wenn ſie einige Selbſtſtändigkeit haben ſollen, entweder allein nach der ſpecifiſchen Dif- ferenz der fixen Ideen, oder nach der Wirkung beſtimmt werden, die dieſelben in der Seele hervorbringen. Auf die erſte Regel bezieht ſich der Wahn erlangter Reichthümer, eines umgewandelten Körpers, beſtimmter Gewiſſensbiſſe; auf die andere Le- bensüberdruſs, der dumpfe, der raſtloſe Wahn- ſinn. Mir ſcheint die erſte Regel die beſte zu ſeyn, der ich daher vorzüglich folgen will. Doch ſpringt man leicht ab, weil manche fixe Ideen in dem nemlichen Effect, z. B. im Lebensüberdruſs, zuſammenſtoſsen, den man deswegen gern ſtatt derſelben auffaſst. Die gewöhnlichſten fixen Vor- ſtellungen ſind Einbildungen groſser Gewinne durch das Lotto und Erbſchaften, des Beſitzes hoher Ehrenſtellen, Furcht für Nachſtellungen, oder für Anſteckungen böſer Krankheiten, Glau- be an Verwandlungen des Körpers, Gewiſſens- biſſe über verabſäumte allgemeine oder Berufs- pflichten. Die Entſtehung dieſer Ideen gründet
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rungsvermögen einflieſst, das Intereſſe anzieht,
die Leidenſchaften erregt und die Handlungen des
Kranken beſtimmt. Einige derſelben ſind höchſt
wandelbar, und können nicht beſonders bemerkt
werden, andere flieſsen unmittelbar aus der ver-
ſchiedenen Natur der fixirten Vorſtellung, und
haben mehr oder weniger Einfluſs auf das pſy-
chiſche Heilgeſchäfft. Dieſe Variationen müſſen,
wenn ſie einige Selbſtſtändigkeit haben ſollen,
entweder allein nach der ſpecifiſchen Dif-
ferenz der fixen Ideen, oder nach der
Wirkung beſtimmt werden, die dieſelben
in der Seele hervorbringen. Auf die
erſte Regel bezieht ſich der Wahn erlangter
Reichthümer, eines umgewandelten Körpers,
beſtimmter Gewiſſensbiſſe; auf die andere Le-
bensüberdruſs, der dumpfe, der raſtloſe Wahn-
ſinn. Mir ſcheint die erſte Regel die beſte zu
ſeyn, der ich daher vorzüglich folgen will. Doch
ſpringt man leicht ab, weil manche fixe Ideen in
dem nemlichen Effect, z. B. im Lebensüberdruſs,
zuſammenſtoſsen, den man deswegen gern ſtatt
derſelben auffaſst. Die gewöhnlichſten fixen Vor-
ſtellungen ſind Einbildungen groſser Gewinne
durch das Lotto und Erbſchaften, des Beſitzes
hoher Ehrenſtellen, Furcht für Nachſtellungen,
oder für Anſteckungen böſer Krankheiten, Glau-
be an Verwandlungen des Körpers, Gewiſſens-
biſſe über verabſäumte allgemeine oder Berufs-
pflichten. Die Entſtehung dieſer Ideen gründet
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/338>, abgerufen am 21.11.2024.
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