gewann man dadurch, dass man sich nach den Speisen erkundigte, die er gern genossen hatte. Diese kochte man in seiner Gegenwart. Der an- genehme Geruch wirkte so stark auf ihn, dass er von denselben zu essen verlangte. Ueberhaupt muss man diese Kranken für Einsamkeit und Müssiggang hüten, sie überreden, dass sie von fremden Mitteln erhalten werden, sie durch Dinge zerstreuen, von denen sie glauben, dass sie ihnen nichts kosten, und sie mit Arbeiten beschäfftigen, die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden sind *).
c) Fixe Vorstellungen, die sich auf Verwandlungen des Körpers und der Persönlichkeit beziehn (mania metamor- phosis). Jene entstehenwahrscheinlich ursprüng- lich immer von Krankheiten des Körpers und des Gemeingefühls, denen die Phantasie eine falsche Ursache unterschiebt. Die Verwechselungen der Persönlichkeit sind vielleicht zuweilen psycholo- gischen Ursprungs, doch meistens auch Folgen abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und eines kranken Gehirns. Denn wir finden sie zu häufig als Gefährten hitziger und chronischer Nervenkrankheiten. Die Einbildungen sind ver- schiedner Art; geringer, grösser; Möglichkeiten
*) Quorumdam enim vani metus levandi sunt; sic- ut in homine praedivite, famem timente, in- cidit, cui subinde falsae haereditates nunciaban- tur. Celsus Lib. III. c. 18.
Y
gewann man dadurch, daſs man ſich nach den Speiſen erkundigte, die er gern genoſſen hatte. Dieſe kochte man in ſeiner Gegenwart. Der an- genehme Geruch wirkte ſo ſtark auf ihn, daſs er von denſelben zu eſſen verlangte. Ueberhaupt muſs man dieſe Kranken für Einſamkeit und Müſsiggang hüten, ſie überreden, daſs ſie von fremden Mitteln erhalten werden, ſie durch Dinge zerſtreuen, von denen ſie glauben, daſs ſie ihnen nichts koſten, und ſie mit Arbeiten beſchäfftigen, die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden ſind *).
c) Fixe Vorſtellungen, die ſich auf Verwandlungen des Körpers und der Perſönlichkeit beziehn (mania metamor- phoſis). Jene entſtehenwahrſcheinlich urſprüng- lich immer von Krankheiten des Körpers und des Gemeingefühls, denen die Phantaſie eine falſche Urſache unterſchiebt. Die Verwechſelungen der Perſönlichkeit ſind vielleicht zuweilen pſycholo- giſchen Urſprungs, doch meiſtens auch Folgen abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und eines kranken Gehirns. Denn wir finden ſie zu häufig als Gefährten hitziger und chroniſcher Nervenkrankheiten. Die Einbildungen ſind ver- ſchiedner Art; geringer, gröſser; Möglichkeiten
*) Quorumdam enim vani metus levandi ſunt; ſic- ut in homine praedivite, famem timente, in- cidit, cui ſubinde falſae haereditates nunciaban- tur. Celſus Lib. III. c. 18.
Y
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0342"n="337"/>
gewann man dadurch, daſs man ſich nach den<lb/>
Speiſen erkundigte, die er gern genoſſen hatte.<lb/>
Dieſe kochte man in ſeiner Gegenwart. Der an-<lb/>
genehme Geruch wirkte ſo ſtark auf ihn, daſs er<lb/>
von denſelben zu eſſen verlangte. Ueberhaupt<lb/>
muſs man dieſe Kranken für Einſamkeit und<lb/>
Müſsiggang hüten, ſie überreden, daſs ſie von<lb/>
fremden Mitteln erhalten werden, ſie durch Dinge<lb/>
zerſtreuen, von denen ſie glauben, daſs ſie ihnen<lb/>
nichts koſten, und ſie mit Arbeiten beſchäfftigen,<lb/>
die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden ſind <noteplace="foot"n="*)">Quorumdam enim vani metus levandi ſunt; ſic-<lb/>
ut in homine praedivite, famem timente, in-<lb/>
cidit, cui ſubinde falſae haereditates nunciaban-<lb/>
tur. <hirendition="#g">Celſus</hi> Lib. III. c. 18.</note>.</p><lb/><p><hirendition="#g">c) Fixe Vorſtellungen, die ſich auf<lb/>
Verwandlungen des Körpers und der<lb/>
Perſönlichkeit beziehn</hi> (mania metamor-<lb/>
phoſis). Jene entſtehenwahrſcheinlich urſprüng-<lb/>
lich immer von Krankheiten des Körpers und des<lb/>
Gemeingefühls, denen die Phantaſie eine falſche<lb/>
Urſache unterſchiebt. Die Verwechſelungen der<lb/>
Perſönlichkeit ſind vielleicht zuweilen pſycholo-<lb/>
giſchen Urſprungs, doch meiſtens auch Folgen<lb/>
abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und<lb/>
eines kranken Gehirns. Denn wir finden ſie zu<lb/>
häufig als Gefährten hitziger und chroniſcher<lb/>
Nervenkrankheiten. Die Einbildungen ſind ver-<lb/>ſchiedner Art; geringer, gröſser; Möglichkeiten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Y</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[337/0342]
gewann man dadurch, daſs man ſich nach den
Speiſen erkundigte, die er gern genoſſen hatte.
Dieſe kochte man in ſeiner Gegenwart. Der an-
genehme Geruch wirkte ſo ſtark auf ihn, daſs er
von denſelben zu eſſen verlangte. Ueberhaupt
muſs man dieſe Kranken für Einſamkeit und
Müſsiggang hüten, ſie überreden, daſs ſie von
fremden Mitteln erhalten werden, ſie durch Dinge
zerſtreuen, von denen ſie glauben, daſs ſie ihnen
nichts koſten, und ſie mit Arbeiten beſchäfftigen,
die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden ſind *).
c) Fixe Vorſtellungen, die ſich auf
Verwandlungen des Körpers und der
Perſönlichkeit beziehn (mania metamor-
phoſis). Jene entſtehenwahrſcheinlich urſprüng-
lich immer von Krankheiten des Körpers und des
Gemeingefühls, denen die Phantaſie eine falſche
Urſache unterſchiebt. Die Verwechſelungen der
Perſönlichkeit ſind vielleicht zuweilen pſycholo-
giſchen Urſprungs, doch meiſtens auch Folgen
abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und
eines kranken Gehirns. Denn wir finden ſie zu
häufig als Gefährten hitziger und chroniſcher
Nervenkrankheiten. Die Einbildungen ſind ver-
ſchiedner Art; geringer, gröſser; Möglichkeiten
*) Quorumdam enim vani metus levandi ſunt; ſic-
ut in homine praedivite, famem timente, in-
cidit, cui ſubinde falſae haereditates nunciaban-
tur. Celſus Lib. III. c. 18.
Y
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/342>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.