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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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gewann man dadurch, dass man sich nach den
Speisen erkundigte, die er gern genossen hatte.
Diese kochte man in seiner Gegenwart. Der an-
genehme Geruch wirkte so stark auf ihn, dass er
von denselben zu essen verlangte. Ueberhaupt
muss man diese Kranken für Einsamkeit und
Müssiggang hüten, sie überreden, dass sie von
fremden Mitteln erhalten werden, sie durch Dinge
zerstreuen, von denen sie glauben, dass sie ihnen
nichts kosten, und sie mit Arbeiten beschäfftigen,
die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden sind *).

c) Fixe Vorstellungen, die sich auf
Verwandlungen des Körpers und der
Persönlichkeit beziehn
(mania metamor-
phosis). Jene entstehenwahrscheinlich ursprüng-
lich immer von Krankheiten des Körpers und des
Gemeingefühls, denen die Phantasie eine falsche
Ursache unterschiebt. Die Verwechselungen der
Persönlichkeit sind vielleicht zuweilen psycholo-
gischen Ursprungs, doch meistens auch Folgen
abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und
eines kranken Gehirns. Denn wir finden sie zu
häufig als Gefährten hitziger und chronischer
Nervenkrankheiten. Die Einbildungen sind ver-
schiedner Art; geringer, grösser; Möglichkeiten

*) Quorumdam enim vani metus levandi sunt; sic-
ut in homine praedivite, famem timente, in-
cidit, cui subinde falsae haereditates nunciaban-
tur. Celsus Lib. III. c. 18.
Y

gewann man dadurch, daſs man ſich nach den
Speiſen erkundigte, die er gern genoſſen hatte.
Dieſe kochte man in ſeiner Gegenwart. Der an-
genehme Geruch wirkte ſo ſtark auf ihn, daſs er
von denſelben zu eſſen verlangte. Ueberhaupt
muſs man dieſe Kranken für Einſamkeit und
Müſsiggang hüten, ſie überreden, daſs ſie von
fremden Mitteln erhalten werden, ſie durch Dinge
zerſtreuen, von denen ſie glauben, daſs ſie ihnen
nichts koſten, und ſie mit Arbeiten beſchäfftigen,
die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden ſind *).

c) Fixe Vorſtellungen, die ſich auf
Verwandlungen des Körpers und der
Perſönlichkeit beziehn
(mania metamor-
phoſis). Jene entſtehenwahrſcheinlich urſprüng-
lich immer von Krankheiten des Körpers und des
Gemeingefühls, denen die Phantaſie eine falſche
Urſache unterſchiebt. Die Verwechſelungen der
Perſönlichkeit ſind vielleicht zuweilen pſycholo-
giſchen Urſprungs, doch meiſtens auch Folgen
abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und
eines kranken Gehirns. Denn wir finden ſie zu
häufig als Gefährten hitziger und chroniſcher
Nervenkrankheiten. Die Einbildungen ſind ver-
ſchiedner Art; geringer, gröſser; Möglichkeiten

*) Quorumdam enim vani metus levandi ſunt; ſic-
ut in homine praedivite, famem timente, in-
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[337/0342] gewann man dadurch, daſs man ſich nach den Speiſen erkundigte, die er gern genoſſen hatte. Dieſe kochte man in ſeiner Gegenwart. Der an- genehme Geruch wirkte ſo ſtark auf ihn, daſs er von denſelben zu eſſen verlangte. Ueberhaupt muſs man dieſe Kranken für Einſamkeit und Müſsiggang hüten, ſie überreden, daſs ſie von fremden Mitteln erhalten werden, ſie durch Dinge zerſtreuen, von denen ſie glauben, daſs ſie ihnen nichts koſten, und ſie mit Arbeiten beſchäfftigen, die mit Hoffnung zum Erwerb verbunden ſind *). c) Fixe Vorſtellungen, die ſich auf Verwandlungen des Körpers und der Perſönlichkeit beziehn (mania metamor- phoſis). Jene entſtehenwahrſcheinlich urſprüng- lich immer von Krankheiten des Körpers und des Gemeingefühls, denen die Phantaſie eine falſche Urſache unterſchiebt. Die Verwechſelungen der Perſönlichkeit ſind vielleicht zuweilen pſycholo- giſchen Urſprungs, doch meiſtens auch Folgen abnormer Wirkungen des Gemeingefühls und eines kranken Gehirns. Denn wir finden ſie zu häufig als Gefährten hitziger und chroniſcher Nervenkrankheiten. Die Einbildungen ſind ver- ſchiedner Art; geringer, gröſser; Möglichkeiten *) Quorumdam enim vani metus levandi ſunt; ſic- ut in homine praedivite, famem timente, in- cidit, cui ſubinde falſae haereditates nunciaban- tur. Celſus Lib. III. c. 18. Y

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/342>, abgerufen am 22.11.2024.