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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803.

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bäckergesell, sagt Ehrhard *), der sich öfters
im Dunkeln mit Zitterschlagen vergnügte, hatte
die Erscheinung, als wenn ein Bogen Papier zur
Thür herein käme, sich um seine Füsse schlänge
und dann wieder hinausflöge. Er sah dies als
einen Vorboten seines nahen Todes an, ward
traurig, still, verlohr allen Appetit und starb ei-
nige Wochen darauf.

e) Fixer Wahn, der sich auf reli-
giöse Gegenstände bezieht
. Der Kran-
ke glaubt z. B. Sünden begangen zu haben, die
nicht vergeben werden können, bildet sich ein,
ursprünglich zur Hölle verdammt zu seyn, ver-
zweifelt an der Gnade Gottes. Am hartnäckig-
sten sind diese Ideen, wenn sie Folge eines auf
einmal erwachenden Gewissens sind. Man halte
diese Kranken zur Arbeit an, und entferne alles,
was den Anstrich der Religiösität hat. Zuweilen
leistet auch die Musik gute Dienste. Ein Wahn-
sinniger dieser Art, der an der Gnade Gottes ver-
zweifelte, wurde dadurch gerettet, dass Jemand
in der Gestalt eines Engels, mit einer brennen-
den Fackel in der linken und mit einem Schwerdt
in der rechten Hand, des Nachts durch die
Decke des Zimmers kam, und ihm im Namen
des dreieinigen Gottes Vergebung seiner Sünden
ertheilte **).


*) Wagner l. c. 2 B. 25 S.
**) Sauvages Nos. T. III. P. I. p. 383.

bäckergeſell, ſagt Ehrhard *), der ſich öfters
im Dunkeln mit Zitterſchlagen vergnügte, hatte
die Erſcheinung, als wenn ein Bogen Papier zur
Thür herein käme, ſich um ſeine Füſse ſchlänge
und dann wieder hinausflöge. Er ſah dies als
einen Vorboten ſeines nahen Todes an, ward
traurig, ſtill, verlohr allen Appetit und ſtarb ei-
nige Wochen darauf.

e) Fixer Wahn, der ſich auf reli-
giöſe Gegenſtände bezieht
. Der Kran-
ke glaubt z. B. Sünden begangen zu haben, die
nicht vergeben werden können, bildet ſich ein,
urſprünglich zur Hölle verdammt zu ſeyn, ver-
zweifelt an der Gnade Gottes. Am hartnäckig-
ſten ſind dieſe Ideen, wenn ſie Folge eines auf
einmal erwachenden Gewiſſens ſind. Man halte
dieſe Kranken zur Arbeit an, und entferne alles,
was den Anſtrich der Religiöſität hat. Zuweilen
leiſtet auch die Muſik gute Dienſte. Ein Wahn-
ſinniger dieſer Art, der an der Gnade Gottes ver-
zweifelte, wurde dadurch gerettet, daſs Jemand
in der Geſtalt eines Engels, mit einer brennen-
den Fackel in der linken und mit einem Schwerdt
in der rechten Hand, des Nachts durch die
Decke des Zimmers kam, und ihm im Namen
des dreieinigen Gottes Vergebung ſeiner Sünden
ertheilte **).


*) Wagner l. c. 2 B. 25 S.
**) Sauvages Noſ. T. III. P. I. p. 383.
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[345/0350] bäckergeſell, ſagt Ehrhard *), der ſich öfters im Dunkeln mit Zitterſchlagen vergnügte, hatte die Erſcheinung, als wenn ein Bogen Papier zur Thür herein käme, ſich um ſeine Füſse ſchlänge und dann wieder hinausflöge. Er ſah dies als einen Vorboten ſeines nahen Todes an, ward traurig, ſtill, verlohr allen Appetit und ſtarb ei- nige Wochen darauf. e) Fixer Wahn, der ſich auf reli- giöſe Gegenſtände bezieht. Der Kran- ke glaubt z. B. Sünden begangen zu haben, die nicht vergeben werden können, bildet ſich ein, urſprünglich zur Hölle verdammt zu ſeyn, ver- zweifelt an der Gnade Gottes. Am hartnäckig- ſten ſind dieſe Ideen, wenn ſie Folge eines auf einmal erwachenden Gewiſſens ſind. Man halte dieſe Kranken zur Arbeit an, und entferne alles, was den Anſtrich der Religiöſität hat. Zuweilen leiſtet auch die Muſik gute Dienſte. Ein Wahn- ſinniger dieſer Art, der an der Gnade Gottes ver- zweifelte, wurde dadurch gerettet, daſs Jemand in der Geſtalt eines Engels, mit einer brennen- den Fackel in der linken und mit einem Schwerdt in der rechten Hand, des Nachts durch die Decke des Zimmers kam, und ihm im Namen des dreieinigen Gottes Vergebung ſeiner Sünden ertheilte **). *) Wagner l. c. 2 B. 25 S. **) Sauvages Noſ. T. III. P. I. p. 383.

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Zitationshilfe: Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/350>, abgerufen am 22.11.2024.