fähigkeit ist verschieden; Mangel an Vorstellun- gen, Taubheit, oft auch unmittelbare Verletzun- gen der Sprachorgane durch Kröpfe.
Das Muskelsystem der Blödsinnigen ist ohne Reizbarkeit und Energie. Daher ihr Un- vermögen den Körper gebunden und in einer ge- fälligen Form zusammenzuhalten. Hiezu kömmt der Mangel am Wollen, weil es ihnen an Beson- nenheit fehlt. Oben habe ich es bereits beiläufig erwähnt, dass vielleicht selbst während der eigen- thümlichen Actionen des Gehirns, von denen wir glauben, dass sie auf dasselbe beschränkt sind, ein Strom abwärts zum Muskelsystem gehe und dasselbe so bestimmt stelle, dass Physiognomen darin die inneren Vorgänge der Seele erblicken und Mahler sie nach diesem Vorbilde sinnlich dar- stellen können. Im Blödsinn ist die Seele leer, sie bewirkt also auch diese Stellung des Muskel- systems nicht, in welcher sie sich wie in einem Spiegel darstellt. Daher die Gestalt ohne Leben, das matte und unstätte Auge, das keinen Gegen- stand festhält, die gedankenlose Mine und die flache und kraftlose Physiognomie blödsinniger Menschen. Ihre Glieder schwimmen fort, wohin Cohärenz und Schwere sie leiten, ohne Gebunden- heit zu einer gefälligen Form, durch die Energie der Muskeln. Die Backen hängen, der Mund steht offen, der Geifer fliesst aus, der Kopf wa- ckelt, der Rücken ist gebogen, die Arme schlot- tern und der Tropf steht mit gebognen Knieen
fähigkeit iſt verſchieden; Mangel an Vorſtellun- gen, Taubheit, oft auch unmittelbare Verletzun- gen der Sprachorgane durch Kröpfe.
Das Muskelſyſtem der Blödſinnigen iſt ohne Reizbarkeit und Energie. Daher ihr Un- vermögen den Körper gebunden und in einer ge- fälligen Form zuſammenzuhalten. Hiezu kömmt der Mangel am Wollen, weil es ihnen an Beſon- nenheit fehlt. Oben habe ich es bereits beiläufig erwähnt, daſs vielleicht ſelbſt während der eigen- thümlichen Actionen des Gehirns, von denen wir glauben, daſs ſie auf daſſelbe beſchränkt ſind, ein Strom abwärts zum Muskelſyſtem gehe und daſſelbe ſo beſtimmt ſtelle, daſs Phyſiognomen darin die inneren Vorgänge der Seele erblicken und Mahler ſie nach dieſem Vorbilde ſinnlich dar- ſtellen können. Im Blödſinn iſt die Seele leer, ſie bewirkt alſo auch dieſe Stellung des Muskel- ſyſtems nicht, in welcher ſie ſich wie in einem Spiegel darſtellt. Daher die Geſtalt ohne Leben, das matte und unſtätte Auge, das keinen Gegen- ſtand feſthält, die gedankenloſe Mine und die flache und kraftloſe Phyſiognomie blödſinniger Menſchen. Ihre Glieder ſchwimmen fort, wohin Cohärenz und Schwere ſie leiten, ohne Gebunden- heit zu einer gefälligen Form, durch die Energie der Muskeln. Die Backen hängen, der Mund ſteht offen, der Geifer flieſst aus, der Kopf wa- ckelt, der Rücken iſt gebogen, die Arme ſchlot- tern und der Tropf ſteht mit gebognen Knieen
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fähigkeit iſt verſchieden; Mangel an Vorſtellun-
gen, Taubheit, oft auch unmittelbare Verletzun-
gen der Sprachorgane durch Kröpfe.
Das Muskelſyſtem der Blödſinnigen iſt
ohne Reizbarkeit und Energie. Daher ihr Un-
vermögen den Körper gebunden und in einer ge-
fälligen Form zuſammenzuhalten. Hiezu kömmt
der Mangel am Wollen, weil es ihnen an Beſon-
nenheit fehlt. Oben habe ich es bereits beiläufig
erwähnt, daſs vielleicht ſelbſt während der eigen-
thümlichen Actionen des Gehirns, von denen wir
glauben, daſs ſie auf daſſelbe beſchränkt ſind,
ein Strom abwärts zum Muskelſyſtem gehe und
daſſelbe ſo beſtimmt ſtelle, daſs Phyſiognomen
darin die inneren Vorgänge der Seele erblicken
und Mahler ſie nach dieſem Vorbilde ſinnlich dar-
ſtellen können. Im Blödſinn iſt die Seele leer,
ſie bewirkt alſo auch dieſe Stellung des Muskel-
ſyſtems nicht, in welcher ſie ſich wie in einem
Spiegel darſtellt. Daher die Geſtalt ohne Leben,
das matte und unſtätte Auge, das keinen Gegen-
ſtand feſthält, die gedankenloſe Mine und die
flache und kraftloſe Phyſiognomie blödſinniger
Menſchen. Ihre Glieder ſchwimmen fort, wohin
Cohärenz und Schwere ſie leiten, ohne Gebunden-
heit zu einer gefälligen Form, durch die Energie
der Muskeln. Die Backen hängen, der Mund
ſteht offen, der Geifer flieſst aus, der Kopf wa-
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Reil, Johann Christian: Rhapsodieen über die Anwendung der psychischen Curmethode auf Geisteszerrüttungen. Halle, 1803, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reil_curmethode_1803/416>, abgerufen am 22.11.2024.
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